Der schwarze Witwer. Horst Bosetzky
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Название: Der schwarze Witwer

Автор: Horst Bosetzky

Издательство: Автор

Жанр: Зарубежные детективы

Серия:

isbn: 9783955520533

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СКАЧАТЬ und jederzeit empfangen, und da gewesen sind schon Ernst Röhm, Erich Ludendorff und Julius Streicher.»

      «Da hat er also in Landsberg seine neue Parteizentrale», stellte Dr. Florschütz fest.

      Nobitz nickte. «So ist es, und die Landsberger Bürger kommen und machen dem ‹Führer› ihre Aufwartung. Wenn er mal Zeit hat, schreibt er an seinem Buch – Mein Kampf soll es heißen.»

      Dr. Florschütz sah besorgt aus. «Was meinst du, wie gefährlich kann er uns werden, wenn er wieder draußen ist?»

      «Er wird uns viele Stimmen wegnehmen, aber …» Nobitz schüttelte sich, als würde ihn heftiger Ekel packen. «So dumm wird doch das deutsche Volk nicht sein, dass es diesen hergelaufenen österreichischen Anstreicher und Eiferer als Reichskanzler haben will!»

      «Dein Wort in Gottes Ohr!»

      Nobitz wechselte das Thema. «Ich habe heute Nachmittag und am frühen Abend keine Verpflichtungen. Kommst du nach Dresden? Wir könnten was zusammen essen und …»

      Dr. Florschütz lachte. «Da bin ich immer dabei! Ich gucke nur mal kurz auf meinen Terminkalender …» Er seufzte. «Das geht leider nicht, heute habe ich meine Jagdgesellschaft. Gott, das hätte ich glatt vergessen! Und das, wo ich gerade eine neue Flinte aus London bekommen habe …»

      «Dann kann ich ja deine alte haben», sagte Nobitz.

      Dr. Florschütz lachte noch schallender als zuvor. «Meine Alte kannst du jederzeit haben!»

      «Ich meine deine alte Flinte.»

      «Die auch.» Dr. Florschütz rief seine Sekretärin und bat sie, ihn doch bitte zu Oberförster Anton Scharrach ins Kirnitzschtal durchzustellen. Nach ein paar Minuten war der «Mann im grünen Rock» am Apparat.

      «Stimmt es, mein Lieber, dass wir heute Nachmittag um vier zur Hühnerjagd verabredet sind?»

      «Ganz richtig, Herr Sanitätsrat. Die Jagdsaison für Stockenten und Rebhühner ist Anfang September eröffnet worden, und ich freue mich schon darauf, Sie und Ihre Freunde heute am Forsthaus begrüßen zu dürfen. Ihre Frau wird doch mit von der Partie sein?»

      «Ja, das nehme ich an, und im Zweifelsfalle werde ich sie wohl überreden können.»

      Gisela Florschütz, geboren 1884 in Leipzig als Tochter eines dort ansässigen Fabrikbesitzers, bezeichnete sich selbst als Flüchtling. Ich bin aus dem Land der Träume in die Villa Elb-Blick geflüchtet. hatte sie einmal in ihr Tagebuch geschrieben, nein, ich bin abgestürzt wie einst Ikarus, wenn auch nicht im Meer ertrunken, sondern nur in die Elbe gefallen. Als höhere Tochter hatte sie im Kaiserreich eine angenehme Prinzessinnenrolle gespielt und hätte sich eigentlich damit begnügen können, ein bisschen Bildung zu erwerben und einige weibliche Künste zu erlernen, so die der gehobenen Konversation und der gezielten Verführung eines Mannes der höheren Stände, möglichst einen aus den Reihen des Adels. Doch sie hatte hoch hinausgewollt und sich gewünscht, ihren Namen in den Zeitungen, den Lexika und den Annalen der Film- und Schauspielkunst zu finden. Früh hatte sie Schauspielunterricht genommen und war dann auf den Bühnen einiger Provinztheater aufgetreten. Ihr großes Vorbild war Mia May gewesen – auch sie war Jahrgang 1884 und mit Die Herrin der Welt. Das indische Grabmal und Tragödie der Liebe eine der ersten Diven des deutschen Films –, doch außer einer kleinen Rolle in Das Kabinett des Dr. Caligari von Robert Wiene hatte Gisela Culitzsch, wie sie mit Mädchennamen hieß, nichts erreichen können. Aber nach dem Tod ihres Vaters hatte sie eine Menge Geld geerbt und sich schnell damit abgefunden, dass es für sie nur eine Rolle gab: die der Ehefrau und Mutter. Sie hatte den erstbesten Mann geheiratet, der ihr über den Weg gelaufen war – und das war Sanitätsrat Dr. Florschütz. Bei einem Wohltätigkeitsball in Leipzig hatte er sie zu einem Walzer aufgefordert. Liebe war es nicht gewesen, Gott, da hatte sie ganz andere Liebhaber gehabt – und hatte auch jetzt noch einen –, aber er machte als Mann wie als Arzt, Fabrikant und Politiker etwas her, und das Leben an seiner Seite war keinen Tag langweilig. Und man wusste ja nie, wie in der Politik die Würfel fielen – vielleicht wurde er eines Tages noch Minister. Dass er seine Amouren und Affären hatte, wusste sie, störte sie aber nicht. Wegzulaufen drohte er ihr nicht: Da er einen großen Teil seiner Unternehmungen nur mit ihrem Geld finanzieren konnte, hatte sie ihn fest in der Hand.

      Es war Zeit, sich für die Jagd umzuziehen. Gisela Florschütz ging zu ihren Kleiderschränken, um zu sehen, ob ihr der alte Lodenmantel noch passte.

      Von Pirna ins Kirnitzschtal brauchte man mit einem Kraftfahrzeug kaum mehr als eine halbe Stunde, und da die sechsköpfige Jagdgesellschaft über einen Audi Typ K und einen Mercedes-Benz Viano verfügte, war das Ganze kein Problem. Auf die Minute pünktlich hielten sie vor dem Forsthaus: der Hotelier und Gastwirt Gerhard Pöhlau, der Gymnasialdirektor Ludwig Hölzel, der DNVP-Politiker Heinrich Nobitz, der Apotheker Meinhard Müschen und Dr. Florschütz mit seiner Frau Gisela. Oberförster Anton Scharrach hatte sich schon am Straßenrand aufgestellt, um sie in Empfang zu nehmen.

      «Waidmannsheil, die Dame, die Herren!», rief er und fuhr mit der rechten Handkante hoch zum Hut.

      Dr. Florschütz lachte beim Aussteigen. «Noch danken wir nicht, noch haben wir ja nichts geschossen.»

      Das Wetter war nicht berauschend, vorwiegend war es wolkig, nur ab und an kam die Sonne hervor – wenigstens aber gab es keinen Regen. Hölzel hatte sein Jagdhorn mitgebracht und blies ein Stück von Karl Stiegler. Daraufhin kam die Frau des Oberförsters und reichte allen eine kleine Erfrischung.

      «Ah, da ist unser Zielwasser!», merkte Heinrich Nobitz an. Auch Gerhard Pöhlau war in heiterer Stimmung ins Kirnitzschtal gekommen und begrüßte Gisela Florschütz mit einem Handkuss. «We are pleased to welcome the daughter of the U.S. president in our hunting party.»

      «Wieso sollte meine Frau die Tochter des amerikanischen Präsidenten sein?», fragte Dr. Florschütz.

      «Na, sie ist doch eine geborene Culitzsch!» John Calvin Coolidge, Jr. war im letzten Jahr der dreißigste Präsident der USA geworden.

      Fröhlich und beschwingt machte sich die Jagdgesellschaft auf den Weg ins Revier der Wildhühner. Auf breiteren Wegen ging man plaudernd nebeneinander, auf schmalen Pfaden sicherheitshalber hintereinander. Es gab Felder und Wiesen im steten Wechsel, und ab und an kreuzte man ein stilles Wäldchen. Fliegenpilze leuchteten rot aus dem Gras, Schmetterlinge aller Farben und Arten erfreuten Auge und Sinne, es roch immer wieder nach frisch gemähtem Gras. Es war eine Idylle, wie sie im Buche stand.

      Langsam näherten sie sich dem Gebiet, das viel Wildgeflügel versprach. An der Spitze der Gruppe – an der Tete, wie man es nannte – ging Meinhard Müschen, der die Namen aller Pflanzen kannte und die anderen gern belehrte. Ihm folgten Ludwig Hölzel, Gerhard Pöhlau und Heinrich Nobitz. Die letzten drei waren Gisela Florschütz, der Sanitätsrat und der Oberförster, der gern alles im Auge hatte.

      Plötzlich krachte ein Schuss. Und ein zweiter. Nahezu zeitgleich mit dem ersten.

      Als Heinrich Nobitz herumfuhr, sah er Gisela Florschütz zu Boden sinken.

      «Der Sanitätsrat hat seine Frau erschossen!», rief der Oberförster.

      «Ich bin auf meine Schnürsenkel getreten», stammelte Dr. Florschütz. «Die sind offen … Ich bin gestolpert … Und da muss sich versehentlich der Schuss gelöst haben.»

      Der Apotheker hatte sich neben Gisela Florschütz gekniet. «Mein Gott, sie stirbt!»

      AM СКАЧАТЬ