Über den Missouri. Liselotte Welskopf-Henrich
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Название: Über den Missouri

Автор: Liselotte Welskopf-Henrich

Издательство: Автор

Жанр: Исторические приключения

Серия:

isbn: 9783957840103

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СКАЧАТЬ style="font-size:15px;">      »Hau.«

      Ohne ein weiteres Wort verließen die beiden Indianer den Raum. Draußen im Hof war es dämmrig, der Abend brach schon herein. Ein paar umstehende Soldaten und Rauhreiter schauten mit unverhohlener Neugier nach dem entlassenen Gefangenen, und dieser hörte ihre Reden.

      »Kein Kunststück, den jetzt freizulassen. Dem sieht jeder an, dass er’s nicht mehr lange macht.«

      »Verdient hat er nicht, dass er überhaupt frei wird. Ich hab noch nicht vergessen, wie er den Leutnant Warner im Finstern niedergestochen hat.«

      Der Dakota unterdrückte seinen Husten.

      Tobias führte ihn in das Mannschaftshaus. Zwei Petroleumlampen erleuchteten matt den düsteren Raum. Der Delaware kramte an seinem Schlafplatz in der Ecke. Er gab dem Dakota von seinem Pemmikan, und ein flüchtiges Lächeln glitt über Tokei-ihtos Züge, als er seine alte Pfeife zurückerhielt.

      Die Mannschaften fanden sich am Abend schwatzend, rauchend und spielend in dem Blockhaus zusammen. Die meisten beachteten die beiden Indianer gar nicht, aber aus einer Gruppe alter Mannschaften, die die erbitterten Kämpfe um die Station noch mitgemacht hatten, flogen böse Blicke und feindselige Bemerkungen herüber. »Was soll das stinkende Schwein hier bei uns?« – »Vielleicht erzählt er uns mal, wie er George und Mike und die anderen ermordet hat!« – »Nehmt ihm doch das Feuerzeug weg, sonst fliegen wir heute Nacht noch einmal in die Luft!«

      Der Dakota ließ sich nicht anmerken, ob er verstanden habe. Der Delaware wollte einen Zusammenstoß, bei dem der entlassene Gefangene gelyncht werden konnte, vermeiden. »Gehen wir zu den Pferden!«, schlug er vor.

      Der Dakota erhob sich rasch, und die beiden Indianer verließen das Haus. Die Wache am Tor ließ Tobias mit seinem Begleiter durch. Vor dem Tor war eine Koppel, in der einige Tiere das braune Wintergras weideten. Nur ein falber Hengst stand mit gesenktem Kopf, ohne zu fressen. Der Dakota lockte leise. Der magere Falbe, dessen Fell die Spuren vieler Misshandlungen zeigte, hob den Kopf, spitzte die Ohren und war dann mit wenigen Galoppsprüngen an der Umzäunung. Er legte die weichen Nüstern an die Wange des einzigen Reiters, den er je auf seinem Rücken geduldet hatte, und der Dakota streichelte ihm den Hals.

      Die Indianer verständigten sich mit einem Blick. Tobias nahm die Stangen am Koppelausgang heraus, und die beiden holten sich ihre Tiere.

      Sie ritten in die Prärie hinaus. Weit über das Land zu blicken, das war ein erster Wunsch des Befreiten.

      Als die Reiter die Station so weit hinter sich gelassen hatten, dass sie von dort nicht mehr gehört und gesehen werden konnten, machten sie halt. Der Dakota musste den Falben scharf zügeln, denn das Tier wollte stürmisch weiter in die Freiheit und zu den ihm bekannten Prärien im Südwesten ausbrechen. Feine Schneekristalle huschten mit ihrem schnell aufblitzenden und wieder versinkenden Schimmer durch die Lüfte. Zwischen den Wolken flimmerten Sterne, fern wie seit Tausenden und Abertausenden von Jahren. Der Vollmond, Herr der Nacht, zog kreisrund am Himmelsgewölbe empor. Feierlich wanderte er durch die Finsternis und erhellte sie mit einem drohenden roten Schein. Rings lag das leere Land. Seine Söhne, die Dakota, waren vertrieben, und noch hatte keiner der neuen Herren Lust gezeigt, sich in der unfruchtbaren Wildnis niederzulassen. Endlich schweifte der Blick über kahle Sandhügel, über von kurzem Gras bewachsene Höhenkämme und Täler. Am Flussufer neigten sich spärliche Weiden im Atem der Nacht.

      Der Häuptling sah zum letzten Mal seine große Heimat. Am nächsten Morgen sollte der Ritt zur Reservation beginnen.

      Er öffnete die Lippen, und leise und dumpf begann sein Klagelied über die weite Steppe zu tönen. Der Klang mischte sich mit dem rauhen Singen des Windes.

      Lange und einsam sang der Häuptling, immer wieder von Husten unterbrochen, und der heimatlose Delaware hörte in dem Lied des Dakota die eigene Klage.

      Da war es, als habe das Lied des Indianers den schlafenden Boden geweckt. Von einem der mondbeschienenen Hügel hob sich ein fremder Schatten. Es war ein Wolf, anders als andere Wölfe, größer und dunkel. Das magere Tier mit seinem geöffneten Rachen und den gleißenden Augen erschien wie ein Spuk, der sich erheben und durch die Lüfte davonfahren kann. Aber er blieb am Boden haften, und langsam, Schritt für Schritt, kam er heran, immer näher zu dem dumpfen Klageton, der dem Wind und den Wölfen von den Taten der Dakota und ihrem Schicksal erzählte.

      Der Häuptling hatte den Wolf erkannt. Aber er rührte sich nicht. Leise sang er weiter, und seine Stimme zog das Tier heran wie ein mächtiger Zauber. Knurrend noch, mit gefletschten Zähnen schlich der Schwarze herbei. Endlich traten seine Pfoten am Platz das Gras. Sein Knurren ging in Winseln über, und er legte sich.

      Als der Häuptling schwieg, stieß das Tier einen bellenden Laut aus. Unaufhörlich zog seine feine Nase die Witterung ein.

      »Ohitika!«

      Der Hund sprang den Dakota an, so dass dieser sich einstemmen musste, um nicht umgeworfen zu werden. Laut jaulte das Tier auf. Der Falbe hatte den schwarzen Wolfshund auch erkannt. Er schnaubte und begann, an dem dürren Gras zu rupfen.

      »Nun frisst er wieder«, sagte der Delaware.

      Spät ritten die Indianer zu der Station zurück. Sie blieben außerhalb der Palisaden in der Koppel bei den Pferden. Die Wache kümmerte sich nicht um sie.

      Der Delaware gab dem Dakota den zweischneidig geschliffenen Dolch mit dem geschnitzten Griff zurück. »Hier«, sagte er, »das ist die einzige erlaubte Waffe für dich. Ich habe sie aus Oberst Jackmans Gepäck herausgenommen, als er die Station verließ. Er wird es erst in der Garnison bemerkt haben und konnte nicht mehr nachforschen.«

      Der Dakota steckte die vertraute Waffe in die Scheide.

      Noch ehe die Angehörigen der Garnison am nächsten Morgen erwachten, standen die beiden Indianer am Flussufer und legten die Kleider ab, um sich zu baden. Einer der Posten bei den Pferden kam zu ihnen her. Es war ein älterer Mann mit einem dichten Vollbart.

      »Lass das sein«, sagte er zu dem entlassenen Gefangenen. »Der Fluss ist eisig, und du bist krank. Willst du gleich krepieren, nachdem sie dich freigelassen haben? Komm rüber in das Blockhaus! Ich gebe dir warmes Wasser. Das geht keinen anderen dort was an!«

      Der Häuptling beantwortete und beachtete die Warnung nicht, sondern sprang in den Fluss und schwamm.

      »Hat man schon eine solche Unvernunft gesehen!« Der Vollbärtige schüttelte bedauernd den Kopf. »Die Wilden haben doch keinen Funken Verstand.«

      »Die Dakota kennen das nicht anders«, erklärte Tobias dem Mann. »Sie nehmen zwar Dampfbäder; aber das Ende ist immer das Schwimmen im Fluss.«

      »Das Ende, ja, richtig gesagt!« Der gutmütige Mann ging zu den Pferden zurück.

      Tobias sprang dem Dakota nach in die seichten Fluten. Dann rieben sich beide am Ufer mit Sand ab. Der Körper des Dakota schauerte im Fieber, und sein Herz kämpfte, aber als er allen Schmutz, wo es nicht anders ging, samt der Haut abgeschürft hatte, fühlte er sich wie ein Mensch, der aus der Folter entlassen ist. Der Delaware gab dem Dakota neue indianische Leggings und Mokassins und ein Gürteltuch. Der junge Häuptling nahm das alles. Aber seinen Wampumgürtel und den blutbesudelten Festrock gab er nicht her, sondern legte beides wieder an.

      Da die beiden Indianer unter sich waren, fragte der Dakota in seiner Muttersprache: »Wie konnte mein Name bis Washington dringen?«

      »Der Maler Morris, den СКАЧАТЬ