Mörderisches Bayreuth. Werner Rosenzweig
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Название: Mörderisches Bayreuth

Автор: Werner Rosenzweig

Издательство: Автор

Жанр: Триллеры

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isbn: 9783862223695

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СКАЧАТЬ seiner Herzfrequenz erreichte.

      Nun bog er scharf links ab und sprintete in vollem Tempo rund 200 Meter kerzengerade auf den Sonnentempel zu, den die Wassermassen von oben nahezu verschluckten. Die letzten Minuten war der Regen stärker geworden. Er prasselte heftig auf die Bäume und kahlen Hecken der barock angelegten Gartenflächen ein, die wie ein riesiges Labyrinth wirkten. Auf den Wegen bildeten sich die ersten Wasserlachen. Es spritzte nach allen Seiten, wenn der Jogger mit schnellen, kräftigen Schritten in sie hineinstapfte. Er folgte einem schnurgeraden Pfad bis zu seinem Ende, überquerte die geteerte Hauptallee, schlüpfte zwischen Sonnentempel und Orangerie hindurch, vorbei am großen Wasserbecken, und legte noch ein paar Übungen ein. Dann rannte er durch die Allee zum kleinen Schlösschen Monplaisir hinab. Die dicken Stämme der Bäume waren grau und schmucklos, wie überhaupt der gesamte Park zu dieser Jahreszeit. Überall auf dem Gelände waren die witterungsanfälligen Steinstatuen und Skulpturen mit Stahlrahmen überbaut, zwischen denen als Kälteschutz graue Plastikplanen gespannt waren.

      Kurz vor Monplaisir grüßte zwischen blattlosen Ästen der Chinesische Pavillon vom Schneckenberg herunter. Der Läufer wählte den Weg nach rechts in Richtung der Unteren Grotte, vorbei am Eremitenhaus, um dann über einen kleinen Anstieg auf das Alte Schloss zuzulaufen. Jetzt war er im Rhythmus, hatte seine Idealgeschwindigkeit gefunden. Vom Alten Schloss kommend, an dem langgezogenen Wirtschaftsgebäude vorbei, in dem die Schlossgaststätte untergebracht war, den alten Wasserturm hinter sich lassend, ging es rechterhand hinein in den Wald und in diversen Links-rechts-links-rechts-Bögen, immer dem Roten Main folgend, schließlich zum Parnass, dem künstlichen Felsen, der nur mit viel Fantasie an seinen Namensvetter, den 2.455 Meter hohen Gebirgsstock in Zentralgriechenland, erinnerte. Ein Symbol des mythischen Bergs des Gottes Apoll, zugleich Heimat der neun Musen, der Göttinnen der Künste. Der Bayreuther Parnass wirkte eher wie ein grauer, von Wind und Wetter zerklüfteter Steintunnel, den man von vier Seiten begehen konnte. Kaum jemand würde sich wundern, wenn hier plötzlich heulend und pfeifend eine alte, überdimensionale Dampflokomotive durchfauchen würde. Durch eine der vier Öffnungen führte ein kurzer Weg hin zum Alten Schloss. Der Jogger erinnerte sich an seinen ersten Besuch der Eremitage im Juli letzten Jahres, als der Park im satten Grün stand und er und Annalena diesen Weg gegangen waren. Die Buchenhecken links und rechts waren über ihren Köpfen zusammengewachsen und hatten angenehmen Schatten gespendet. Nun standen ihre Holzgerippe traurig ineinander verwachsen herum und boten in ihrem Herbstschnitt ein Bild kahler Tristesse. Wenigstens lag von hier aus der Sonnentempel nur noch einen Katzensprung entfernt. Schon etwas schwerer atmend huschte der Jogger erneut an der Orangerie durch, um seine zweite Runde einzuläuten. Dreimal wollte er die Strecke laufen, wie immer. Das war nach seinem Umzug nach Bayreuth schnell zu einem Ritual geworden.

      Weine nicht, wenn der Regen fällt. Tam tam, tam tam. Es gibt einen, der zu dir hält. Tam tam, tam tam … Drafi Deutscher besang die Geschichte von Marmor, Stein, Eisen und dem Regen. Wie treffend für diesen trüben Tag. Normalerweise waren um diese Uhrzeit immer noch Leute unterwegs, bei aller Kahlheit hatte der Park schließlich auch im Winter seinen Reiz. Heute war dem Läufer noch keine einzige Menschenseele begegnet. Das heißt, bis auf die kleine Gruppe Raucher vor dem Eingang der Schlossgaststätte, die jetzt vor ihm auftauchte. Frierend drängten sie sich unter einem Sonnenschirm eng aneinander und zogen gierig an ihren Glimmstängeln. Er beachtete sie nicht weiter, konzentrierte sich auf seinen Weg, seine Laufschritte und seine Atmung.

      Ein Augenpaar aus der Gruppe der Raucher hatte ihn allerdings sofort erkannt. Es folgte ihm, als er vorbeihastete, um auf Höhe des alten Wasserturms wieder rechts in den Wald abzubiegen. Ein Blick voller Groll – aber noch war Zeit. Zweimal würde der Jogger hier noch vorbeikommen, es gab keinen Grund, jetzt schon zu handeln.

      Schritt für Schritt, immer im gleichmäßigen Tempo, wie ein Präzisionsuhrwerk, hatte der Läufer rund eine Stunde später seine zehn Kilometer nahezu geschafft. Er bog gerade wieder in den Kanalgarten ab und weiter in Richtung Parkplatz. Erst 1977 war dieses Stück der Eremitage nach alten Plänen renoviert worden und entsprach nun wieder seinem ursprünglichen Aussehen. Für die aparte Anlage mit ihrem langen, engen Wasserkanal samt drei Bassins, den unzähligen Heckenquartieren und Laubengängen, in denen in der warmen Jahreszeit vor allem Kinder gerne Versteck spielten, hatte der Jogger auf seinen letzten Metern aber kein Auge. Zwischenzeitlich war er, trotz seiner hochprofessionellen Kleidung, ordentlich durchnässt und wollte nichts anderes als schnell nach Hause und ein heißes Bad nehmen.

      Als er den Parkplatz erreichte, schüttete es immer noch wie aus Kübeln und eine unangenehme Kälte kroch ihm in die Glieder, während er sich nach der Anstrengung des Laufs abdehnte. Da sah er die Bescherung. Sein Mercedes stand nicht mehr so, wie er ihn verlassen hatte, die Haube war seltsam abgesackt. Im Dunkel der aufkommenden Nacht trat er näher heran, fluchte wie ein Kesselflicker und warf voller Wut seine Regencap auf den nassen Asphalt. Die beiden vorderen Reifen waren platt. Schöne Scheiße. Das konnte nur einer dieser oberfränkischen Vollpfosten gewesen sein, der sich einen Spaß daraus machte, Reifen an ortsfremden Autos zu zerstechen. Ein unbekanntes Kfz-Kennzeichen konnte bei diesen Typen schon Grund genug sein.

      Was für eine Woche! Dieser Tage war schon alles zusammengekommen: Los ging es, als er am Mittwoch sein Handy verlegte. Er wusste bis heute nicht, wo es abgeblieben war. Gott sei Dank hatte er eine Sicherungskopie all seiner Kontakte auf dem Computer gespeichert. Ohne Handy – das ging gar nicht, also besorgte er sich am nächsten Tag gleich ein neues Modell, übergangsweise mit Prepaid-Karte; für seine Herzallerliebste wollte er erreichbar sein, die war am Mittwochmorgen zu einer Tagung ihrer grünen Partei nach Hof abgereist. Hätte er sich auch sparen können, seit ihrem Aufbruch hatte sie sich nicht bei ihm gemeldet. Sehr ungewöhnlich für sie. Noch schlimmer: Seine Anrufe hatte sie weggedrückt, seine SMS unbeantwortet gelassen. Lag’s an der neuen, unbekannten Nummer? Er machte sich Sorgen. Sie schwebten doch beide noch auf Wolke Sieben. Oder etwa nicht mehr? War irgendetwas passiert, von dem er keine Ahnung hatte? Morgen erst würde sie zurückkommen. Wenn er sich nicht ablenkte, machte ihn die Situation halb wahnsinnig.

      Und dann dieser triste Tag heute; am Vormittag hatte er seine Zugehfrau gefeuert. Die meinte offenbar, dass sie sich alles erlauben konnte. Nicht nur, dass sie immer unzuverlässiger geworden war, auch Diebstahl stand zuletzt auf ihrem Programm. Klar lag eine gehörige Mitschuld bei ihm selbst. Man ließ eben Geld nicht offen in Schubladen herumliegen. Gelegenheit macht Diebe. Trotzdem, da waren einige Fünfziger verschwunden, das konnte er nicht mehr durchgehen lassen.

      Der Zoff mit Manfred hatte dem Ganzen die Krone aufgesetzt. Wegen einer Lappalie! Schuld war nur seine Ex, das stand außer Frage. Von Neid zerfressen, voller Vorwürfe und eine Meisterin im Stiften von Zwietracht.

      Dass gestern Abend auch noch dieses Sexmonster Aischa Bint Malika Al-Bagdadi vor seiner Haustür stand, Sturm klingelte und Einlass verlangte, versuchte er immer noch zu verdrängen. Die hatte ihm gerade noch gefehlt. Als ob er wegen diesem kleinen Wertpapiergeschäft nach ihrer Pfeife tanzen würde, lächerlich. Und gefährlich für seine aktuelle Beziehung. Da zeigte sich einmal wieder: Geschäft und Privates gehört sauber getrennt!

      Das hatte er sich auch gedacht, als am Dienstag die seltsame SMS eingetrudelt war – unbekannte Nummer, unterzeichnet mit „Bill“. Der einzige Bill, den er kannte, hatte gerade die deutsche Steuerfahndung an der Backe, atmete vermutlich sogar schon gesiebte Luft und saß in U-Haft. Der SMS konnte man nicht trauen. Eventuell ein plumper Trick der Steuerfahnder, auf diese Leimrute würde er sicherlich nicht kriechen. Er hatte einfach nicht geantwortet.

      Momentan schien wirklich alles aus dem Ruder zu laufen. Und nun die platten Reifen mitten im Scheißregen.

      Mit der Lampe seines neuen Handys beleuchtete er die beiden Vorderreifen notdürftig. Eindeutig zerstochen. Damit kam er hier nicht weg. Er sah sich um. Der Parkplatz war fast vollkommen leer. Nur ein japanisches SUV-Modell stand, einsam geparkt, rund fünf Meter hinter seinem Mercedes. Vom Fahrer des Wagens war weit und breit nichts zu sehen.

      Resigniert nahm СКАЧАТЬ