Nadelherz. Rose Zaddach
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Название: Nadelherz

Автор: Rose Zaddach

Издательство: Автор

Жанр: Короткие любовные романы

Серия:

isbn: 9783961456338

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СКАЧАТЬ und den Respekt, mit dem unser Tierarzt mir begegnete, dem ich immer fachkundiger assistierte. Ich wurde seine rechte Hand.

      Ich lebte dort sehr selbstbestimmt. Denn ich ließ mich nicht mehr erziehen. Meine Mutter scheiterte an mir und meiner Widerstandskraft. Sie hatte aus Unwissenheit und Hilflosigkeit vieles falsch gemacht. Ein Zurück gab es vorerst nicht mehr. Ich besuchte meine Mutter in den Ferien. Mein Vater hatte mittlerweile eine neue Familie gegründet. Ich sah ihn an Weihnachten, außer er kam zu Besuch in den Steidelhof, um dort über meine Zukunft zu reden, was er zuletzt immer häufiger getan hatte.

      Es wurde über meine Berufsausbildung nachgedacht. Im Privatunterricht hatte ich alles notwendige Wissen nachgeholt. Ich ging im letzten Jahr zur Schule, um mich an die Gemeinschaft zu gewöhnen. Ich trat nicht mehr und biss nicht mehr. Ich hielt das Gefühl aus, in einen Klassenraum zu bleiben, ohne mich eingesperrt zu fühlen. Meine Mutter und auch mein Vater waren glücklich über meine Entwicklung. Ich sollte auf eine weiterführende Schule gehen und sie mit der mittleren Reife abschließen. Dann konnte ich Tierpflegerin oder speziell Pferdepflegerin werden. Das waren auch mein Wunsch und mein fester Wille, mein Lebenstraum. Den Traum habe ich auch verwirklicht. Heute besitze ich meinen eigenen kleinen Reiterhof. Ich habe alles erreicht, was ich mir vorgenommen und erträumt habe. Nur eines fehlt mir. Eines ist zu Bruch gegangen bei der alten Geschichte, die so lange zurückliegt und doch immer noch so nah ist.

      Einen Wunsch konnte ich mir nicht erfüllen – und er steht zwischen Berret und mir. Er weiß es nicht. Ich habe es ihm nie gesagt. Ich habe nie darüber sprechen können. Es gibt einen Schmerz, der in meiner Seele sticht, wie viele spitze Nadeln und ich spüre das Stechen besonders in den langen Nächten, wenn die Träume wieder kommen und keine Ruhe geben. Ich werde wahrscheinlich keine Kinder bekommen. Ich wäre so gerne Mutter geworden. Ich sehne mich nach einem Kind, es ist ein großer Verlust für mein Leben und ich gebe die Schuld daran der tragisch geendeten Beziehung meiner frühen Jugend. So lebe ich denn mit meinem eingekapselten Kummer und zeige ihn nach außen nicht. Was hätte es geändert und was würde es ändern?

      Immer wieder, so dachte ich, würde ein Schatten unseren Tag verdunkeln, wenn ich seinen Antrag annehmen und mit ihm zusammen leben würde. Deshalb zog ich irgendwann eine Trennungslinie und stürzte mich in das wilde Leben der Jugend, die ich nachzuholen versuchte. Außerdem kam mir der Liebhaber meiner frühen Jugend damals so gereift, so wesentlich älter vor, als ich mich mit achtzehn, neunzehn, zwanzig Jahren empfand. Wie kann es sein? Hatte ich mich so getäuscht? Wie hatte ich ihn geliebt!

      Ich wolle, ja ich musste meine Jugend nachholen, nachdem ich die zurückliegenden Jahre von Erziehern und dem Jugendamt überwacht so unfrei gelebt hatte. Deshalb bin ich bald Beziehungen mit Gleichaltrigen eingegangen. Ich kehrte aber eine Zeitlang immer zu Berret zurück, weil ich mich auch nicht lösen konnte. Aber es kam der Tag, an dem ich ihn endgültig verließ. Auch Berret konnte das Hin und Her nicht mehr ertragen. Ich ging meinen eigenen Weg, obwohl wir beide die Verbindung nie ganz aufgeben konnten. Wir schrieben uns Briefe, aber leben konnten wir nicht miteinander. Nur so, auf die Entfernung, konnten wir die vergangenen Jahre in Ruhe leben. Ich hatte mich dafür entschieden, so lange zu warten, bis mir meine Gefühle vielleicht einen anderen Weg ermöglichen würden.

       DIE BEGEGNUNG

       (Berret)

      Ich stehe am Fenster und betrachte den Sternenhimmel. In der Villa meiner Großmutter habe ich das oberste Stockwerk ausgebaut wie ein Planetarium. Über mir eine Glaskuppel. Um mich herum riesige Fenster. Ich stehe an einem dieser Fenster ganz allein. Ich und das Weltall. Das Weltall und die Vergangenheit. Die Vergangenheit und das Leben. Das Leben und der Tod.

      Meine verstorbene Großmutter ist wieder im Raum. Sie ist zurückgekehrt, um mir die Hand aufzulegen und mir zu verzeihen. Mein Vater ist da und spielt wieder Cello, meine Mutter sitzt am Webstuhl und webt und webt, und dann sehe ich das Wohnhaus, wieder in „Vierundzwanzig Höfe“ am höchsten Punkt des Hügels – und ich sehe die schneebedeckten Berge hervortreten aus der Dunkelheit. Weiß leuchtet der Schnee und blutrot war der Himmel über dem Tal, als die Sonne aufging. Der Tag bricht an. Xavelia kommt.

      Sie ist angemeldet zum Probewohnen. Sie trägt einen rotweiß karierten Koffer in der rechten Hand und in der linken Hand einen offenen Korb mit einem Kaninchen. Ich soll das neue Mädchen empfangen. Ich bin sehr gespannt. Die Begrüßung neuer Schüler und Schülerinnen ist im Allgemeinen schon ein Grund leichter Anspannung. Wer kommt? Welche Persönlichkeit bringen die Neuen mit? Wie leben sie sich ein? Welche neuen Erfahrungen werden wir miteinander machen? Auf welche Art und Weise wird sich unser Zusammenleben ändern? Denn jeder Mensch bringt eine solch individuelle und einzigartige Lebensgeschichte und seinen einmaligen Charakter mit, der niemals ersetzbar oder austauschbar ist. Ich spürte aber zusätzlich zu diesen Fragen sofort, dass mich die neue Schülerin tief beeindruckte, ja faszinierte.

      In Erinnerung ist mir alles gegenwärtig. Ich sehe ihre schöne Gestalt, ihren stolz aufgerichteten Nacken, ihren forschenden, abwartenden, angstfreien Blick. Sie geht keinen Schritt auf mich zu. Sie bleibt mitten im Hof, vor dem Auto, das sie hergebracht hat, stehen und wartet. Sie ist noch nicht gewillt, ihre langen Beine in Bewegung zu setzen. Deshalb muss ich gehen. Ich, Berret. Ich bewege mich langsam und bedächtig auf sie zu. Sie erinnert mich an einen Stern mitten im Weltall, und um sie herum die anderen Sterne Lichtjahre entfernt. Sie leuchtet. Aber sie weiß es vermutlich nicht. Ich befürchte, dass sie gleich wieder verschwindet wie eine Fata Morgana, sich umdreht und in das Auto einsteigt, zuerst den Koffer hineinschubst, dann sich selbst hineinsetzt, das Kaninchen im Korb auf dem Schoß.

      Ich gehe einen Schritt auf sie zu, bleibe stehen. Warte. Gehe noch einen Schritt. Warte. Gehe zwei Schritte, warte lange. Dann macht Xavelia ihren ersten Schritt in Richtung ihres neuen Lebens hier bei uns. Ich habe gewonnen. Sie kommt mir entgegen. Langsam. Das Kaninchen im Korb zittert. Am Auto, an den alten Mercedes angelehnt, wartet ihr Begleiter, ein Herr Anfang sechzig. Er wacht über sie und ihre Schritte. Bleibt sie? Ich wage ein Lächeln für sie. Ich gehe zwei Schritte, drei. Dann bin ich ihr so nahe, dass ich das Kaninchen berühren kann.

      Ich ziehe eines der Zuckerstücke aus meiner Jackentasche, die ich immer für die Pferde dabei habe. Ich frage Xavelia im Scherz: „Das frisst es wohl nicht“ und ich bin überrascht über ihre klare und feste Stimme und ihre nüchterne Antwort: „Gib den Zucker mal den Pferden! Bring bitte mein Kaninchen in das Gehege. Es will wieder seinen Freilauf. Die Reise war lang.“

      Xavelia hatte sich also entschieden zu bleiben. Sie ging neben mir zum Gehege und wir ließen das Kaninchen frei. Sie kraulte ihm noch ein wenig das Fell und schon hüpfte es vorsichtig ins Gras davon. Sie reichte mir ihren Koffer und schwieg. Erspüren musste man, was sie wollte, sich einfühlen. Das war die Bewährungsprobe für sie: ob man über die Dinge schweigen konnte und sich trotzdem verständigen.

      Ich nahm den Koffer und zeigte ihr das Zimmer. Ich ging voran, aber wenn ich mich umdrehte, sah ich, dass sie mir folgte. Sie folgte mir auf leisen Sohlen. Sie richtete sich häuslich ein und saß schweigend mit uns abends am Tisch. Dort würden wir nach den Ferien bald etwas mehr als zwanzig Personen sein: meine Eltern und ich, zwei Erzieherinnen und die Schülerinnen und Schüler. Sie wohnten mit uns. Sie waren uns anvertraut. Dort saß nun auch Xavelia und nahm ihre samtenen Augen bald nicht mehr von mir. Ich war immer noch der Prinz des Hauses. Der Hoffnungsträger. Als kleiner Junge der Liebling der Eltern, das Lieblingsspielzeug der Schwestern, der Seelenverwandte meiner Großmutter, die schützend bis zum letzten Atemzug die Hand über mich hielt, der glänzende und sprachgewandte Lieblingsschüler und so weiter und so fort. Deshalb war es für mich nichts Außergewöhnliches, dass Xavelias Blick so oft auf mir ruhte.

      Die Tage und Wochen vergingen. Xavelia hatte sich ohne viele Worte eingelebt. Am Morgen besuchte sie die Schule, am Nachmittag fand man sie bei den Tieren. Vielleicht wäre auch gar nichts СКАЧАТЬ