Название: Der ungeliebte Amadeus und andere Kriminalgeschichten
Автор: Dietmar Hann
Издательство: Автор
Жанр: Зарубежные детективы
isbn: 9783957440921
isbn:
Er seufzte. Wenn Rosalie wüsste … Natürlich dachte er an seine Liebste. Tag und Nacht sogar. Aber eben nicht an Rosalie, denn seine Liebste hieß Melanie.
Melanie war ganz anders gestrickt als seine Frau. Die störte es nicht, dass er rauchte, sie war selbst Raucher. Oder sagte man ‚Raucherin‘? Egal! Frank zog eine weitere Zigarette aus der Schachtel. Wenn die Biester bloß nicht so verflucht teuer wären! Und immer teurer würden!
Melanie nahm keinen Anstoß, wenn seine Fingernägel nicht ganz sauber waren oder wenn er nach Benzin und Öl roch. Melanie brauchte kein Sportcoupé, die fuhr leidenschaftlich gern Motorrad. Und von Motorrädern und Autos verstand er ‘ne Menge. Da machte ihm so leicht keiner was vor. Und da, verdammt noch mal, konnte er im Gegensatz zu daheim jederzeit mitreden. Nein, Melanie kam ihm nicht mit offenen Ratschlägen, geheimen Räten oder mit Goethe und Konsorten. Sie war genau wie er ein durch und durch praktisch veranlagter Mensch. Und sie sah verdammt gut aus. Obwohl sie rauchte. Von wegen grauer Haut!
Die beiden hatten sich vor zwei Monaten auf der Arbeitsagentur kennengelernt. Sie verstanden sich auf Anhieb, sodass sie anschließend noch zwei Stunden auf der Parkbank weiterplauderten. Für den Abend hatten sie sich in der Kneipe verabredet, gingen aber schon nach dem ersten Bier zu ihr auf die Bude, weil sie sich mehr nach Taten als nach Worten sehnten. Frank hatte kein Problem damit, dass sie vom Alter her seine Tochter hätte sein können. Und Melanie störte es nicht, dass es noch eine Rosalie und zwei Kinder gab. Sie hatte auch nichts dagegen, dass er weiterhin mit seiner Frau schlief. Schon allein, damit diese nicht misstrauisch wurde.
Sie trafen sich von da an mehrmals in der Woche gleich vormittags nach dem Agenturbesuch. Und zwar bei ihr zu Hause. Wenn sie schon keine Arbeit hatten, wollten sie wenigstens Spaß haben. Darin waren sich beide einig.
Frank hatte immer das ungute Gefühl, er könnte sich mit seinem häufigen Fernbleiben zu Hause verdächtig machen. Tatsächlich hatte Werner schon die eine oder andere Spitze losgelassen, wenn Frank vormittags das Haus verließ. „Brav Schwiegersohn. Wer sucht, der findet auch. Muss ja nicht unbedingt Arbeit sein …“ Oder: „Helga, der Streber rennt schon wieder zur Agentur. Wenn der mal nicht Agent werden will. Fränk Null-Null-Null, das klingt doch mächtig gewaltig, hahaha!“
Die Sticheleien nervten Frank. „Ach Melanie“, seufzte er, „warum ist nicht alles so herrlich easy wie mit dir?“
„Feierabend!“ Frank war unbemerkt an den Spieltisch getreten. „Morgen ist Freitag. Eileen, Rosalie, ihr müsst früh raus zur Schule! Etwa vergessen?“ Beide schauten entsetzt auf die Uhr, es ging tatsächlich bereits auf Mitternacht zu. Eileen sprintete ins Bad.
Frank packte seine Frau derb am Oberarm: „Los, ab ins Bett!“ Rosalie ließ die Karten fallen und ließ sich willig in Richtung Wohnung schieben. Kurz bevor sie hinter der Tür verschwand, kniff sie ihrem Mann in den Po.
Werner schüttelte den Kopf. „Was die bloß an dem findet, möcht ich wissen. Haste ihre Augen leuchten sehn, Mutter? Und gleich geht das Geschreie, Gejammere und Gestöhne wieder los. Und wetten? Morgen früh hat sie überall blaue Flecke. Ich kapier das nicht, sonst durch und durch autoritär, aber im Bett ’ne gefügige Sklavin. Wo hat Rosalie das bloß her?“
Helga sagte nichts. Sie hatte gerade die Punkte auf dem Notizblock addiert und grämte sich, die Verliererin des Abends zu sein. Wäre sie doch bloß zum Handarbeitszirkel gegangen.
Das Telefon hörte nicht auf zu bimmeln.
„Bist du taub, Helga? Geh endlich ran, ist doch sowieso für dich!“, brüllte Werner in Richtung Flur, ohne das Blättern in seinen alten Fachzeitschriften zu unterbrechen. Es war nicht zu fassen, schon zum dritten Mal durchforstete er die Inhaltsverzeichnisse, konnte aber nicht finden, wonach er suchte. Irgendwo musste doch dieser … dämliche Artikel … sein!
Das Telefon verstummte. Werner atmete auf, grinste breit und trällerte vor sich hin: „Nix-Ge-duld, sel-ber-schuld! Nix-Ge-duld …“
Schließlich warf er die Zeitschrift wütend auf den Tisch. Bei diesem Dauergebimmel war ihm nun auch die Geduld vergangen. Und dass er bei dem herrlichen Wetter draußen hier drinnen Fachliteratur wälzen musste, daran war er sogar noch selbst schuld. Warum hatte er sich beim letzten Skatabend mit den Exkollegen bloß breitschlagen lassen, ein Seminar zur Verbrechensverhütung abzuhalten. Dazu noch für Senioren. Er als Ruheständler? Wie blöd muss man eigentlich sein! Wahrscheinlich hatte er schon ein Bier zu viel intus, als er seinem ehemaligen Chef großspurig zusagte. Und nun hatte er den Salat, musste suchen und konnte nicht finden.
Das Telefon bimmelte wieder.
„Helll-gaaa!“, schrie Werner durchs Haus, aber nichts rührte sich. Jetzt erst merkte er, dass außer ihm niemand daheim war. Er schlug sich die flache Hand vor die Stirn: Mensch, stimmte ja, Helga hatte einen Termin beim Zahnarzt, Rosalie und die Kinder waren in der Lernfabrik und sein Schwiegersohn, dieser Arbeits-Loser, machte sich mal wieder einen schönen Tag auf der Jobagentur.
„Jajajaaa, ich komm ja schon!“ Werner hatte sich aufgerappelt und schleppte sich in Richtung Flur.
„Ich höre!“, knurrte er unwirsch in die Sprechmuschel und lauschte, während er langsam ins Wohnzimmer zurückschlurfte.
„Oh, hello, ich sprechen wiss Mister Wörnör Gät-te-männ in Dschörmännie?“
„Nein, Sie sprechen mit Wer-ner Gat-ter-mann. Ünd wör sünd Sü?“
„Oh, säts wanderfull. Aim so häppi. Pließ raten mal, wer hier sprechen?“
Werner runzelte die Stirn. Sollte das etwa eine Telefonverarsche werden? Hoffentlich keine vom regionalen Rundfunksender! Das hätte ihm gerade noch gefehlt, dass morgen die halbe Stadt über ihn lachte.
„Hör’n Sie, ich habe keine Lust auf Ratespiele. Und falls das ein Trick sein sollte, alte Leute umfragewillig zu quatschen, sind Sie bei mir an der falschen Adresse. Werner Gattermann lässt sich nicht aushorchen! Und Wein will er auch nicht kaufen und Finanzberatung braucht er keine, schon gar nicht aus‘m Ausland. Nehmen Sie’s nicht persönlich, baibai!“
„Stopp, stopp, nicht auflegen. Hier spricht deine Enkelin …“
„Eileeen? Was soll der Quatsch! Lernt man neuerdings in der Penne, seinen Großvater zu verarschen, oder was ist los?“
„No, no, nooo! Aim not Eileen, hier is Austrälia … hello Grändfaaser, no, no, wie sagt man in dschörmän, oh jess: hallo Opa!”
Werner schluckte, kratzte sich den Kopf und räusperte sich.
Australien? Enkelin? Dann müsste das ja … theoretisch … eine Tochter von … Anke …
„Hör’n Sie! Machen Sie mit einem alten Mann nicht solche Scherze. Woher wissen Sie überhaupt, dass ich Verwandte in Australi…“ Er räusperte sich. „Die haben noch nie angerufen, warum …“
„Ach Ooopa, mai dier, dier dschörmän Opi, hier is …, na … na? Hu is hier?“
Werner wischte sich den Schweiß von der Stirn. Das konnte nicht wahr sein, ein erster Kontakt nach so vielen Jahren?
„Ähm, … Marie?“
„No, СКАЧАТЬ