Название: Der ungeliebte Amadeus und andere Kriminalgeschichten
Автор: Dietmar Hann
Издательство: Автор
Жанр: Зарубежные детективы
isbn: 9783957440921
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„Zwanzig, zwanzigtausend, Opi. Besser wären fünfundzwanzigtausend. Mama hätte mir sogar dreißigtausend überwiesen, aber für die Maklerprovision würden mir zwanzig… äh, fünfundzwanzigtausend erst einmal reichen.“ Kathrin begann erneut herzzerreißend zu schluchzen: Nein, nein, nein, nicht einmal vom besten Opi der Welt könne sie so einen großen Liebesdienst annehmen, und er hätte ja auch nur seine bescheidene Rente … Ach, am besten wäre es, sie ginge wieder zurück nach „Austrälia“. Huhhuhhuh!
Einen Moment hatte sich Werner darüber gewundert, wie perfekt seine Enkelin bereits nach so kurzer Zeit die deutschen Zahlwörter beherrschte und sogar akzentfrei aussprach. Wenn Kathrin Zahlen so am Herzen liegen, freute er sich, wird sie bestimmt mal eine großartige Geschäftsfrau. Und deshalb sagte er ihr die Fünfundzwanzigtausend zu. Er bekomme ja Pension und damit sei eine solche Hilfsaktion innerhalb der Familie schon mal für kurze Zeit zu verkraften. Kathrin überhäufte ihn mit Dankes- und Lobeshymnen und Werner sonnte sich darin.
Ach sooo, fiel ihr plötzlich ein, eine Überweisung sei ja leider noch gar nicht möglich und sie könne das Geld dummerweise auch nicht persönlich von ihm abholen, sie müsse doch in „Börlinn“ bleiben, um zu verhindern, dass der gierige Makler die Räume an andere vermiete. Aber zum Glück habe sie bereits eine deutsche Freundin gefunden, der sie blind vertrauen könne. Die würde sich morgen Vormittag mit ihm in Verbindung setzen und das Geld abholen.
„Ach Opi, ai law ju sooo!“, hatte sie zum Schluss ins Telefon gehaucht, noch drei Küsse hinterhergeschmatzt und aufgelegt, ehe er ihr sagen konnte, dass er sie für etwas leichtsinnig halte.
Werner schmiss den Kugelschreiber hin, zerknüllte sein Manuskript und schaute zum x-ten Mal nervös auf die Uhr. Schon halb elf, warum meldete sich die dämliche Tussi nicht? Würde die erst anrufen, wenn Helga oder Frank zu Hause wären, käme er in arge Erklärungsnot. Verdammt, wenn er doch bloß Kathrins Telefonnummer hätte, dann könnte er schnell mal nachfragen. Aber vielleicht …
Das Telefon bimmelte. Werner bekam einen derartigen Schreck, dass ihm das Gerät beinahe aus der Hand gefallen wäre. Kathrins Freundin war am Apparat und entschuldigte sich für den verspäteten Anruf, aber sie sei wegen eines blöden Staus auf der Autobahn gerade erst in der Stadt angekommen. Sie wolle nur schnell eine Kleinigkeit essen und warte in einer halben Stunde vor der Sparkasse auf Herrn Gattermann. An der Motorradkleidung und an den langen blonden Haaren könne er sie erkennen. Er möge sich aber bitte, bitte beeilen, sie müsse doch pünktlich zur Übergabe der Provision wieder bei ihrer Freundin Kathrin in Berlin sein. Es käme auf jede Minute an. Bis gleich. Knack, tut, tut, tut …
Werner Gattermann verließ die Sparkasse mit einem prall gefüllten Kuvert in der Brusttasche und mit einem mulmigen Gefühl im Bauch. So viel Bargeld hatte er noch nie mit sich herumgeschleppt. Ihm war bewusst, wie unvernünftig er sich verhielt. Und das nicht nur, weil er sich vor zwei Stunden mit dem Thema „Senioren und ihr liebes Geld“ befasst hatte. Auch unabhängig davon war es für ihn selbstverständlich, als alter Mensch größere Beträge niemals ohne Begleitung abzuheben. Aber wen hätte er mitnehmen sollen? Helga? Unmöglich! Die war erstens noch nicht eingeweiht und saß zweitens beim Friseur. Oder Frank? Um Gottes Willen! Dieses arbeitsscheue Element durfte auf keinen Fall Wind von der Höhe seiner Ersparnisse kriegen. Der würde doch glatt die Jobsuche aufgeben und ihn in Zukunft nur noch anschnorren.
Damit das Abheben des Geldes schnell und möglichst unauffällig vonstattengehen konnte, hatte Werner gestern noch die Überweisung der Summe vom Sparkonto aufs Girokonto veranlasst. Und glücklicherweise war er heute der einzige Kunde im Schalterraum gewesen, sodass er nicht befürchten musste, von Betrügern beobachtet zu werden. Er klopfte zweimal auf die Stelle, wo der Geldumschlag an seinem Herzen ruhte, und sah sich misstrauisch nach allen Seiten um. Aber auch hier drohte keine Gefahr, der Platz vor der Sparkasse war menschenleer. Nur eine junge Frau in Motorradkleidung stand etwas abseits und rauchte. Ihre langen blonden Haare strahlten förmlich im Sonnenlicht. Das musste Kathrins Freundin sein.
„Herr Gattermann?“, fragte sie, als er zwei Schritte vor ihr stand, und trat die Zigarette aus.
„Der bin ich“, nickte er. „Und Sie sind …?“
„Julia Bienert, die Freundin Ihrer Enkelin Kathrin. Kathrin hat mir schon so viel von Ihnen erzählt. Ehrlich gesagt, hab ich Sie mir älter vorgestellt und nicht so rüstig und flott.“ Sie streckte ihm die Hand entgegen. „Haben Sie das Geld?“
Er ergriff ihre Hand. „Guten Tag erst mal. Danke, man tut, was man kann. Und wie geht‘s Kathrin?“
„Oh, soweit ganz gut.“ Julia sah ihn an. „Aber richtig super wird es ihr erst gehen, wenn sie den blöden Makler bezahlen und das Modestudio eröffnen kann.“ Sie schaute auf die Uhr und zog die Stirn in Falten. „Ich würde ja gern noch einen Kaffee mit Ihnen trinken und ein bisschen plaudern, aber ich muss jetzt wirklich los. Noch so einen Stau wie vorhin und Kathrins Träume sind ausgeträumt.“
„Um Gottes willen, bloß das nicht!“ Werner holte eilig das Kuvert aus der Brusttasche, reichte es Julia und sah ihr dabei prüfend in die Augen. „Ich kann mich doch hundertprozentig auf Sie verlassen, oder? Mit so viel Geld unterwegs zu sein, ist nicht ganz ohne. Bis Berlin ist es schließlich kein Katzensprung.“
„Keine Angst, ich pass‘ schon auf mich auf. Und auf das Geld natürlich auch!“ Julia öffnete den Reißverschluss ihrer Motorradkluft und stopfte sich den Umschlag unters T-Shirt ins Dekolleté. „Hier ist es vor unbefugtem Zugriff absolut sicher“, sagte sie und lächelte ihn an.
Strammes Mädel, dachte Werner. Sehr hübsch. Und dieses Lächeln, einfach bezaubernd. Es wird schon alles gutgehen. Er folgte ihr zum Motorrad, das seinem Wagen fast gegenüber geparkt war.
„Na dann“, sagte Werner und reichte ihr die Hand, „kommen Sie pünktlich und heil in Berlin an. Und grüßen Sie Kathrin von mir.“
„Ach, Herr Gattermann“, rief Julia, während sie den Motorradhelm wieder abnahm, den sie sich gerade erst übergestülpt hatte. Sie schüttelte die blonde Mähne und schlug sich die flache Hand vor die Stirn: „Jetzt hätte ich es doch beinahe vergessen. Ich soll Ihnen natürlich von Kathrin vielen herzlichen Dank sagen. Sobald sie Zeit hat, will sie ihren lieben Opi besuchen und ihn persönlich drücken und küssen. Für heute müssen Sie mit mir vorliebnehmen.“ Sie legte den Arm um Werners Hals, drückte ihn fest an sich, sodass er nicht nur ihre Brüste, sondern auch das Geldbündel spüren konnte und küsste ihn schmatzend auf beide Wangen.
Puuuh, dachte Werner, als er zu seinem Wagen ging, ist zwar sympathisch und sieht klasse aus, stinkt jedoch mächtig nach Zigarettenqualm. Genau wie mein vermaledeiter Schwiegersohn.
Plötzlich drehte er sich noch einmal um und rief Julia zu: „Kathrin soll mich anrufen, wenn alles geklappt hat!“ In dem Moment streifte sein Blick ihr Nummernschild. Aber … wieso hatte das … ein ortstypisches und kein … Berliner Kennzeichen? Julia wohnte doch in Berlin und nicht in diesem Kaff hier. Wie hätte sie sonst Kathrin kennenlernen sollen? Hier war doch was faul! Werner lief zu Julia zurück, die bereits auf dem Motorrad saß und es gerade startete.
„Ist noch was?“, rief sie, als er neben ihr stand.
„Nur eine Kleinigkeit: Würden Sie bitte noch mal absteigen und mir Ihren Ausweis oder Führerschein zeigen?“
„Hab ich etwa falsch geparkt?“ Julia wurde blass, dann lachte sie: „Aaah, verstehe: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser! Na ja, bei so viel Geld auch logisch. Warten Sie …“ Doch anstatt abzusteigen und ihre Papiere zu zücken, gab sie Gas und brauste СКАЧАТЬ