Katzmann und das schweigende Dorf. Jan Eik
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Katzmann und das schweigende Dorf - Jan Eik страница 9

Название: Katzmann und das schweigende Dorf

Автор: Jan Eik

Издательство: Автор

Жанр: Зарубежные детективы

Серия:

isbn: 9783955520526

isbn:

СКАЧАТЬ geträumt. Im Dorf besaß nur der reiche Marquardt ein fahrbares, von einer Lokomobile betriebenes Dreschwerk, das er nur äußerst ungern und gegen entsprechend hohe Arbeitsleistungen der Bittsteller verlieh.

      Der Motor für die elektrische Dreschmaschine anstelle des alten, von zwei Pferden angetriebenen und höchst anfälligen Ungetüms von Göpelwerk, für den Ferdinand bereits den Platz im Mittelteil der Scheune vorgesehen hatte, war einer der Streitpunkte der letzten Monate gewesen. Mit seinem ganzen Altersstarrsinn hatte sich Heinrich gegen Ferdinands Absicht gestemmt, am besten gleich und sofort alles Bargeld in eine solche Maschine und in weitere, einen Garbenaufzug beispielsweise oder gar einen Trecker, zu stecken, zusätzliches Vieh zu kaufen oder das Geld wenigstens in amerikanische Dollar umzutauschen. Das war dem Alten entschieden zu weit gegangen. Immerhin hatten die Amerikaner im Krieg zu den Feinden gehört, und von denen nahm man nichts, schon gar nicht ihr Geld.

      Selbst Siegfried hatte seinen Vater einen Schwarzseher genannt. Er hatte Ferdinands Beziehungen zu diesem ominösen Rogowski in Penig missbilligt, über den allerlei Gerüchte im Umlauf waren. Der geschickte Händler malte den Landwirten die Schreckensbilder einer kommenden Inflation, wie er das nannte, an die Wand und versuchte, ihnen Vieh und allerlei anderes zu verkaufen, solange die Papiermark noch einen gewissen Wert besaß. Von der Goldmark war nur noch in der Theorie die Rede.

      Dabei war die schleichende Geldentwertung auch in Wulkersbach seit langem spürbar, aber deren Ende war nach Siegfrieds Meinung abzusehen. Die Preise würden sich spätestens nach der nächsten Ernte stabilisieren, und alles kam ins Lot. Außerdem brauchte man das Geld, um die lange Durststrecke bis zur Ernte oder wenigstens bis zum Verkauf des ersten Gemüses und Obstes zu überbrücken.

      «Wir werden nicht verhungern», hatte Ferdinand abgewehrt. Irgendeine Idee war ihm im Kopf herumgespukt, doch er hatte mit niemandem darüber gesprochen.

      Am Dienstag voriger Woche war er dann plötzlich verschwunden. Anfangs hatte das keinen beunruhigt. Er hatte so seine Eigenheiten, und dazu gehörte eine gelegentliche Abwesenheit. Nur Anni war noch verbissener herumgelaufen, als sie ihn nirgends finden konnte. Die Pferde hatten alle im Stall gestanden, kein Fuhrwerk hatte gefehlt. Also musste er sich zu Fuß auf den Weg gemacht haben. Wohin? Erst am Abend hatten sie begonnen, sich das zu fragen, denn dass Ferdinand über Nacht ausblieb, war bis dahin kaum je vorgekommen.

      Als er auch am Mittwochmorgen noch nicht heimgekehrt war und ihnen die Stallarbeit am Morgen alleine überließ, hatte sich allgemeine Unruhe ausgebreitet. Üblicherweise wurde beim Frühstück der endgültige Arbeitsablauf für den Tag festgelegt. An jenem Morgen hatten alle wie verlorene Kinder herumgesessen, bis sich Heinrich besonnen und das Kommando übernommen hatte.

      Erst hinterher war Siegfried eingefallen, dass es eigentlich seine Aufgabe gewesen wäre. Er war der Nächste in der Rangfolge, nicht der Altenteiler Heinrich, der noch dazu auf die unpassende Idee gekommen war, beiläufig an die Uraltgeschichte vom Mord im Rauber zu erinnern.

      «Auch damals haben sie auf den Vater gewartet und geglaubt, er wäre nach Altenburg gegangen …», hatte er düster gesagt, aber nur der kleine Gunther schien die Sache ernst zu nehmen.

      «Wenn er nach Altenburg wollte, hätte er eine bessere Joppe angezogen», hatte Anni eingewandt.

      Und Siegfried hatte geantwortet: «Kannst ja anspannen und nach Beiern fahren. Der dicke Schmiech wird sich erinnern, ob er ihm eine Fahrkarte verkauft hat.» Schmiech war der Bahnhofsvorsteher von Beiern-Langenleuba, der sechs Kilometer entfernten Station an der Bahnstrecke in die Kreisstadt.

      Ferdinand war auch am Mittwoch nicht wiederaufgetaucht. Vergebens hatte Anni auf das Postauto gehofft, das gelegentlich Passagiere mitnahm. Ferdinand hatte es nicht benutzt.

      In der Rose, die zugleich die Wulkersbacher Poststation und einen Kramladen für allerlei nützliches und unnützes Zeug beherbergte, hatte Anni ihre Einkäufe erledigt und zur Verwunderung der Witwe Jungnickel ein Telephongespräch zur Bahnstation angemeldet. Anni war sich der Gefahr bewusst gewesen, der sie den Familienruf aussetzte, denn die Rose-Wirtin hatte natürlich gehörig die Ohren gespitzt bei Annis Frage nach Ferdinands eventuellem Fahrkartenkauf. Zu allem Überfluss hatte auch der Liebscher-Melchior herumgelungert, der hinkende Postbote mit der Fistelstimme, den alle Welt Tante Droll nannte. Zwar war den beiden die Antwort aus Langenleuba entgangen, doch hatte Annis Gesicht eine allzu deutliche Sprache gesprochen. Zwei Stunden später hatte jeder Wulkersbacher gewusst, dass der Geisler-Ferdinand Hof und Familie mit unbekanntem Ziel und anscheinend auf Nimmerwiedersehen verlassen hatte.

      Die Geislers waren die Allerletzten gewesen, die davon erfuhren. Am meisten hatte sich die Magd Elsa über das Gerücht empört, bis Anni sie mit einem langen Blick und der Bemerkung zum Schweigen gebracht hatte: «Du meinst wohl, er hätte sich mit dir beraten, bevor er sich davonmacht?»

      Elsas ohnehin gesunde Gesichtsfarbe war um einen Schein dunkler geworden, und Siegfried hatte sich verpflichtet gefühlt, ihr beizustehen. «Was soll das jetzt, Mutter?», hatte er gefragt, obwohl er natürlich ebenso wie alle anderen am Tisch wusste, was gemeint war. Elsa, ein paar Jahre älter als er, war eine handfeste Person und kein Kind von Traurigkeit, wie gemunkelt wurde. Anni war es nie gelungen, einen Beweis für die Untreue ihres Mannes zu finden oder sich gar damit durchzusetzen, Elsa vom Hof zu jagen.

      «Finde erst mal eine Magd wie die!», hatte sogar Heinrich jedes Mal lebhaft widersprochen. Der Alte liebte es ja selber, hinter Elsa die enge Stiege zum Heuboden hinaufzusteigen oder ihr wohlwollend über den prallen Hintern zu streichen. Außerdem hatte er natürlich recht: Die Magd arbeitete unermüdlich wie ein Pferd, schaffte inzwischen zehnmal mehr als Anni mit ihren geschwollenen Gelenken. Die hatte nach Gunthers Geburt nach und nach ihren Widerstand gegen die mutmaßliche Nebenbuhlerin aufgegeben, zumal der heranwachsende Spross Tante Elsa abgöttisch liebte.

      Siegfried hörte auf zu reden und schwieg nachdenklich. Noch immer war er nicht bei dem Mord angelangt, dessen Einzelheiten Konrad weit mehr interessierten als all die Familienintimitäten, die ihm nicht sämtlich neu waren.

      Siegfried, der von Anfang an voraussetzte, Konrad würde die Nacht in Wulkersbach verbringen, hatte dem Wandschrank eine Flasche und zwei Gläser entnommen und immer wieder nachgeschenkt, wobei Konrad sich zurückhielt. Er war müde, fast so müde wie Harry, der zusammengerollt zu seinen Füßen schlief, ohne sich der Ehre bewusst zu sein, dies als fremdes Tier in der guten Stube tun zu dürfen. Man wohnte hier mit den Kühen unter einem Dach, allein schon der Wärme über dem Kuhstall wegen, die gute Stube aber war ein geradezu geheiligter Ort, den die Kinder nur zu Weihnachten betraten und die Erwachsenen auch nur an hohen Feiertagen. Ferdinand hatte versucht, Ausnahmen einzuführen, indem er sich gelegentlich mit schriftlichen Arbeiten in den einzigen Raum zurückzog, in dem ihn niemand störte, was Heinrich stets missbilligte. Er glaubte fest daran, besser rechnen zu können als der Sohn und Erbe, entbehrte aber seit langem eine passende Brille, die ihm das Lesen kleiner Buchstaben und Zahlen ermöglicht hätte. Kam die Zeitung ins Haus, versuchte er meist vergeblich, sich an den Überschriften zu orientieren.

      Im Wandschrank der guten Stube, zu dem nur Ferdinand den Schlüssel besaß, wurde der bessere Schnaps aufbewahrt. Dort lagerte auch die Stahlkassette mit dem Bargeld. Einer Bank oder Sparkasse Geld anzuvertrauen kam in Wulkersbach niemandem in den Sinn - wusste man denn in so unruhigen Zeiten, was dort damit geschah? Seit dem Verschwinden der Silber- und Goldmünzen galt nur noch das Papiergeld der Reichsbank, der Sächsischen Bank in Dresden, des Leipziger Kassenvereins und der Chemnitzer Stadtbank. Deren Hundertmarkscheine waren nicht mehr viel wert. Zum ersten Mal tauchten sogar Tausender auf. Besonders ungern nahm man sogenannte Darlehnskassenscheine und windiges Notgeld in Zahlung.

      Heinrichs Misstrauen, angeheizt durch die Anschaffungspläne des Sohnes, war immerhin groß genug gewesen, bereits am Tag nach Ferdinands Verschwinden den erheblichen Bargeldbestand zu überprüfen. Wie sich herausstellte, СКАЧАТЬ