Die Fischerkinder. Im Auge des Sturms. Melissa C. Feurer
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Название: Die Fischerkinder. Im Auge des Sturms

Автор: Melissa C. Feurer

Издательство: Автор

Жанр: Зарубежная классика

Серия:

isbn: 9783961400911

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СКАЧАТЬ Rauch brannte in Miras Augen und Kehle, der beißende Geruch überdeckte jede Erinnerung an den unvergleichbaren Duft papierner Seiten und Druckerschwärze, der ihr in der Buchhandlung „Porters Höhle“ so vertraut geworden war.

      „Und das sind alles verbotene Schriften?“, fragte eine der Frauen, an denen Mira sich vorbeigedrängt hatte. Sie hatte die Stimme gesenkt. „So viele?“

      „Unsinn, ich denke, sie wollen auf Nummer sicher gehen.“ Ihre Begleiterin schnalzte mit der Zunge. „Hier und dort soll es noch verbotene Schriften gegeben haben, und so können sie sicher sein, dass sie alle erwischen. Längst überfällig, wenn du mich fragst. Es gehört sich sowieso nicht, zu lesen. Hat etwas Zwielichtiges, das musst du zugeben.“

      „Und so viele unserer Nachbarn hatten Bücher! Ich bekomme eine Gänsehaut, wenn ich nur daran denke.“

      „Nun, ich habe gehört, die Hauptstadt ist schon seit Monaten völlig bücherfrei. Höchste Zeit, dass auch Cem mit dem Fortschritt geht. Heute Abend soll es in vielen Städten Bücherverbrennungen geben, wenn man den Gerüchten trauen kann. Macht die Welt um einiges sicherer.“

      Langsam rückte Mira von den schwatzenden Frauen ab und näher ans Feuer. Nun hätte sie beinahe die Hand ausstrecken und einen der verkohlten Buchkadaver berühren können. Vielleicht war ein Teil davon noch lesbar …

      „He, Mädchen!“

      Mira schreckte ertappt zurück.

      Ein Wachmann war dicht hinter sie getreten. „Mach, dass du da wegkommst! Gesindel“, wandte er sich dann an einen seiner Kollegen. „Will die Überreste wohl auf dem Schwarzmarkt zu Geld machen.“

      Mit einem Gefühl, als würde ihr Magen in Sekundenschnelle im freien Fall nach unten sacken, wurde Mira sich bewusst, dass sie noch immer Bienes Außenstädterkleidung trug. Und das vermutlich noch zu ihrem Glück, denn das war ihre einzige Tarnung, die nicht einmal besonders gut war.

      Sie erhob sich langsam, ließ den Blick aber geflissentlich auf den Boden gerichtet, damit die Wachmänner ihr nicht ins Gesicht sehen konnten. An ihre klobigen Stiefel gewandt, murmelte sie: „Entschuldigung.“ Sie wartete einen Augenblick, ob sie vorhatten, sie aufzuhalten, doch als nichts geschah, tauchte sie hastig wieder in der Menge unter. Sie stieß beinahe mit Biene zusammen.

      „Lasst uns abhauen.“ Endlich konnte sie den Blick wieder heben. „Hier will ich keine Minute mehr bleiben.“

      „Porters Höhle“ wollte Mira nicht aus dem Kopf gehen. Dieser wunderbare, fast verwunschene Ort voller Bücher, vom Boden bis zur Decke, fein säuberlich in alte, hölzerne Regale einsortiert. Eine Stille hatte stets über dem kleinen Buchladen gelegen, eine Stille, in der Mira, wenn sie die Augen geschlossen und tief in sich hineingelauscht hatte, hundert wispernde Stimmen gehört hatte, die ihre geheimnisvollen Geschichten erzählen wollten.

      Wie oft hatte sie an diesem Ort stiller Heiligkeit nach einem neuen Abenteuer gestöbert, es mit nach Hause genommen in ihre damals so gar nicht abenteuerliche Welt. Unter der Bettdecke hatte sie die Geschichten gelesen und sie tags darauf nur schweren Herzens in den Buchladen zurückgebracht, nur um sich ein neues Buch auszusuchen, das sie noch nicht kannte.

      Sie hasste den Staat von ganzem Herzen. Hasste ihn, weil er das Wunderbarste zerstört hatte, das in dieser abscheulichen Enge noch geblieben war. Die Bücher, in die sie sich so viele Jahre lang geflüchtet hatte.

      Der Gedanke, dass sich vor Edmund Porters wunderbarem Buchladen eine ähnliche Szene abspielte wie die, deren Zeugen sie heute Nacht geworden waren, schnürte ihr die Kehle zu. Am liebsten hätte sie geweint, und sie sehnte sich wie nie zuvor nach Edmund Porters verstehenden Blick und seinen weisen Worten.

      Sie legten den Weg zum Autofriedhof schweigend zurück. Mira war sicher, dass, wenn jemand das Wort an sie richtete, die Tränen doch noch die Oberhand gewinnen würden, und auch Urs und Biene schienen erschüttert von dem, was sie eben beobachtet hatten. Vielleicht nicht wegen des Verlustes, den Mira empfand, aber doch wegen der Angst vor dem, was es bedeutete. Die Netze zogen sich zu. Die tastende Hand staatlicher Kontrolle war ihnen mit einem Mal um so vieles näher gekommen.

      Mira konnte es nicht erwarten, in die sichere Enge ihres unterirdischen Versteckes zu klettern. Die Welt hier draußen würde verschwinden, und Chas wäre dort. Sie sehnte sich nach seiner Anwesenheit, danach, ihm zu erzählen, was sie beobachtet hatten. Er sprach nie besonders viel, aber er war ein ausgezeichneter Zuhörer. Und er teilte ihre und Edmunds Liebe zu Büchern.

      Nacheinander kletterten sie den Tunnel hinab und durch das Heckfenster. Hier drinnen war es dunkler, und Miras Augen mussten sich zuerst an die neue Umgebung gewöhnen. Einen schrecklichen Moment lang dachte sie, Chas wäre gar nicht da. Doch dann sah sie, dass er auf den Vordersitz des Wagens geklettert war, hinter das Lenkrad. Er starrte durch die noch intakte Frontscheibe hinaus in die unterirdische Schwärze. Ihre Rückkehr bedachte er kaum mit einem kurzen Blick.

      Irritiert von seinem Desinteresse kroch Mira über die Rückbank auf den lehnenlosen Beifahrersitz neben ihm. „Alles okay?“

      „Sicher.“ Chas sah sie nicht an. Er bewegte sich auch nicht. „Und bei euch?“

      Mira warf einen hilfesuchenden Blick zu Urs und Biene, die hinter ihr in den Wagen geklettert waren. Sie hatte Chas von den hässlichen Dingen erzählen wollen, die in der Stadt geschehen waren, aber nun fehlten ihr die Worte. „In der Stadt verbrennen sie die Bücher“, murmelte sie nur ein wenig kläglich.

      „Ja?“ Chas warf ihr nun doch einen flüchtigen Blick zu, dann drehte er sich zur anderen Seite und lehnte den Kopf gegen die Fahrertür. „Weißt du, es ist spät. Ihr wart ziemlich lange weg, und ich wollte eigentlich gerade schlafen.“

      Fassungslos starrte Mira ihn an. „Okay.“ Ihre Kehle war eng geworden, und ihr „Gute Nacht“ kam nur gepresst heraus. Weil sie es nicht über sich brachte, sich erneut zu Urs und Biene umzuwenden, die stumm auf dem Rücksitz saßen, betrachtete sie Chas’ Rücken und tat es ihm irgendwann gleich, indem sie sich an den Fahrzeugrahmen zwischen den beiden rissigen Fenstern auf ihrer Seite lehnte und vorgab zu schlafen. In Wirklichkeit gab sie endlich den Tränen nach.

      Chas’ Atemzüge und das Flüstern von Biene auf dem Rücksitz mussten sie in den Schlaf gewiegt haben. Mira erwachte von einem anderen Geräusch, einer anderen Stimme. Sie blinzelte ein wenig, fühlte sich aber zu erschlagen, zu ausgelaugt, um den Kopf zu heben, obwohl ihre Schultern von der seitlichen Haltung schmerzten.

      „Das tut mir aufrichtig leid.“ Gesprächsfetzen drangen durch die Schwere zu Mira durch. Urs’ Stimme klang weich. Sie klang eigentlich fast immer weich, überlegte Mira schlaftrunken. Wie ein schwerer Samtvorhang. Ganz sicher nicht wie die Stimme eines Rebellen.

      Rebellen. Biene. Flammen und Bücher. Bücher und Flammen. Bücher in Flammen. Die Geschehnisse des vergangenen Tages schlugen wie eine eisige Welle über Mira zusammen und zogen die samtige Wärme, die der Schlaf und der Klang von Urs’ Stimme hinterlassen hatten, schlagartig weg.

      Mira riss die Augen auf und starrte regungslos in die bleierne Dunkelheit um sie herum. Sie wollte sich eben vorsichtig aufrichten, um die anderen nicht zu wecken, da ergriff erneut Urs das Wort. „Einer von uns hätte hierbleiben sollen. Bei den Rebellen …“ Er sog scharf die Luft ein. „Wir lassen nie einen Einzelnen zurück. Es widerspricht unseren Überzeugungen.“

      Niemand antwortete, und Mira begann bereits, sich zu fragen, ob Urs am Ende mit sich selbst sprach.

      „Sie СКАЧАТЬ