Название: Anekdoten frommer Chaoten
Автор: Adrian Plass
Издательство: Автор
Жанр: Религия: прочее
isbn: 9783865064455
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Pickliger Jüngling: (wirft über meine Schulter dem Kunden hinter mir einen Blick zu, der besagt: »Der Trottel hier hält den ganzen Betrieb auf.«) Genau. Wir haben die übrig gebliebenen Aufkleber verbraucht. Sonst noch Fragen?
Wie gesagt, Adrian, dieser Wortwechsel ist ohne jeden Belang für unsere Unterhaltung, aber ich fand ihn so grotesk, dass ich ihn Dir nicht vorenthalten wollte.
Wenn ich an Dich in diesem christlichen Gästehaus denke, wünschte ich, Du hättest Deinen Mut zusammengerafft und das »Er-ist-auferstanden«-Plakat mit einem frechen Graffitispruch verziert. Allerdings vermute ich, damit hättest Du unsere gemeinsame Gabe der Albernheit vielleicht einen Schritt zu weit getrieben. Zumindest ist »Er ist auferstanden« kein kitschiger Spruch, und es ist die Wahrheit. In meiner ersten Zeit als Christ trug ich immer einen großen Button, fast so groß wie ein Mülleimerdeckel. Er brüllte irgendeine ziemlich brachiale Botschaft hinaus – so etwas wie
»Hallo, du bist auf dem Weg in die Hölle« oder so. Ich hatte eine große Schwäche für Buttons und sonstige Accessoires aus unserer christlichen Buchhandlung am Ort. Am Heck meines Autos klebten so viele Fische, dass es aussah wie ein fahrendes Aquarium. (Übrigens, in meiner christlichen Buchhandlung hier gibt es im Moment Pfefferminzbonbons mit aufgedruckten Bibelstellen. Sie heißen »Testamints«. Auf der Packung steht »Bonbon für Bonbon die Welt verändern«. … Hätte es die Dinger doch nur schon gegeben, als Paulus lebte. Dann wäre er bestimmt als Gemeindegründer noch erfolgreicher gewesen, und Mundgeruch hätte er obendrein vermeiden können …)
Ich schweife ab. Zurück zu Slogans. Ich bin ein eifriger Beobachter von Gemeindeschaukästen und -schrifttafeln, besonders in Amerika, und ich habe schon so manchen Knaller zu Gesicht bekommen.Während einer Hitzewelle in Oklahoma, der einige Menschen zum Opfer fielen, hatte eine Gemeinde in ihrem Bestreben, die »gute Nachricht« zu verbreiten, vor ihrem Gebäude folgendes Plakat aufgehängt:
Wenn Sie meinen, hier wäre es heiß,
warten Sie nur ab.
Das ist fast so schlimm wie die markige, aber brutale Schrifttafel, die verkündete:
Ewigkeit: Raucher oder Nichtraucher?
Diese christliche Neigung zu grafischen Tiraden hat allerdings auch den einen oder anderen amüsanten Ableger hervorgebracht. Meine persönlichen Lieblingsbeispiele sind die Autoaufkleber mit der Aufschrift:
Jesus kommt wieder, tut so, als wärt ihr beschäftigt.
Oder auch:
Jesus liebt dich.
Alle anderen halten dich für ein *&%$@*&!§
Um wieder ernster zu werden: Es tat mir richtig leid, von Deiner Begegnung mit dem Mann zu hören, den Du als »Terrier« beschrieben hast. Die Bezeichnung passt perfekt auf jene Sorte frommer Leute, die einem gerne nach den Fersen schnappen, sich über jede Kleinigkeit aufregen und nicht mehr loslassen, wenn sie einen erst einmal zwischen die Zähne bekommen haben. Ich schätze, wir beide gemeinsam sind schon genug Terriern begegnet, um ein ganzes Tierheim damit zu füllen.Vielleicht hast Du ja ein dickeres Fell als ich (obwohl ich da so meine Zweifel habe), aber diese kleinen Schnapper und Bisse tun weh. Deine Geschichte von dem Terrier, der sagte, er hasse Dich (und dann leider doch noch beschloss, er liebe Dich), finde ich atemberaubend.
Man hat über die Jahre schon so manches Mal nach meiner Ferse geschnappt, und manchmal werden die Leute sehr persönlich. Du hast den Burschen erwähnt, der meinte, Du sähest alt genug aus, um Dein eigener Vater zu sein.Auf mich kam einmal eine Frau zu, nachdem ich gepredigt hatte, und fragte mich, ob ich jemals einen Schlaganfall gehabt hätte. Nein, erwiderte ich und fragte zurück, was sie zu der Frage veranlasst habe. Sie antwortete: »Wenn Sie lächeln, zieht sich nur eine Hälfte Ihres Gesichts nach oben.« Am liebsten hätte ich ihr gesagt, ich sei von Natur aus hässlich, und sie gefragt, was ihre Ausrede sei, aber so etwas können wir ja nicht machen, oder? Wir müssen uns schließlich wie Christen benehmen. Wie wär’s, wenn wir Gott fragen, ob wir jede Woche eine halbe Stunde freibekommen könnten und in Schaltjahren einen Monat? Nein, das ist keine gute Idee …
Aber das war nur ein kleiner Schnapper, verglichen mit dem üblen Biss, den ich einmal erhielt, nachdem ich in einer Gemeinde gepredigt hatte. Die Ironie ist, dass ich den Schäferhund nie zu Gesicht bekam, der sich da an mir gütlich getan hatte. Er (oder sie) schnappte einfach nur zu und war auf und davon, bevor ich auch nur »Platz!« rufen konnte. Der betreffende bissige Hund hatte nicht einmal den Mut, mich persönlich anzusprechen, sondern hinterließ mir nur einen Zettel ohne Unterschrift (ich kann anonyme Briefe nicht ausstehen; sie sind so feige) am Büchertisch. Er war säuberlich zusammengefaltet, mit rasiermesserscharfen Falten, die schon ahnen ließen, wie schneidend sich der Inhalt anhörte. Darin stand:
Sir, wir möchten Jesus hören, nicht Ihr unsinniges Geschwafel. Mit all diesen Dummheiten können Sie keine Seelen für Jesus gewinnen. Sie sind kein Prediger, Sie sind ein Komiker. Sie haben Ihren Beruf verfehlt.
Es hört sich erbärmlich an, das zuzugeben, aber dieser kleine Pfeil aus der Dunkelheit ließ mich in Tränen ausbrechen. Dabei dachte die Person, die den Zettel geschrieben hatte, zweifellos, sie wäre damit treu für die Wahrheit eingestanden, zumindest aus ihrer Sicht. Und das bringt mich wieder zu dem Gedanken, »Wahrheit« weiterzugeben. Wir haben uns darüber unterhalten, dass Gemeinden Orte brauchen, wo man ohne Angst vor Repressalien alles sagen kann, was einem im Sinn ist. Aber ist da nicht auch eine gewisse Vorsicht angebracht? Schließlich sind manche Christen unterwegs, um »die Wahrheit zu sagen«, und richten damit großen Schaden an. Wenn mir heutzutage jemand ankündigt, er werde mir »in Liebe die Wahrheit sagen«, schaue ich mich nach dem nächsten Atombunker um. Meist bedeutet die Ankündigung, »in Liebe« sprechen zu wollen, das genaue Gegenteil.
Warst Du schon einmal in einer dieser christlichen Versammlungen, wo der Prediger über Vergebung und Versöhnung spricht und der Gottesdienst dann mit einer qualvollen Zeit endet, in der alle aufgefordert werden, zu jemandem hinzugehen, dem sie Unrecht getan haben, um sich die Hand zu geben und sich wieder zu vertragen? Diese Folterveranstaltungen verschaffen ungeschickten (oder auch rachsüchtigen) Leuten eine ideale Gelegenheit, zu jemandem zu sagen: »Übrigens, ich hasse dich schon seit Jahren. Bitte vergib mir.« So können sie ihren Groll herauslassen und sich gleichzeitig mächtig fromm dabei vorkommen. Was soll mir das denn bringen, wenn einer auf mich zumarschiert und mir »bekennt«, er habe mich gehasst? Ich wäre besser dran, wenn ich ahnungslos bleiben könnte. Dann stapfen sie wieder davon, freuen sich, dass sie sich ihren Kram von der Seele geredet haben, und ich bleibe taumelnd zurück. Und manchmal gehen diese Momente grauenhaft schief, bevor auch nur ein Wort gesprochen wurde …
Bei einer christlichen Großveranstaltung (deren Namen ich nicht nennen möchte, aber sie findet im Frühjahr [engl. spring] statt, wenn man die Ernte [engl. harvest] einbringt)
hatte eine Bühnenpersönlichkeit, die notorisch schwierig war, so vielen Leuten auf die Füße getreten (die ihren Groll nun bekennen wollten), dass sich eine lange Schlange bildete. Stell Dir das vor – so allseits unbeliebt zu sein, dass die Leute sich wie an der Käsetheke eine Nummer ziehen und anstellen müssen, um Dir zu sagen, wie sehr sie Dich hassen. Wie leicht können wir selbst schöne Dinge wie Frieden und Versöhnung verderben.
Und deshalb stoße ich einen riesigen Seufzer der Erleichterung aus, wenn Du davon sprichst, dass Gott uns mitten in unserem Chaos begegnet. Heiligkeit und Chaos bestehen Seite an Seite. Kürzlich stieß ich auf die folgenden Worte von Erzbischof Rowan Williams СКАЧАТЬ