Название: Die Fischerkinder. Im Auge des Sturms
Автор: Melissa C. Feurer
Издательство: Автор
Жанр: Зарубежная классика
isbn: 9783961400911
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„Ich hab keine Angst.“
„Aber du willst sie nicht verlieren.“
Es war eine Feststellung, keine Frage, doch Chas antwortete dennoch darauf, und so viel Offenheit sah ihm derart unähnlich, dass Mira unwillkürlich den Atem anhielt. „An dem Abend, an dem sie zum ersten Mal zu den Fischerkindern kam, wollte ich Klein-Ararat eigentlich verlassen. Und seitdem noch zwei weitere Male. Aber mir ist es nie gelungen, Mira zurückzulassen.“
Urs erwiderte nichts, aber Mira war sich beinahe sicher, dass er lächelte. Sie selbst lehnte regungslos an der Autokarosserie und spürte, wie ihr das Herz in der Brust hämmerte und eine so tiefe Zärtlichkeit für Chas in ihr aufstieg, dass alles in ihr danach verlangte, das Schlaftheater aufzugeben und sich ihm zuzuwenden.
„Ich weiß nicht“, sagte Chas, und Mira wurde sich bewusst, dass sie von ihren eigenen Gedanken und Gefühlen so abgelenkt gewesen war, dass sie überhört haben musste, was Urs gefragt hatte. „Es gibt ja auch noch Filip.“
„Aber er und Mira … sie sind nicht zusammen, oder?“
„Um ehrlich zu sein, weiß sie das wahrscheinlich selbst nicht einmal so genau.“ Chas lachte leise, aber es war deutlich zu hören, dass er diese verworrene Geschichte zwischen Mira und Filip nicht wirklich lustig fand. „Jedenfalls wird sie in mir niemals mehr als einen Freund sehen, ehe sie und Filip das nicht geklärt haben. Wahrscheinlich wäre es auch viel verlangt, solange Filip in Gefahr schwebt.“
„Und das auch noch ihretwegen“, murmelte Urs. „Weil er sie beschützen wollte.“
„Eigentlich meinetwegen.“
„Deinetwegen?“
Chas seufzte. „Er glaubt … er hat etwas gegen mich in der Hand. Um Mira zu schützen, hat er mich gedeckt. Ich befürchte, das ist der Grund, aus dem sie ihn verhaftet haben.“
Wieder folgte ein langes Schweigen. Mehr konnte Chas unmöglich preisgeben, wenn er Urs nicht verraten wollte, dass er in Wirklichkeit Carl Auttenberg war. Und dass Filip und sein Wachmannkollege ihn höchstwahrscheinlich erkannt hatten.
„Ist es wahr?“, fragte Chas unvermittelt. „Dass sie die Bücher verbrennen?“
„Ja.“
Auch dazu sagte Chas nichts. Er gab überhaupt keine hörbare Reaktion von sich. Doch Mira spürte seine Hand auf ihrem Arm. Er tastete sich vorwärts bis zu ihrem Hals und strich vorsichtig über ihr Haar.
Schnell presste Mira die Augen wieder zu und hoffte, dass Chas nicht bemerkte, dass ihr Atem viel zu hastig ging für eine Schlafende.
Als Mira das nächste Mal die Augen aufschlug, drang wieder Sonnenlicht in ihr Versteck. Ihr ganzer Körper fühlte sich steif und verspannt an. Der Hals schmerzte vom Lehnen an der Karosserie, und sie hatte einen metallischen Geschmack auf der Zunge, als hätte sie sich im Schlaf die Lippe blutig gebissen.
Chas’ Hand war von ihrem Haar verschwunden. Sie drehte den Kopf, um festzustellen, dass er noch immer neben ihr saß. Auch er war wach. In den Händen hielt er die Bibel, die Edmund ihnen beim Abschied geschenkt hatte. Die Bibel, mit der alles begonnen hatte, wegen derer Mira zur Diebin und zur Verräterin geworden und zu den Fischerkindern gekommen war.
Einem plötzlichen und heftigen Impuls folgend, streckte Mira die Hand aus und legte sie ebenfalls auf das raue Leder des Buches.
Überrascht sah Chas auf, zog seine Hand jedoch nicht weg.
„Wer weiß, wie viele nun noch übrig sind“, flüsterte Mira. „Vielleicht ist es das letzte.“
„Darüber habe ich auch gerade nachgedacht.“ Chas’ Stimme klang rau. Ob er die ganze Nacht wach gelegen hatte? Mira musterte sein Gesicht. Die blasse Haut, die unansehnlich lang gewordenen Bartstoppeln, die dunklen Schatten unter den karamellfarbenen Augen.
„Eine Welt ohne Bücher“, sagte sie leise, und der bloße Gedanke beschwor eine tiefe, fassungslose Leere in ihr herauf.
Aber Chas’ Züge hatten sich verhärtet. „Ein Land“, berichtigte er. „Es ist nur dieses verfluchte Land, das verrückt spielt. In Amerika … wenn ich erst dort bin …“ Er verstummte.
„Am liebsten würde ich mitkommen.“
Chas’ Augen fanden die ihren und hielten ihren Blick fest. „Dann komm mit.“
Einen wunderschönen, süßen Moment lang erlaubte sich Mira, es sich vorzustellen. Ein fremdes Land ohne Justizstaatsbeamte und Mauern, ohne hungernde Außenbezirke, heimliche Versammlungen und Angst vor dem Entdecktwerden. Dafür mit der Freiheit, zu gehen, wohin sie wollte, zu denken und zu sagen, was ihr in den Sinn kam, mit einem sicheren Zuhause für sie alle und mit Büchern. Und Chas.
„Filip“, presste sie jedoch über die Lippen. „Zuerst müssen wir Filip helfen.“
„Ja“, erwiderte Chas, und das knappe Wort sagte mehr als das. Als ahne er, dass Mira, wenn sie Filip erst befreit hatten, niemals mit ihm nach Amerika kommen würde. So einfach war es immerhin nicht.
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