Katzmann und das schweigende Dorf. Jan Eik
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Название: Katzmann und das schweigende Dorf

Автор: Jan Eik

Издательство: Автор

Жанр: Зарубежные детективы

Серия:

isbn: 9783955520526

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СКАЧАТЬ und Ferdinands zwölfjähriger Nachkömmling, entdeckte ihn zuerst und stürzte mit einem unangemessenen Freudenschrei auf ihn los. «Dr Gunnrahd!», jauchzte er, bevor ihm der Ernst des Augenblicks wieder zum Bewusstsein kam und er mit betretener Miene Konrads Hand schüttelte. Der tat, was er sich bei Opa Heinrich nicht getraut hatte: Er umarmte den Jungen und drückte ihn fest an sich. An der Tafel erhob sich Siegfried langsam und ungläubig von seinem Platz zwischen seiner apathisch vor sich hin starrenden Mutter und der auffallend munteren Großmutter Ernestine. Lydia, zur Linken der Witwe, senkte den Blick auf den Tisch, als wolle sie den unerwarteten Ankömmling vorerst nicht bemerken.

      Erst als Konrad auch ihr kondolierte, blickte sie ihm plötzlich fest in die Augen und schüttelte kaum merklich den Kopf. Schimmernd dunkles Haar umrahmte ihr rosiges Gesicht mit den traurigen Mandelaugen. Sie war noch genauso hübsch, wie Konrad sie in Erinnerung hatte, und die schwarze Kleidung stand ihr. Sie war zweifellos die Dorfschönste von Wulkersbach und erstaunlicherweise noch immer nicht fest gebunden, denn auf dem Platz neben ihr saß Annis Schwager Gerwald Seidel, mit dem Konrad eine ebenso herzliche Abneigung verband wie mit dessen umfangreicher Frau Gerda. Die beiden nickten ihm nur hoheitsvoll zu, nachdem sie seine Begegnung mit Lydia mit Argusaugen verfolgt hatten.

      Ihr Misstrauen alarmierte Konrad. Ahnte oder wusste etwa doch jemand in der Familie von jener Episode, die Lydia und ihn verband? Im Allgemeinen kannte Konrad kaum Gewissensbisse, was seine vergangenen Affären anging. Ausgerechnet heute und in diesem Fall jedoch war ihm die romantische Geschichte mit Lydia, die Jahre zurücklag, ein wenig peinlich. Lydia war sechs Jahre jünger als ihr Bruder Siegfried - und damit auch sechs Jahre jünger als er selber. Damals mochte sie sechzehn, siebzehn gewesen sein, eine erblühende Rose unter den unauffälligen Dorfmädchen, denen die schwere Landarbeit ein frühes Altern versprach. Schade, dass Siegfried und Konrad damals längst aus dem Alter begeisterter Apatschenkrieger heraus gewesen waren, die dunkellockige Lydia hätte allemal die ideale Nscho-Tschi abgegeben, Winnetous liebreizende Schwester, deren Namen in Wulkersbach niemand hätte aussprechen können.

      Auch ohne Winnetou war Konrad seinerzeit ihrer jugendlichen Anmut erlegen, ohne in den Folgejahren größere Gedanken daran zu verschwenden. Unter den Gutsbesitzern auf dem Lande spielten dynastische und erbrechtliche Gründe bei der Wahl der Ehepartner allemal eine größere Rolle als kurzfristige Liebeleien. Vermutlich war Siegfried deshalb zum Ärger der gesamten Familie noch immer unverheiratet und auf dem besten Wege, sein Leben als eigenwilliger Hagestolz zu verbringen. Das jedenfalls prophezeite ihm seine Mutter Anni seit Jahren, nachdem er zwei gute Partien aus Wulkersbach und dem benachbarten Guckenheim glatt ausgeschlagen hatte - beides Bauerntöchter mit erheblicher Mitgift und Erberwartung, jedoch nach Siegfrieds Urteil zu unansehnlich, ja geradezu hässlich.

      Nun war er von heute auf morgen zum Gutsbesitzer aufgestiegen. Eine Rolle, an die er sich schwer gewöhnen würde, solange Großvater Heinrich das Regiment auf dem Hof zu führen versuchte und Mutter Anni jede seiner Handlungen an denen des Ermordeten maß. Das waren die größten Bedenken, von denen er Konrad erzählte, als der endlich seinen Saalrundgang beendet und sich mit dem Freund und entfernten Verwandten in eine ruhige Ecke zurückgezogen hatte. Der Raum mit den hohen, nur notdürftig von Staub und Spinnweben befreiten Fenstern und dem Musikpodium, auf dem große Planen das vorjährige Heu kaum verdeckten, wirkte auf Konrad wie eine Filmkulisse.

      Siegfried machte einen todunglücklichen Eindruck. «Wenn wenigstens der Gunther erwachsen wäre», sagte er. «Das ist der geborene Landwirt. Und er kann rechnen. Besser als ich jedenfalls.»

      «Du würdest auf dein Erbe verzichten?», fragte Konrad erstaunt.

      Siegfried sah ihn an. «Lieber heute als morgen», entgegnete er melancholisch. «Wenn ich an den kommenden Streit denke, graut’s mir.»

      «Worüber werdet ihr streiten? In eurer Familie ging es doch immer ganz einträchtig zu …»

      «Einträchtig!» Um Siegfrieds Mund zeigte sich ein ungutes Lächeln. «Hast du schon mal Eintracht erlebt, wenn’s ums Geld geht?»

      Dazu schwieg Konrad vorsichtshalber.

      «Es ist nämlich keins da», fuhr Siegfried bitter fort. «Kaum ein Pfennig, wenn du’s genau nimmst. Sogar das hier» - er wies mit einer weit ausholenden Handbewegung auf die Tafel - «geht erst mal auf Kredit.»

      Konrad verstand nicht. Den Geislers war es immer gutgegangen, und Ferdinand hatte als ein gescheiter Landwirt gegolten.

      «War die letztjährige Ernte so schlecht?», erkundigte er sich.

      Wieder lachte Siegfried mit diesem unguten Zug um den Mund. «Die war so gut wie selten», sagte er. «Glücklicherweise haben wir noch was davon in der Kammer, trotz der Zwangswirtschaft. Aber das Bargeld …» Er streckte die Handfläche aus und pustete darüber. «Das ist fort. Auf Nimmerwiedersehen.»

      «Und wohin?»

      «Das musst du die Mörder fragen. Der Vater hat es bei sich getragen.»

      «Wohin wollte er damit?»

      Siegfried hob die Schultern. In seinem feierlichen Bratenrock wirkte er wie ein verkleideter Boxer. «Das ist immende das große Geheimnis.»

      Konrad pfiff leise durch die Zähne. Immende gehörte wie egal und mancher andere Begriff zu den stehenden Redewendungen im Dorf. «Sprich mal genauer», forderte er, auf Siegfrieds Tonfall eingehend, doch der schüttelte den Kopf. Als Konrad sich umwandte, rollte geradewegs die Kugelgestalt Arthur Fiallas auf ihre Gesprächsecke zu.

      «Nicht jetzt und nicht hier», sagte Siegfried nur, blieb jedoch sicherheitshalber bei Konrad stehen. Er erwartete nichts Gutes von dem Zusammentreffen Fiallas mit dem Besucher aus der Stadt.

      So war es auch. Der Wachtmeister zerrte sein umfangreiches Notizbuch aus dem blauen Uniformrock und erkundigte sich barsch nach Konrads Namen und dem Grund seiner Anwesenheit. Der hielt es für unpassend, dieser kugeligen Amtsperson etwas von einem Zufall zu erzählen, der ihn hergetrieben habe. Unter Vorzeigen seiner Presselegitimation erklärte er ganz kühl: «Ich bin der Korrespondent der Leipziger Volkszeitung. Wie ich höre, hat es hier einen bisher unaufgeklärten Mord gegeben. So etwas interessiert unsere Leser.»

      Fialla schnappte förmlich nach Luft. Mit der Presse hatte er wahrlich nicht gerechnet und schon gar nicht mit der Frage, die Konrad Katzmann seiner Erklärung sofort hinterherschob: «Wie weit sind denn die polizeilichen Ermittlungen gediehen?»

      «Das geht Sie gar nichts an!», schnauzte Fialla zurück, und gleichzeitig fiel ihm etwas geradezu Geniales ein. «Sie befinden sich hier auf thüringischem Territorium!», donnerte er. «Wir benötigen keine Leipziger Schmieranten, die unsere Ermittlungen behindern!»

      «Inwiefern?», fragte Konrad höflich.

      Fiallas ohnehin gerötetes Gesicht begann zu glänzen. «Insofern, dass Leipzig bekanntlich in Sachsen liegt und hiesige Straftaten damit absolut nicht in die lokale Berichterstattung Ihres Blattes fallen!» Mit Mühe unterdrückte er weitere Bemerkungen über die politische Richtung der LVZ. In Thüringen wie in Sachsen herrschten im Augenblick nun einmal die Roten, da verkniff man sich als Beamter besser jede kritische Stellungnahme.

      Scheinbar überrascht mischte sich Siegfried Geisler ein, der das Geplänkel bisher schweigend verfolgt hatte: «Nu gucke! Sind Sie plötzlich nicht mehr der Ansicht, mein Vater sei jenseits der Grenze in Sachsen aufgefunden und vermutlich auch ermordet worden? Von einem Täter, der aus Penig oder Waldenburg stammt?»

      Fialla war dicht davor, die Beherrschung zu verlieren. Mit dem Sohn des Ermordeten durfte er es sich jedoch nicht verderben. Der aus Altenburg angereiste Kriminalsekretär СКАЧАТЬ