Anekdoten frommer Chaoten. Adrian Plass
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Название: Anekdoten frommer Chaoten

Автор: Adrian Plass

Издательство: Автор

Жанр: Религия: прочее

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isbn: 9783865064455

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СКАЧАТЬ style="font-size:15px;">      Ein Mensch ist nicht dadurch heilig, dass er durch Willenskraft über Chaos und Schuld triumphiert und ein makelloses Leben führt, sondern dadurch, dass dieses Leben den Sieg der Treue Gottes inmitten der Unordnung und Unvollkommenheit zeigt. Die Kirche ist heilig … nicht, weil sei eine Versammlung der Guten und Wohlgesitteten wäre, sondern weil sie vom Triumph der Gnade im Zusammenkommen von Fremden und Sündern spricht, die einander durch ein Wunder genug vertrauen, um sich zu gemeinsamer Buße und gemeinsamem Lobpreis zusammenzuschließen. … Menschlich gesprochen ist Heiligkeit immer dies: Gottes Duldsamkeit inmitten unserer Ablehnung ihm gegenüber, seine Fähigkeit, jeder Ablehnung mit dem Geschenk seiner selbst zu begegnen.1

      Verzeih das lange Zitat. Ich füge es ein, weil ich a) finde, es ist sehr schön ausgedrückt, und b) wünschte, ich hätte nur zehn Prozent von dem Verstand Seiner Eminenz. (Siehst Du? Bei mir sind bisweilen selbst Momente der Einsicht mit Ehrgeiz und Neid befleckt.)

      Manchmal denke ich, wir Christen denken nur in der Vergangenheitsform gern über unsere Kaputtheit nach. In dem Sinne:Wir waren kaputt, aber dann kam Jesus, und jetzt sind wir nette Leute. Dabei hat uns die Gnade nicht nur gerettet, sondern sie begleitet uns in jeder Sekunde, mit all dem Chaos und Unrat, die uns immer noch anhaften.

      Ich versuche heutzutage ganz offen über meine Kaputtheit zu sprechen, und im Allgemeinen höre ich einen Seufzer der Erleichterung, wenn ich von meinen Kämpfen erzähle. Es macht mich zugleich froh und nervös, wenn Leute so nett sind, mir zu sagen, ich sei wie ein frischer Lufthauch und sie wüssten die Authentizität zu schätzen, um die ich mich bemühe. Aber das macht mir wirklich Sorgen im Blick auf den Zustand der Kirche, denn ich fürchte, dass Leute, die Echtheit ungewöhnlich und erfrischend finden, offenbar täglich per Sonde ernährt werden. Ich gebe zu, dass es mir manchmal schwerfällt, mich angreifbar zu machen (es kostet immer etwas, nicht wahr?), weil ich es auch ernst zu nehmen versuche, wenn die Bibel sagt, dass leitende Christen Vorbilder sein sollten. Doch ein Vorbild zu sein kann ja wohl nicht bedeuten, dass man ein falsches Bild vorspiegeln soll. Und ich möchte in meiner Kaputtheit befreiend sein, wenn Du verstehst, was ich meine.Wenn ich mich hinstelle und sage: »Ich bin ein mieser Kerl, und ich habe vor, das auch zu bleiben und olympiareif zu sündigen.Wer macht mit?«, dann verrate ich den innersten Kern der Botschaft Jesu. Er möchte mich liebevoll formen und, ja, verändern. Aber wenn ich andererseits einfach nur den Eindruck erwecke, ich wäre besser, als ich bin, dann erreiche ich doch nichts, außer dass ich jeden entmutige, der mir zuhört. Zumindest denke ich, dass es so läuft. Aber dann will ich auch nicht den Fehler machen, einfach nur öffentlich meine schmutzige Wäsche zu waschen …

      Noch einmal zurück zu dem Mann, der sagte, er hasse Dich: Es liegt nicht nur daran, dass Du der Gemeinde Jesu ihre Schwächen und Macken vor Augen führst, sondern auch daran, dass Du ehrlich von Dir selbst und Deinen eigenen Schwierigkeiten und Ängsten sprichst. Vielleicht lässt Deine Bereitschaft, dich schwach zu zeigen, anderen ihre eigenen verborgenen Fehler unbehaglich nahe kommen. Oder vielleicht denken sie auch, Deine Bekenntnisse über noch nicht ausgestandene Kämpfe seien irgendwie ein »Verrat« am Evangelium. Manche Christen meinen ja, wir müssten alle auf Hochglanz polierte »Trophäen der Gnade« sein. Wie kommst Du damit klar, nicht nur zur Albernheit, sondern auch zur Transparenz berufen zu sein?

      Ich stimme Dir vollkommen zu – wir wollen immer alles hübsch sauber und ordentlich haben, und am liebsten würden wir die Gnade steuern und zu denen hinlenken, die sie verdienen, was natürlich ein Widerspruch in sich ist. Und wenn wir das versuchen, kriegen wir am Ende haufenweise lächerliche kleine Regeln und Vorschriften heraus – das, was in Zen and the Art of Motorcycle Maintenance »kleinkarierte Regeln für kleinkarierte Leute« genannt wird. Jesus war auf Schritt und Tritt von Leuten umgeben, die Experten darin waren, die Religion zu einer hektischen Plackerei zu machen, den Pharisäern. Sie hatten Vorschriften darüber, wie innig man eine Braut an ihrem Hochzeitstag begrüßen durfte und wie man eine Witwe bei einer Beerdigung zu trösten hatte. Sie beschäftigten sich mit so schwerwiegenden Fragen wie der, ob man beten dürfe, während man in einer Baumkrone arbeitet. Und (warte, was jetzt kommt) wenn jemand Brot backt und dabei nackt ist und dieses Brot dann für ein Opfer verwenden will, ist es dann unrein? Darüber habe ich mir eine ganze Weile lang den Kopf zerbrochen … Zweifellos geschah das alles in dem Bemühen, das Chaos in den Griff zu bekommen und zu bestimmen, wie »gute« Menschen aussehen. Hier ankreuzen und hurra, schon bist Du heilig und gehörst mit zum Klub. Doch wie alle Systeme war es zum Scheitern verurteilt, denn wie Du sagst: Die Gnade wirkt in jedem Einzelnen auf einzigartige Weise. Gott schafft keine Systeme, er schreibt einmalige Gedichte.

      Vielleicht ist ja meine »Bitte-zurückspulen«-Geschichte doch nicht ganz so belanglos. Religion kann genauso nutzlos, genauso eine Zeitverschwendung und genauso verwirrend sein wie das Anbringen dieser veralteten Etiketten. Da schnaufen und keuchen wir uns dann durchs Leben und jagen allen möglichen irrelevanten und unwichtigen Dingen nach.Vielleicht gibt das ja unserer Gabe der Albernheit einen gewissen Wert: Indem wir lachen, vor allem über uns selbst, kratzen wir an der Kruste der Irrelevanz und Aufgeblasenheit, die Religion erzeugen kann, und machen uns auf die Suche nach dem, was eigentlich den Kern des Ganzen ausmacht. Wir schürfen nach dem, worauf es wirklich ankommt.

      Wie herrlich, zu wissen, dass Gott uns alle in unserer Kaputtheit gebraucht – nicht ausnahmsweise, sondern als Regel. Daher erzählt die Bibel nicht die Geschichten einer Reihe strahlender, auf Hochglanz polierter Helden, sondern die von fehlerhaften, verwirrten Genies und Idioten, die mal etwas richtig machten, um dann in der nächsten Sekunde schon wieder etwas falsch zu machen. Wie Du sagst, Elia ist eines der besten Beispiele dafür.

      Gut, Adrian, das mag für heute reichen. Irgendwann würde ich gerne noch ein bisschen mehr über den gigantischen Absturz Elias nachdenken – und ich liebe diese Formulierung, die du gebraucht hast: »Gnade ist kreativ, beziehungsorientiert, konstruktiv, überraschend und befreiend, und jeder von uns hat die Aufgabe, sie an die Menschen weiterzugeben, denen wir begegnen.« Der Satz hat mich gestern Abend wach gehalten …

      Alles Liebe, Jeff

      Lieber Adrian,

       okay, ich weiß, ich bin eigentlich nicht an der Reihe. Aber Deine herrliche Beschreibung der »kreativen Gnade« hat die Erinnerung an einen der bewegendsten Momente meines Lebens geweckt, als jemand viel Mühe auf sich nahm, um mir auf kreative Weise liebevolle Freundlichkeit – die die Wurzel der Gnade ist – zu erweisen.

      Dieser Jemand war mein Vater. Er war betroffen und aufgebracht, als ich als Teenager Christ wurde. Im Rückblick kann ich es ihm nicht verdenken. Er dachte vermutlich, ich hätte meine Seele irgendeiner merkwürdigen Sekte überschrieben, und sah meine Bekehrung als einen Verrat an meiner Kinderstube. Traurigerweise muss ich zugeben, dass er für mich alsbald zu einem evangelistischen Projekt wurde. Ich war so erpicht darauf, ihn mit der himmlischen Nachricht bekannt zu machen, dass ich ihm das Leben zur Hölle machte. Er ließ meine drängenden Monologe geduldig über sich ergehen, lächelte freundlich und sagte mir, er mache sich Sorgen, dass ich mein Leben an einen Mythos verschleudern könnte. Er hatte es selbst im Leben nicht leicht gehabt, und ihm lag viel daran, dass ich meines nicht vergeudete. Mit neunzehn Jahren in der afrikanischen Wüste in Gefangenschaft geraten, saß er in italienischen und deutschen Kriegsgefangenenlagern und sah seine Jugend vor sich hinfaulen, bis er, zu einer Verzweiflungstat gedrängt, die Flucht ergriff, um seiner Hinrichtung zu entgehen, sich seinen Weg quer durch Deutschland bahnte und es kurz vor dem Ende des Krieges schließlich nach Hause schaffte. Ich habe viel über jene vier Jahre nachgedacht, in denen er ständig dem Hungertod nahe war; gesprochen hat er nie viel über diese schrecklichen Tage. Gelegentlich ließ er sich dazu drängen, von der einen oder anderen Begebenheit zu erzählen, aber wie er sich dabei fühlte , darüber redete er mit mir nie. Manchmal frage ich mich, warum, Adrian. Sperrte er manche Emotionen weg, um all dem Grauen und der Ungewissheit nicht wieder begegnen zu müssen? Oder sind spätere Generationen nur gesprächiger geworden СКАЧАТЬ