Название: Nadelherz
Автор: Rose Zaddach
Издательство: Автор
Жанр: Короткие любовные романы
isbn: 9783961456338
isbn:
Während die anderen Schüler und Schülerinnen sich um die Arbeiten drückten, waren Xavelia und ich in den Ställen und im Gehege meistens alleine und es baute sich nach und nach eine Gemeinsamkeit auf, die immer enger und dichter wurde. Sind Sie schon einmal ausgeritten mit einem mutigen Mädchen? Sind Sie miteinander über die Felder galoppiert? Haben Sie gesehen, wie ihre Hände genau im richtigen Moment die Zügel lockerten und wieder strafften? Wenn nicht, dann urteilen Sie nicht. Schweigen Sie. Sie war jung. Aber auch ich war jung. Zu jung.
Ich begann mehr an sie zu denken, als mir lieb war und sie zu vermissen. Aber noch war mir nicht bewusst, welche Gefahr uns umgab. Sonst wäre ich früh genug geflohen. Dann aber kam jener Abend, an dem meine Eltern ins Theater fuhren und ich sie alleine im Hause vertrat. Ich saß im Büro, das sich im Untergeschoß befand. Ein Stockwerk darüber lag der Schlaftrakt. Ich arbeitete am Computer, was ich immer tat, wenn ich zum Nachtdienst eingeteilt war. Xavelia lebte jetzt schon viele Monate im Haus. Es ging auf den Frühling zu. Wir hatten den Spätsommer, den Herbst miteinander verbracht, sie die Schülerin, ich der Praktikant. Wir hatten die Wälder durchstreift und Bäume zum Abholzen markiert. Wir hatten Brennholz gemacht und für den Winter gestapelt, wir hatten bis weit nach dem ersten Schnee die Pferde geritten und sie dann im warmen Stall abgetrocknet und gefüttert. Wir hatten zum ersten Mal gemeinsam den Weihnachtsbaum geschmückt und die Kerzen angezündet. Sie hatte mich jedes Mal angelächelt, wenn eine neue Kerze entflammte.
Alle wussten, dass Xavelia sich immer, wenn irgend möglich, in meiner Nähe aufhielt, und alle hielten dies für normal. Alle waren froh, dass sie durch meine Anwesenheit so angepasst und freundlich war und ich einen guten Einfluss auf sie ausübte. Nichts und niemand warnte uns. Niemand sah die Gefahr, in der wir uns befanden. Niemand nahm wahr, wie wir immer mehr auf natürliche Weise zusammenwuchsen. Xavelia wurde älter und ging auf das vierzehnte Lebensjahr zu. Sie wurde zusehends Frau: groß und schlank, mit hohen Beinen, aber auch mit weiblichen Rundungen. Ich begann, sie immer mehr als Frau zu sehen, und ich wurde unsicher, wie ich mich ihr gegenüber verhalten sollte, sprach aber mit niemandem. Noch hatte ich keine Vorkehrungen getroffen. Wir trieben schon im gefährlichen Fahrwasser. Bald würde ich mit Xavelia auf hoher See sein und kein Land mehr sehen.
LIEBESERWACHEN
(Xavelia)
In der neuen Privatschule habe ich mich nun doch sehr gut eingelebt. Ich wusste nicht, ob ich bleiben würde. Ich bin immer noch scheu und schnell zu vertreiben. Ich bin wild und ungestüm. Ich kann meine Gefühle immer noch nicht vollkommen beherrschen: die Angst, die auftritt und mich überflutet, wenn man mir zu nahe tritt. Die Panik, in der ich Unheil abzuwenden versuche. Die Scham, wieder unterlegen zu sein und nicht Siegerin der Situation.
Auch, wenn ich es mir nicht anmerken lasse, was es mich kostet, wenn ich mich gehen lasse, ich fühle mich jedes Mal wie nach einem verlorenen Kampf. Aber die Hoffnung war da, dass ich es schaffen würde, mich einzuleben und meine Abschlüsse nachzuholen.
Bei Berret spürte ich, dass ich nicht zu kämpfen brauchte. Er hatte genau das richtige Maß, mir entgegen zu kommen oder auf mich zu warten. Er drängte mich nicht. Er war vorsichtig und empfindsam. Es war, als hätte er viele Antennen ausgefahren, um meine geheime Sprache zu verstehen. Er war auf „Empfang“ eingestellt. Das beruhigte mich. In seiner Nähe konnte ich entspannen. Und er sah so schön aus. Er hatte so weiche, braune Augen. Hatte ich mich schon bald in ihn verliebt? Schwärmte ich schon bald für ihn, wie alle jungen Mädchen es hier taten?
Ich kann es nicht sagen. Ich war zunächst mit dem Einleben beschäftigt. Ich bezog mein Zimmer unter dem Dach und richtete es mit vielen bunten Tüchern ein, um eine romantische Stimmung zu schaffen und so oft als möglich meinen Träumen nachhängen zu können. Ich stellte eine Kerze ans Fenster, die später noch eine besondere Bedeutung erhalten sollte. Ich verstaute meine Kleidung, zumeist nur Jeans und Pullover, und einige Erinnerungsstücke im Schrank. Ich schnupperte an meinen Reitsachen, die noch nach meinem Pferd rochen, welches ich lange ausreiten und pflegen durfte und weinte Abschiedstränen.
Aber die Zeit auf dem Steidelhof war vorbei. Ich musste neue Schritte gehen, um meine Ziele zu erreichen, und meine Ziele waren mir wichtig. Ich wollte und wollte meinen Schulabschluss, um später mit Tieren und vor allem mit Pferden zu arbeiten. Mein erster Weg am nächsten Morgen war deshalb der zum Kleingehege, um nach meinem Kaninchen zu schauen, und dann an der Koppel vorbei in den Pferdestall. Nicht die anderen Schülerinnen oder Schüler, die mich neugierig umwarben, interessierten mich, sondern wie immer die Tiere. Dort wollte ich viel freie Zeit verbringen und dort traf ich auch wieder auf Berret. Er beachtete mich kaum. Er grüßte knapp und arbeitete weiter, striegelte ein Pferd, bürstete den Schweif, kontrollierte die Hufe, ordnete das Sattelzeug und bereitete es für die Weide vor. Es war Ende April, die Sonne hatte schon an Kraft gewonnen und versprach einen schönen Tag.
Ich stand und schwieg, aber nicht lange. Ich nahm Kontakt auf mit den Pferden im Stall, merkte mir ihre Namen und verschwand wieder. Ich bin nicht eingeladen worden, mitzuarbeiten, obwohl ich es gut gekonnt hätte. In der Pferdepflege war ich perfekt. Irgendwann würde ich einsteigen. Es würde nicht zu lange dauern, dann würde man meine Kenntnisse hier schätzen.
Ich trieb mich im Haus umher. Noch waren Osterferien und die Tage ungeregelt. Noch waren nicht alle Mitbewohner eingetroffen. Das erfolgte im Laufe des Tages.
Im Haupthaus, einem großes Fachwerkgebäude, befand sich im oberen Stock die Wohnung der Familie Gardot. Dort wohnten auch Berrets Schwestern, die ich jedoch erst später kennenlernte. Im Erdgeschoss befanden sich fast über die gesamte Etage der Speise- und Aufenthaltsraum und ein Sekretariat. An einem wuchtigen Holztisch konnten alle, auch wir Schüler, Platz nehmen. Einen Bauernschrank mit schönem Keramikgeschirr sah ich, eine wohnliche Ecke mit flauschigen Decken, einen Korb mit bunter Wolle und Stricknadeln, einen Notenständer vor einem alten Klavier. Ich fühlte mich wohl. Alles war natürlich. Alles atmete. Das war die rechte Luft für mich, das Naturkind, das alles Künstliche verabscheute.
Ich schlenderte durch den Raum, ließ meine Hände über die Einrichtungsgegenstände gleiten und schlüpfte aus der quietschenden alten Tür auf den Flur, um mich nebenan im Büro umzuschauen. Dort traf ich Regine, unsere Sekretärin, mit der ich bis heute noch Kontakt pflege. Sie winkte mir durch ein Glasfenster zu, und ich verschwand grinsend durch eine Verbindungstür in der Scheune. Hier fand ich Berrets Eltern, die das Haus leiteten, die Chefs sozusagen. Sie bereiteten sich in den Werkstätten auf das neue Schulsemester vor. Markus, der Vater von Berret, arbeitete in der Holzwerkstatt, Elisabeth, seine Mutter, in der Töpferei Sie überprüfte das ungebrannte Tongeschirr auf den Regalen. Das kannte ich auch vom Steidelhof. Nebenan stand die Tür zum Webraum mit dem großen Webstuhl offen. Schöne bunte Garne gab es dort.
Alles das interessierte mich sehr, ich ließ es mir aber nicht anmerken. Ich wollte nicht als Streberin gelten und nicht vereinnahmt werden und so lange als möglich die eigene Entscheidungsfreiheit behalten, welches Fach ich belegen würde. Es war alles gut. Aber eines irritierte mich: Elisabeth schwieg und sie tat das verbissen und es sah aus, als hätte es einen Streit gegeben. So ähnlich sah meine Mutter aus, wenn sie mit meinem Vater eine Auseinandersetzung hatte. Aber Markus, Berrets Vater, war nichts anzumerken. Er begrüßte mich mit sehr viel Interesse. Er hatte Ähnlichkeit mit Berret. Ein Typ mit weicher Stimme und einem vielsagenden und einschmeichelnden Blick, immer ein Lächeln in den Augenwinkeln, oder so ähnlich. Es war mir sehr ungewohnt, ihn einfach beim Vornamen zu nennen. Noch schwieriger schien es mir, Berrets Mutter mit ihrem Vornamen anzusprechen. Dies machten hier aber alle so. Ich tat es nicht. Ich umging die direkte Ansprache. Ich traute beiden nicht, spürte, dass etwas nicht in ihrem Verhältnis stimmte, und setzte meine abweisende Miene auf. Wenn man solch eine Elterntrennung СКАЧАТЬ