Название: Chefvisite. Die unerwartete Rückkehr des Auferstandenen
Автор: Albrecht Gralle
Издательство: Автор
Жанр: Юмористические стихи
isbn: 9783961400041
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War es Absicht, dass er sich so im Türrahmen breit machte, damit Ansgar nicht in das Innere des Hauses blicken konnte?
„Ja?“, fragte der Schlipsträger, und seine Augen bewegten sich rasch hin und her, als wolle er sich vergewissern, dass ihn niemand beobachtete.
„Guten Tag, Herr …?“
Der Mann reagierte nicht.
„Und? Was wollen Sie?“
„Ich bin ihr Nachbar von gegenüber“, sagte Ansgar, „und habe neulich den Ball auf der Straße gefunden. Und da dachte ich mir, er könnte vielleicht Ihren beiden Mädchen gehören.“
Absichtlich ließ er den Ball fallen, sodass er in den Flur rollte und der Mann gezwungen war, sich danach zu bücken.
„Oh, Entschuldigung – ist mir aus der Hand gerutscht.“
Ansgar nützte die Gelegenheit, um einen Blick in den Flur zu werfen.
Was er erkennen konnte, war ein völlig funktionaler Flur. Keine Garderobe, kein Spiegel. Eine Glühbirne hing von der Decke, obwohl die Leute schon seit Wochen darin wohnten.
Der Mann hatte den Ball aufgehoben und gab ihn mit einem mechanischen Grinsen zurück.
„Vielen Dank, der Ball gehört uns nicht.“
„Aber vielleicht wollen Sie die Mädchen fragen, ob er nicht doch ihnen …?“
„Die Mädchen spielen gar nicht mit einem Ball. Sie … sie haben andere Spiele.“
„Ach so“, meinte Ansgar, „na dann …“ Plötzlich kam ihm eine Idee: „Wollen Sie nicht mal einen Nachmittag mit den beiden herüberkommen und mich besuchen? Meine Enkelin ist auch gerade da. Sie ist im ähnlichen Alter. Dann können wir auf eine gute Nachbarschaft anstoßen?“
Der Mann blickte Ansgar an, als sei er nicht ganz bei Trost.
„Nein, vielen Dank, wir sind sehr beschäftigt und legen keinen Wert auf eine enge Nachbarschaft. Auf Wiedersehen!“
Die Tür fiel ins Schloss, und Ansgar stand verblüfft mit dem Ball in der Hand davor.
Auf jeden Fall, dachte er, als er in Gedanken zu seiner Wohnung zurückging, ist das kein übliches Wohnhaus. Irgendetwas Merkwürdiges geht hier vor.
Er hängte den Mantel an den Haken und ging in die Küche. Zeit, das Essen vorzubereiten. Heute hatte er sich entschlossen, Maultaschen zu kochen. Die Brühe machte er aus einer Instantpackung, schnitt drei Mohrrüben und eine Stange Lauch klein und legte die Maultaschen, die es fertig zu kaufen gab, in die brodelnde Brühe.
Zehn Minuten sollten sie nur leicht kochen, und dann würde alles von selbst gar werden. Das ideale Gericht für ihn. Und Frida mochte es auch. Die Röstzwiebeln aus Dänemark streute man darüber, wenn die Maultaschen im Teller schwammen.
Kurz nach halb zwei kam Frida. Er hatte ihr einen Schlüssel gegeben, weil das Haus keine Sprechanlage hatte.
Sobald sie zur Tür hereinkam, änderte sich die Stimmung in der Wohnung. Sie brachte Wind und Sonne mit.
„Es riecht nach Maultaschen in der Brühe!“, rief sie und warf ihre Schultasche in die Flurecke.
„Richtig!“, nickte ihr Opa und sagte: „Hände waschen, und dann wird gegessen.“
Frida war ein Einzelkind. Ansgars Tochter Uta und ihr Mann Sören hätten gerne noch mehr Kinder gehabt, aber es war bei diesem einen Kind geblieben. Manchmal schien es ihm, als ob sich alle Energie in diesem Mädchen geballt hätte. Frida war aber deswegen nicht unruhig. Manchmal konnte sie stundenlang konzentriert bei einer Bastelei sitzen oder ein Buch lesen, aber wenn sie von irgendetwas gepackt war, dann sprühte sie förmlich vor Unternehmungsgeist.
Ihre Frisur änderte sie fast jeden Tag. Die halblangen schwarzen Haare konnte sie in alle möglichen Formen bringen. Heute trug sie Pferdeschwanz.
Ansgar stellte den dampfenden Topf auf den Tisch, neigte seinen Kopf und betete: „Komm, Herr Jesus, sei du unser Gast und segne, was du uns bescheret hast.“
„Amen!“, rief Frida und plapperte gleich los: „Was hast du denn heute so gemacht, Opa?“
„Na ja“, brummte er, „ehrlich gesagt nicht viel. Ich war einkaufen, hab mich kurz mit den neuen Nachbarn unterhalten, etwas gelesen und für uns gekocht. Weißt du, bei mir geht alles etwas langsamer und gemütlicher ab. Und du?“
Frida zerteilte eine Maultasche mit dem großen Löffel und steckte den einen Teil genießerisch in den Mund.
„Deutsch, Englisch, Mathe, Bio. Uff! Ich finde, im Gymnasium muss man irgendwie mehr lernen als in der Grundschule.“
„Klar“, nickte ihr Großvater. „Das schaffst du nicht mit Links.“
Sie löffelten eine Zeitlang stumm die Maultaschensuppe. „Du, Opa?“
„Ja?“
„Warum beobachtest du denn so genau das Haus gegenüber?“
Ansgar erstarrte. Er durfte sich jetzt nichts anmerken lassen.
„Mich interessiert eben die neue Nachbarschaft.“
„Und warum fotografierst du das Haus und die vielen Mädchen?“
„Woher weißt du das?“
„Hm, du weißt ja, ich bin total neugierig. Und als ich heute Nacht aufgewacht bin, habe ich ein bisschen herumgeschnüffelt und deinen Ordner entdeckt.“
Ansgar überlegte. Sollte er Frida von seinen Vermutungen erzählen? Warum eigentlich nicht?
„Na gut, dann kann ich es dir auch erzählen … Jedenfalls, in dem Haus gehen seltsame Dinge vor. Erstens: Es ist zu perfekt. Zweitens: Die Nachbarn sollen den Eindruck haben, dass eine ganz normale Familie mit zwei Mädchen in dem Haus wohnt, aber in Wirklichkeit sind es bisher vier Mädchenpaare, die alle ähnlich aussehen. Jeden Tag kommen neue, mittags und morgens.“
Ansgar schwieg und sah Frida an. Schließlich sagte sie: „Ja, das habe ich bei den Bildern auch gemerkt. Und weißt du, was ich denke?“
„Nein.“
„Ich denke, wir sind hier, um herauszufinden, was da los ist.“
Ansgar grinste. „Aha, so einfach ist das!“
„Klar“, nickte Frida. „Uns ist es aufgefallen, und deswegen müssen wir es auch herausfinden.“
Ansgar überlegte und sagte dann: „Ich hab übrigens heute unter einem Vorwand da drüben geklingelt, um einen Blick in das Haus zu werfen.“
„Und?“
„Es СКАЧАТЬ