Der schwarze Witwer. Horst Bosetzky
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Название: Der schwarze Witwer

Автор: Horst Bosetzky

Издательство: Автор

Жанр: Зарубежные детективы

Серия:

isbn: 9783955520533

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СКАЧАТЬ noch bestimmen, als er schon auf die dreißig zuging – im Fall Dr. Florschütz.

      Dr. med. Robert Florschütz, mit weiteren Vornamen Richard und Rodger, war am 27. Juni 1880 in Ortrand zur Welt gekommen, einem Städtchen an der Grenze zwischen Brandenburg und Sachsen, das mal zum einen, mal zum anderen Land gehört hatte und 1816 zur preußischen Provinz Sachsen gekommen war. Wie es der Geschichte des Ortes entsprach, kam denn auch Roberts Vater, der Internist und Chefarzt Dr. Richard Florschütz, aus Berlin und seine Mutter aus Leipzig. Sie war Tochter eines Fabrikanten, und beider Welten hatten den Jungen erheblich geprägt: Einerseits wollte er Arzt werden, andererseits aber auch Unternehmer und etwas herstellen und vertreiben. So hatte er in Berlin Medizin studiert und im Krieg auch in diversen Lazaretten gearbeitet, dann aber, als Prothesen und Glasaugen in großer Zahl gebraucht wurden, in Pirna eine Fabrik für Sanitätswaren gegründet. Außerdem betrieb er in Dresden eine Privatklinik zur körperlichen Wiederherstellung von Kriegsopfern und war dabei, in verschiedenen deutschen Städten weitere Geschäfte für Sanitätswaren zu eröffnen. Den Titel «Sanitätsrat», der immer etwas hermachte, hatten ihm seine politischen Freunde verschafft, und er führte ihn immer noch, obwohl es ihn offiziell gar nicht mehr gab.

      Von Figur und Aura her war Dr. Florschütz ein gestandenes Mannsbild. Theodor Fontane hätte ihn als «Damenmann» bezeichnet, als jemanden, der auf Frauen eine magische Anziehungskraft ausübte. Dr. Robert Florschütz wies auch eine gewisse Ähnlichkeit mit zwei Männern auf, die gerade dabei waren, als Schauspieler Furore zu machen: mit Emil Jannings und Heinrich George.

      So stand es in den Akten diverser Behörden und einigen Zeitungsartikeln, und so sahen ihn die Angehörigen der Firma TOM Pirna. Die drei Buchstaben standen für Technik, für Orthopädie und für Medizin. Verwaltung und Produktionsstätten befanden sich am westlichen Ende der Dresdener Straße.

      Hier, in seinem «kleinen Reich», wie er es nannte, fühlte sich Dr. Florschütz am wohlsten. Wie an jedem Tage wanderte er auch an diesem Sonnabend durch die Werkhalle und den Verwaltungstrakt. Das tat er vor allen Dingen, um nach dem Rechten zu sehen – aber auch, um Ausschau nach jungen Frauen zu halten, die er, so seine Worte, «nicht ohne zwingenden Grund von der Bettkante weisen würde». Am Stammtisch, wenn er mit seinen Parteifreunden unter sich war, sprach er auch von seiner täglichen Hühnerjagd. Heute wollte er Traudl beschnuppern, Edeltraut, die Neue in der Poststelle.

      «Da ist für Sie eine Büchse aus London gekommen, Herr Sanitätsrat», begrüßte sie ihn und ging in die Ecke, um ihm das längliche Paket zu holen. Als sie es angehoben hatte, las sie ihm den Absender vor. James Purdey & Sons, Gun & Rifle Makers. Da ihr das Englische fremd war, klangen die Worte überaus putzig. Dr. Florschütz belehrte sie eingehend und stellte sich bei der Annahme des Pakets mit Absicht so ungeschickt an, dass er sie kurz an sich drücken konnte.

      «O Pardon …»

      Sie schien kein Kind von Traurigkeit zu sein und grinste.

      Dr. Florschütz gab sich pikiert. «Hören Sie auf, so zu gucken. Ich bin Ihr Chef!»

      Traudl kicherte noch eine Spur lauter. «Packen Sie doch Ihre Büchse aus. Oder meinen Sie, dabei könnte ein Schuss losgehen?» Etwas verwirrt machte er ihr einen entscheidenden Unterschied klar: «Dies hier, Fräulein Edeltraut, ist eine Flinte und keine Büchse.»

      «Für mich gibt es da keinen Unterschied.»

      «Sie sind ja auch kein Jäger. Bei einer Büchse ist der Lauf gezogen, das heißt, die abgefeuerte Kugel bekommt einen Drall und trifft besser. Pro Schuss verlässt nur eine Kugel den Lauf, und mit der erlegt man Keiler, Rehe und Hirsche. Bei einer Flinte dagegen ist der Lauf glatt, und es wird mit Schrotpatronen geschossen. Pro Schuss sind das etwa fünfhundert kleine Bleikugeln, und man schießt damit auf Ziele, die sich schnell bewegen, also Rebhühner, Fasane, Stockenten – das ganze Wildgeflügel eben.»

      «Dann muss ich ja aufpassen, wenn ich bei meiner Oma auf dem Bauernhof wieder mal Hühnerfleisch esse», sagte Traudl, «dass ich da auf keine Schrotkugel beiße.»

      «Ich glaube, Ihr Großvater wird seine Hühner nicht erschießen, sondern ihnen beim Schlachten den Kopf auf dem Hauklotz abschlagen.»

      «Na, Sie sind ja ein grausamer Mensch!»

      So flirteten sie noch eine Weile, und Dr. Florschütz genoss es. Als er ins Bureau zurückkehrte, fand er Besuch in seinem Vorzimmer. Es war ein Kriminaler aus Dresden, ein Herr Kautzsch vom Betrugsdezernat, der ihm etwas verriet, das ihn gar nicht erfreuen konnte.

      «Bei unseren Ermittlungen gegen einige Herren der Mitteldeutschen Edelstahlwerke sind wir auch auf einen Ihrer Einkäufer gestoßen, einen Werner Tschernske … Der ist doch bei Ihnen in der Firma?»

      «Ja, warum?»

      Der Mann vom Betrugsdezernat lächelte. «Sie gucken so entsetzt …»

      «Allerdings! Herr Tschernske hat immer ein tadelloses Verhalten an den Tag gelegt.»

      «Nun, es steht fest, dass Ihr untadeliger Herr Tschernske mit einem Angestellten der Mitteldeutschen Edelstahlwerke einen überhöhten Kaufpreis ausgehandelt hat. Den haben Sie dann auch gezahlt, und die beiden Herren haben sich daraufhin die Differenz zwischen dem, was bei den Mitteldeutschen Edelstahlwerken verbucht worden ist, und dem, was Sie, Herr Sanitätsrat, gezahlt haben, redlich geteilt.»

      Dr. Florschütz fuhr auf. «Das ist doch Betrug und damit ein Grund für eine fristlose Kündigung!»

      «Ganz recht», bestätigte ihm der Kriminalbeamte. «Ich hätte dann gern einmal mit Herrn Tschernske gesprochen.»

      «Ich lasse ihn rufen.»

      Nach einer halben Stunde hatte Kautzsch die Vernehmung Tschernskes beendet und dessen Geständnis zu Protokoll genommen. Bevor er wieder abzog, informierte er Dr. Florschütz über den Tatbestand. Der lief sofort in den Einkauf, um Tschernske zu feuern.

      «Packen Sie Ihre Sachen, Sie sind fristlos gekündigt! Verbrecher haben in meiner Firma nichts zu suchen.»

      «Bitte haben Sie doch Verständnis!», flehte Tschernske ihn an. «Es tut mir leid, ich will Ihnen den Schaden auch gern ersetzen. Ich habe das Geld doch dringend gebraucht! Meine Kinder hungern, und meine kranke Frau muss sich operieren lassen. Und wie viel Geld habe ich Ihnen schon sparen geholfen, weil ich …»

      «Raus hier!»

      Der Sanitätsrat war so entrüstet, dass er erst einmal in die Kantine eilte und sich einen doppelten Cognac geben ließ. Alkohol während der Arbeit war zwar verboten – aber nicht für ihn. Dieser Tschernske! Dr. Florschütz brauchte einige Zeit, um alles zu verdauen.

      Der nächste Besucher an diesem Vormittag war sein Parteifreund Heinrich Nobitz von der DNVP. Die Deutschnationale Volkspartei war die führende nationalkonservative Partei in der Weimarer Republik und stand für Nationalismus, Antisemitismus und alles Konservative und Völkische. Gern hätte man den Kaiser zurückgeholt, und 1920 hatte man den Kapp-Putsch unterstützt.

      Bei einer Tasse Kaffee sprach man über verschiedene politische Themen wie den Dawes-Plan und das neue Reichsbankgesetz, vor allem aber über Adolf Hitler, der nach seinem gescheiterten Putsch vom 8. November 1923 nun in der Landsberger Festung wegen Hochverrats einsaß.

      «Erst soll er schwere Depressionen gehabt haben und überzeugt gewesen sein, dass man ihn erschießen würde», erzählte Nobitz.

      «Nun aber geht es ihm blendend, denn der Gefängnisdirektor Otto Leybold hegt große СКАЧАТЬ