Название: X-World
Автор: Jörg Arndt
Издательство: Автор
Жанр: Религия: прочее
isbn: 9783865068736
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Mit einem Klick rief er ein weiteres Programm auf, das ihm eine lange Liste von Zahlen und Buchstaben ausspuckte. Sie verriet ihm, wann und wo sich Ron, oder, präziser gesagt, sein Handy, befunden hatte. Er überflog die Zahlenkolonnen, bis er etwas Auffälliges bemerkte, markierte die fragliche Zeile, drückte eine Tastenkombination und pfiff durch die Zähne: „Was in aller Welt hattest du in Frankfurt zu suchen?“
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Yannick saß an seinem Arbeitsplatz an der Tankstelle und war glücklich. Alles fühlte sich leicht und schön an. Er träumte vor sich hin und konnte es kaum erwarten, endlich wieder mit ihr zusammen zu sein. Betty …
Er kritzelte ihren Namen in verschnörkelten Buchstaben auf ein Blatt Papier. Ron hatte sie so genannt, weil sie eine Betaversion war. Sie war ein Bot, eine künstliche Intelligenz, sie war nur ein Programm – aber sie wirkte so unglaublich echt. Und sie war … traumhaft.
Er hatte mit ihr geredet. Stundenlang. Noch nie hatte ihm jemand so zugehört wie sie. Und sie waren spazierengegangen. Endlose Wege. Er meinte immer noch, ihre Hand in der seinen zu spüren, auch wenn ein Teil von ihm wusste, dass es nur der Cyberhandschuh gewesen war, dem er diesen Eindruck zu verdanken hatte.
Aber was machte das schon? Yannick war ein Kind des Onlinezeitalters. Er war es gewohnt, Freundschaften über Facebook, Skype und Teamspeak zu führen. Da konnte man nie genau wissen, wer das Gegenüber wirklich war. Manch einer nutzte diese Medien dazu, um sich in einer neuen Rolle auszuprobieren. Ein Bekannter von ihm, der sich seiner Geschlechtszugehörigkeit nicht so ganz sicher war, unterhielt zwei Accounts – einen als Mann, einen als Frau – mit ganz unterschiedlichen Freundeskreisen. War das so schlimm?
Es ließ sich nicht ändern. Yannick war hoffnungslos verliebt, und alle Versuche seines Verstandes, ihm klarzumachen, dass Betty nur virtuell existierte, schlugen fehl. Er wollte mit ihr zusammen sein und zählte die Stunden, bis er wieder in das Spiel zurückkehren konnte.
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Ron hatte der Romanze, die sich zwischen Yannick und Betty entwickelte, anfangs lächelnd zugesehen. Sie war die ultimative Bestätigung dafür, dass sein Konzept mit den Bots wirklich funktionierte. Aber mittlerweile machte er sich Sorgen und Vorwürfe. Yannick zeigte eindeutige Symptome einer Sucht, und Ron konnte ihn kaum davon abhalten, Tag und Nacht den Helm zu tragen, um bei seiner virtuellen Freundin zu sein.
So schwer es ihm auch fiel: Es gab nur einen vernünftigen Weg. Er musste Betty wieder löschen. Schade, sie war ihm wirklich gut gelungen mit ihren langen blonden Haaren und ihren rehbraunen Augen. Sie war ein freundliches, fröhliches und unkompliziertes Mädchen, und er konnte gut verstehen, dass Yannick sich in sie verliebt hatte, zumal sie perfekt an ihn angepasst war – so, als wäre sie aus einem Teil von ihm geschnitzt.
Aber gerade deswegen durfte er sie nicht einfach so aus dem Programm entfernen. Die Bindung zu Yannick war zu stark, und Ron fürchtete die Folgen. Wie würde der junge Mann reagieren? Aggressiv werden und alles kurz und klein schlagen – oder in Depressionen versinken und sich wohlmöglich etwas antun? Ron schauderte bei dem Gedanken. Er musste es langsam angehen, ihn vorbereiten, ihm Zeit für den Abschied geben. Heute Abend würde er mit ihm reden.
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Lutz arbeitete an der Tagesabrechnung, als die Tür aufging und ein schlaksiger junger Mann hereinkam.
„Hallo Champion“, begrüßte der Kneipenwirt ihn freundlich. „Du bist spät dran, ich wollte gerade schließen.“ Yannick blickte ihn kurz an, und Lutz bemerkte erstaunt den Schmerz, der in seinem Blick lag.
„Du siehst aus, als könntest du ein starkes Getränk vertragen“, meinte er und holte seine private Whiskyflasche unter dem Tresen hervor. Yannick nickte ausdruckslos.
„Na, dann komm“, sagte Lutz und nahm zwei Gläser aus dem Regal, „lass uns nach hinten gehen. Ich schließe nur noch eben ab.“
Die freundliche Offenheit des väterlichen Freundes und der Alkohol taten schnell ihre Wirkung. Yannick vergaß sämtliche Abmachungen, die er mit Ron getroffen hatte, und erzählte Lutz haarklein von den Ereignissen der letzten Wochen. Es tat gut, sich auszusprechen und dabei zu spüren, dass der andere echtes Interesse zeigte.
„… und nun will er sie löschen“, schluchzte Yannick. „Das ist Mord! Auch wenn sie ‚nur‘ virtuell ist“ – bei diesen Worten malten seine Finger Anführungsstriche in die Luft –, „ich meine, was heißt das denn heutzutage noch? Ob virtuell oder real – scheißegal, das fließt doch alles immer mehr zusammen!“
Er schniefte. „’tschuldigung, dass ich dir hier was vorheule, aber ich hab sonst niemanden, zu dem ich gehen kann. Und das mit dem Projekt behältst du doch für dich, oder? Ich hab Ron versprechen müssen, dass ich die Sache geheim halte …“
„Klar“, erwiderte Lutz mit gespielter Entrüstung. „Was denkst du denn von mir? Wenn einer Geheimnisse bewahren kann, dann ich … Wann will er das denn tun, Betty löschen, meine ich?“
„Morgen Abend. Wir dürfen uns vorher noch eine Stunde sehen, um Abschied zu nehmen …“
„Wie gnädig“, knurrte Lutz, und Yannick blickte ihn erstaunt an, als er den eiskalten Klang der Stimme hörte. Aber Lutz hatte sich sofort wieder im Griff.
„Vielleicht kann ich dir helfen“, sagte er.
„Wie denn?“, fragte Yannick hoffnungsvoll.
„Naja, ein bisschen was verstehe ich ja von Computern … Hast du Zugang zur Hardware?“
„Klar“, sagte Yannick. „Der Server steht in seinem Arbeitszimmer, also denke ich schon, dass ich da rankommen könnte.“
„Sehr gut. Und sicherlich gibt es in dem Game ein Serviceinterface, oder?“
Yannick sah ihn fragend an. „Ich weiß nicht genau. Das Spiel ist gestengesteuert, und damit lässt sich so ’ne Art Anzeigetafel aufrufen, auf der man auch Einstellungen vornehmen kann – meinst du das?“
„Nein“, sagte Lutz, „das ist für die User bestimmt. Aber ich kenne Ron – es muss im Spiel ein verstecktes Interface geben, das er benutzt, wenn er selbst online ist.“
„Was heißt das, du kennst Ron?“, fragte Yannick überrascht.
„Ich habe mal mit ihm zusammengearbeitet“, erklärte Lutz in einem Tonfall, der deutlich machte, dass weitere Fragen überflüssig waren. „Also, denk nach, gibt es in dem Spiel einen geheimen Ort oder einen Gegenstand, der als Steuerung in Frage käme? Hat er dir vielleicht einen bestimmten Bereich verboten oder dich davor gewarnt?“
Yannick sah ihn träge an. Die Müdigkeit und der Whisky verlangsamten sein Denken. Plötzlich blitzte es in seinen Augen auf.
„Na klar!“, rief er, „Der Baum! Mitten im Garten ist ein Baum, den ich auf keinen Fall berühren soll. Ron hat gesagt, es sei eine ungesicherte Systemsteuerung, und wenn ich sie anfasse, könnte das Spiel abstürzen – o mein Gott, dann wäre Betty vielleicht tot!“
„Keine Panik“, sagte Lutz, „das wird nicht passieren. Sondern wenn du tust, was ich dir sage, bekommst du die Rechte als Systemadministrator. Dann wirst du sein wie Ron und kannst das Spielgeschehen ohne Einschränkungen beeinflussen!“
„Also gut. Was muss ich tun?“
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