Fjodor M. Dostojewski. Rainer Buck
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Название: Fjodor M. Dostojewski

Автор: Rainer Buck

Издательство: Автор

Жанр: Биографии и Мемуары

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isbn: 9783865065957

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СКАЧАТЬ geschrumpft – und kann gerade dadurch so mächtig und erschütternd wirken. Ich will versuchen, in diesem Buch einige Belege dafür zu liefern, wobei es nicht darum geht, Dostojewski auf die Rolle eines christlichen Denkers zu reduzieren oder ihn als „Visionär“ zu überhöhen.

      In meiner Begeisterung über seine Romane hatte ich früher erwartet, in Dostojewskis Lebensgeschichte, in seinen Briefen und in seinen Aufsätzen einem geistigen Titanen zu begegnen. Aber da stößt man auf viel Profanes, das einen ernüchtert. Man ist von der Persönlichkeit Dostojewskis vielleicht gar enttäuscht, wenn man nicht bereit ist, die menschliche Existenz generell an einem Maßstab zu messen, der gnädiger ist als die propagierten Bewertungsraster unserer Leistungsgesellschaft. Festzustellen, dass auch ein Dostojewski Kind seiner Zeit und bisweilen Opfer seiner Verhältnisse ist, muss ihn uns jedoch nicht weniger eindrucksvoll erscheinen lassen.

      Natürlich würde ich mich freuen, wenn ich mit meiner kleinen Studie einige Leserinnen und Leser zu einer persönlichen Begegnung mit zumindest einzelnen Werken Dostojewskis ermutigen könnte. Jenen, die Bücher von ihm gelesen haben, indes seine Biografie nicht kennen, kann ich außer der eingangs geschilderten Szene einige weitere spannende Episoden versprechen. Für diejenigen, die mit Dostojewski vertraut sind, ist dieses Buch zwar nicht vornehmlich geschrieben, doch ich hoffe, sie finden darin ebenfalls die eine oder andere neue Anregung.

      Bei den russischen Namen habe ich lesefreundliche Transskriptionen gewählt. Zu Dostojewkis Lebzeiten galt in Russland allgemein der julianische Kalender. Dieser weicht vom gregorianischen Kalender um wenige Tage ab. Bei Datumsangaben habe ich mich am örtlichen Bezug orientiert.

      Kritische (und zustimmende) Reaktionen an den Verlag oder direkt an den Autor sind jederzeit willkommen.

      Rainer Buck, Marbach am Neckar

      Fjodor Michailowitsch Dostojewski kommt am 30. Oktober 1821 im Nebengebäude eines Moskauer Armenhospitals zur Welt. Er ist jedoch kein Kind aus der Armenschicht. Sein Vater ist in der Marijinski-Klinik Oberarzt und hat dort eine bescheidene Dienstwohnung. Fjodor ist nach seinem Bruder Michail das zweite von insgesamt sieben Kindern von Michail Andrejewitsch Dostojewski und seiner Frau Marja Fjodorowna, geborene Netschajewa.

      Die Dostojewskis sind Nachkommen eines verarmten Landadelsgeschlechts. Vater Michail Andrejewitsch, Abkömmling eines russisch-orthodoxen Priesters, hatte in Moskau unter großen Entbehrungen als Mediziner promoviert und eine Kaufmannstochter geheiratet, eine gütige, liebevolle Frau. Sie ist offensichtlich die Seele von Fjodors Elternhaus, denn der Vater gilt als griesgrämiger Pedant. Er ist ein für die Zeit typischer Patriarch der konservativen Art und hält seine Familie weitgehend vom gesellschaftlichen Leben fern, da es nicht nur mit Lastern, sondern vor allem mit Ausgaben verbunden wäre. In seinem Beruf wird er offensichtlich geschätzt und mit den obligatorischen Orden dekoriert, doch der Dienst im Hospital ist aufreibend und nervenzehrend.

      Fjodor wächst in einfachen, aber geordneten Verhältnissen heran. Die Eltern bemühen sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten schon früh um die Bildung ihrer Kinder. Die Anfänge bestreiten sie selbst, später werden Hauslehrer engagiert. Fjodor lernt mit vier Jahren Schreiben und Lesen. An einem Buch mit biblischen Erzählungen übt er sich im Buchstabieren. Manchen Abend verbringt die Familie mit Vorlesen. Eine ultrakonservative Darstellung der russischen Geschichte gehört zur bevorzugten Lektüre des Vaters, aber auch historische Romane und Werke der sogenannten „Schauerromantik“ finden zur Freude der Knaben Eingang in die Lesestunden. Der Mutter wird eine gewisse künstlerische Neigung nachgesagt, was die Literaturpalette erweitert.

       Das Geburtshaus Dostojewskis

      Im Elternhaus werden aus religiöser Überzeugung heraus die Rituale der orthodoxen Rechtgläubigkeit gepflegt. Gottesdienstbesuche in der Klinikkapelle und regelmäßige Wallfahrten zu Klöstern sind daher für die Kinder eine Selbstverständlichkeit. Zudem nährt eine Amme die Seelen der Kinder mit altrussischen Sagen und Volksmärchen, was auf Fjodor nicht ohne Wirkung bleibt.

      Eine Theateraufführung von Schillers Sturm-und-Drang-Drama „Die Räuber“, die er als Zehnjähriger miterlebt, wird zu einem der Schlüsselerlebnisse in Fjodors Leben. Er ist schon in jugendlichen Jahren ein glühender Verehrer gehobener Literatur, insbesondere solcher Bücher, die das Schöne und Gute im Menschen anzusprechen suchen. In seinem nur wenig älteren Bruder Michail (geboren 1820) hat er hierbei ein verständnisvolles Gegenüber. Dieser wird zeitlebens zur wichtigsten Vertrauensperson, während die Beziehungen zu den übrigen Geschwistern schwächer ausgeprägt bleiben und eher fürsorglicher Natur sind.

      Durch die räumliche Nähe zur Armenklinik lernt Fjodor die Schicksale von Menschen aus schwierigsten Verhältnissen kennen. Obwohl die Eltern Kontakte zu unterbinden suchen und ein Gitterzaun den von der Familie genutzten Garten vom Grundstück des Hospitals trennt, sucht der lebhafte und sensible Junge immer wieder die Begegnung mit Patienten. Ihre individuellen Geschichten erwecken seine Anteilnahme. Zugleich wird ihm früh die Grausamkeit der Welt vor Augen geführt. Eine neunjährige Spielgefährtin Fjodors wird eines Tages vor seinen Augen im Klinikgarten vergewaltigt. Sie wird so schwer verletzt, dass sie trotz der medizinischen Hilfe seines Vaters nicht gerettet werden kann.

      Im Jahr 1831 verfügt der sparsame Michail Andrejewitsch über die nötigen Mittel, um ein südlich von Moskau gelegenes Gut mit zwei dazugehörenden Dörfern und rund 100 männlichen Leibeigenen zu erwerben. Dieses besucht er selbst in den ersten Jahren nach dem Erwerb nur für ein paar Tage im Hochsommer, doch seine Familie verbringt fortan die ganze wärmere Jahreszeit im kleinen Gutshaus, das aus drei Zimmern besteht und idyllisch in einem Lindenhain liegt. Fjodor und seine Geschwister haben so die Möglichkeit, sich körperlich auszuleben, eine intensive Beziehung zur Natur zu gewinnen und die Landbevölkerung kennenzulernen.

      Unter den einfachen Bauern gibt es Menschen, deren schlichter Herzensgüte und Frömmigkeit sogar noch in Dostojewskis literarischem Spätwerk ein Andenken gewidmet ist. Als der kleine Fjodor einmal halluziniert und sich von einem Wolf verfolgt wähnt, findet er Zuflucht bei dem Bauern Marei, der ihm geduldig mit nahezu weiblicher Zärtlichkeit zuredet, ihn in seinen Ängsten ernst nimmt und schließlich das Kreuzzeichen über ihm macht. Besonders aber ermutigen sein mildes Lächeln und sein liebevoller Blick den Jungen. Ich ging, schaute mich aber fast alle zehn Schritte nach ihm um; Marei stand da mit seinem Stutchen und schaute mir nach, und jedes Mal nickte er mir zu, wenn ich mich nach ihm umsah.

      Durch seine beruflichen Verdienste hatte es der Vater geschafft, den durch Verarmung verlorengegangenen Adelstitel der Familie wiederzuerlangen und mit seinen Söhnen 1830 in das Buch des Moskauer Erbadels eingetragen zu werden. Für Dostojewski spielt es in späterer Zeit trotz seiner Sympathien für die Armen und Rechtlosen durchaus eine Rolle, edler Abstammung zu sein. Sein Ansehen ist ihm vielleicht deshalb so wichtig, weil er in den Kreisen, in denen er – abgesehen von den Jahren im Straflager – die meiste Zeit verkehrt, materiell nie zu den Privilegierten gehört.

      Ab 1834 besuchen er und sein Bruder Michail in Moskau Internatsschulen, denn der Vater legt Wert auf eine umfassende Ausbildung und geht dafür sogar finanziell bis an die Schmerzgrenze der Familie. Nur dadurch, dass er neben dem Klinikdienst viele Privatpatienten betreut und zudem eine Hypothek auf das Landgut aufnimmt, ist es überhaupt möglich, die teuren Internate zu bezahlen. Insbesondere will er, dass die Söhne Französisch und Deutsch lernen. Von einem französischen Internat wechseln sie etwas später auf ein „Privatgymnasium für adlige Knaben“. In dieser elitären Schule müssen die Brüder schmerzlich feststellen, dass sie im Vergleich zu den meisten Mitschülern von zu Hause aus nur mit einem kargen Budget ausgestattet werden können. Dies trägt ihnen regelmäßige Sticheleien ein, schweißt sie aber noch enger zusammen.

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