Название: Bastians Traum
Автор: Guido Arnold
Издательство: Автор
Жанр: Короткие любовные романы
isbn: 9783960081111
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Rhea hatte indessen die Füße auf den Tisch gelegt, aß weiter und beobachtete die Szene mit Wohlwollen.
»Wie ich sehe, hat es dir gemundet.«
»Es war köstlich, Eure Hoheit. Ich danke Euch für diese Ehre.«
»Ich weiß, ich weiß«, winkte sie ab, »und jetzt sag mir, woher du kommst. Deine Augenfarbe ist äußerst ungewöhnlich in diesem Land. Um ehrlich zu sein, sehe ich so etwas zum ersten Mal. Du kommst wohl von weither.«
Wenn sie nur wüsste, wie Recht sie hatte. Er war der einzige hier mit grüngrauen Augen. Wann immer er in ein Augenpaar blickte, sah er dunkles Braun oder tiefes Schwarz.
»Es ist wahr«, antwortete er, »ich bin nicht von hier. Meine Heimat ist sehr weit entfernt, so weit, dass ich nicht einmal weiß, wie weit.«
»Wie bist du denn hierhergekommen?«
»Um ehrlich zu sein: Ich weiß es nicht.«
Rhea hatte wieder die Augenbrauen zusammengekniffen. Aus irgendeinem Grund schien Rhea ihm Glauben zu schenken, obwohl er sich selbst nicht sehr glaubwürdig vorkam.
»Vielleicht hat dich dein Schicksal hierher geführt.« Sie lehnte sich zurück und faltete die Hände so, dass nur ihre Fingerspitzen sich berührten und beide Zeigefingernägel ihre Nasenspitze. Triumphierend sagte sie: »Und es hat dich direkt zu mir geführt.«
Die Art, wie sie das sagte, behagte Cassio nicht. Warum war er sich nur wieder so sicher, dass alle mehr über ihn zu wissen schienen als er selbst?
»Erzähl mir von deiner Heimat«, erhob Rhea ihre Stimme.
»Nun, sie unterscheidet sich sehr von diesem Ort, es liegen gewissermaßen Welten dazwischen«, begann Cassio zögerlich.
»Wie meinst du das?«
Er überlegte kurz.
»Nun, verzeiht, falls Euch diese Frage vermessen erscheint. Was tut Ihr den ganzen Tag?«
Ein Anflug von Zorn machte sich daran, Rhea in Rage zu versetzen. So etwas hatte sich noch nie jemand sie ungestraft zu fragen gewagt. Doch schlagartig beruhigte sie sich wieder. Ihr ungezügelter Gast war schließlich ein Fremder, dem vorerst noch Nachsicht zustand. Nahezu sichtbar gewann ihr Verstand wieder die Herrschaft über ihre Gefühlsregungen.
»Wir stehen kurz vor einem Krieg mit einem benachbarten Königreich«, berichtete sie kühl. »Dieser Zustand ist jedoch nicht besonders besorgniserregend, wenn man bedenkt, dass er schon seit Jahren andauert. Seit Voland, dieser räudige Hund, dort den Thron bestiegen hat.« Ihre Augen funkelten. »Du hast übrigens Glück, dass du nicht ihm in die Arme gelaufen bist, denn das Beste, was dir dann hätte widerfahren können, wäre dein schneller Tod gewesen.
Wem das Glück weniger hold gesonnen ist, der könnte immerhin noch seinen Männern zum Vergnügen gereichen. Solange sie ihr Spielzeug nicht kaputtgemacht haben. Oder du landest in der Folterkammer oder im Arbeitslager, wo bei deiner Statur jeder mit dir machen würde, was er will, falls du nicht vorher zu Tode geprügelt wirst oder verhungerst. Es könnte aber auch sein, dass du wirklich Pech hast und Volands Interesse erregst, denn dieser Bastard ist vollkommen wahnsinnig und absolut unberechenbar. Eines lässt sich nicht leugnen: Er ist außerordentlich kreativ. Manche behaupten sogar, er sei ein Dämon. Ich sage dir, es liegt daran, dass er mittlerweile mehr Diamina als Blut in seinem Körper hat.«
»Diamina?«
»Diamina nennt man eine pflanzliche Substanz. Man kann sie auf verschiedene Arten zu sich nehmen. Sie wirkt berauschend und steigert die Kräfte. Man kann sich schnell daran gewöhnen, und dann zerstört sie einen langsam. Er behauptet, sie erweitere seinen Geist. Wenn du mich fragst, dreht er langsam durch.«
Cassio lief es bei diesen Erzählungen eiskalt den Rücken herunter. Er hoffte inständig, nie Gelegenheit zu bekommen, ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Rhea weidete sich sichtlich an seiner Furcht und lachte amüsiert.
»Die meiste Zeit des Tages werde ich mit Regierungsgeschäften behelligt, wenn ich nicht gerade auf der Jagd bin oder in der Bibliothek. Der Abend gehört dann ganz mir.« Bei diesem Satz lächelte sie vielsagend. »Und nun sag mir, wie sieht das Leben aus, wo du herkommst?«
Es herrschte ein paar Sekunden Stille, dann begann Cassio zu sprechen: »Vielleicht ist es gar nicht so anders.« Auch in seiner Welt würden Kriege geführt, nur gäbe es keine Sieger. Cassio berichtete von Drogen, und dass immer mehr Jugendliche sie nähmen und in Abhängigkeit gerieten. Er erzählte ihr von internationalen Konzernen, vom großen Geld, der Korruption in der Politik und von der Armut eines großen Teils der Bevölkerung. Während die einen Geld vom Staat erhielten, um nicht zu verhungern oder zu erfrieren, kauften sich die anderen eine Grabstelle auf dem Mond oder ließen sich ihre Gesichter nach den gängigen Schönheitsidealen anpassen.
Er sprach den unumstößlichen Glauben an den Fortschritt an und klärte sie auf über die Kriege zwischen den Religionsgemeinschaften. Rhea hörte ihm geduldig zu und unterbrach ihn nur, wenn er Ausdrücke benutzte und Gegenstände beschrieb, die sie nicht kannte.
Während er sich in seine Rede hineinsteigerte, kamen ihm Zweifel, ob es ratsam war, jetzt schon so viel zu erzählen. Rhea würde ihm vermutlich sowieso nicht glauben.
»Das ist ja unglaublich!«
Rheas Augen waren weit geöffnet. »Du musst mir unbedingt mehr darüber erzählen, und zwar von Anfang an.«
Plötzlich öffnete sich die Türe und Jago trat ein.
»Was willst du?«, rief sie ungehalten.
»Verzeiht, aber es ist Zeit für …«
»Das kann jetzt warten, du darfst dich entfernen«, unterbrach sie ihn brüsk.
»Sehr wohl, Eure Hoheit«, entgegnete er und blickte Cassio hasserfüllt an. Rhea schien es nicht zu bemerken, obwohl Cassio ernsthaft bezweifelte, dass irgendetwas ihrer Aufmerksamkeit entging. Dann verließ Jago den Raum, und Cassio setzte seine Erzählung fort. Er begann am Anfang, wie Rhea es gewünscht hatte, und er war überrascht, wie viel seines Schulwissens er ihr präsentieren konnte. Natürlich improvisierte er an einigen Stellen. Wer sollte das schon bemerken. So vergingen mehrere Stunden und schließlich schien auch Rhea müde zu werden.
»Erzähl mir morgen mehr davon. Ich erlaube dir, mich bei der Jagd zu begleiten.«
Dann zog sie an einem dicken Seil zu ihrer Rechten, worauf augenblicklich der Diener von vorhin wie aus dem Nichts im Saal erschien.
»Bring meinen Gast auf sein Quartier.«
»Sehr wohl, Eure Hoheit«, antwortete СКАЧАТЬ