Название: Auf Wiedersehen, Bastard! (Proshchay, ublyudok!) 3 – Showdown in Kroatien
Автор: Tino Hemmann
Издательство: Автор
Жанр: Триллеры
isbn: 9783957440648
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»Was ist blyad’, Papa?«, fragte Anton erneut.
Fedor flüsterte in sein Ohr: »Blyad’ ist russische Scheiße. Aber das sagt man nicht.«
Nun gerade. »Blyad’! Blyad’! Blyad’! Blyad’!«, rief Anton und zeigte kichernd seine klitzekleinen Milchzähne. Und noch einmal: »Blyad’!«
In diesem Moment gab Natascha dem Brüderchen mit dem Handrücken einen derben Schlag gegen die Stirn und rief höchst erzieherisch: »Mann, Anton, das sagt man nicht!«
Sorokin wusste, was nun folgen würde. Zehn Sekunden lang schwieg Anton und atmete nicht. Dann klappte die untere Lippe um, sein Mund öffnete sich und ihm entfuhr ein bemerkenswert heftiges Brüllen, das nicht mehr enden wollte. Durch sanftes Kopfstreicheln versuchte Fedor, den Winzling zu beruhigen, welcher sich schließlich an den großen Stiefbruder kuschelte und nur noch schluchzte.
Dies war der Moment, da sich der Vater zu Wort meldete. »Danke, Natascha. Danke, Fedor. – Bringst du die beiden hoch und sagst Mama Bescheid, dass ich noch mal weg musste?«
»Klar doch.« Fedor verzog das Gesicht. Von der Bundesstraße bis zur Haustür waren es genau 378 Schritte bergauf. Das Einfamilienhaus der Sorokins stand weit abseits in der Leipziger Tiefland-Prärie, der kein Mensch solch eine Steigung zutrauen würde. Und spätestens nach zwanzig Schritten wollte Anton immer getragen werden. »Kein Problem, Papa. Wie lange wirst du weg sein?«
Sorokin zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung.« Dann hielt er direkt an der Bundesstraße, unmittelbar an der Auffahrt zum Haus. »Vielleicht dauert es gar nicht lange.«
Mit Küsschen verabschiedete sich Sorokin von seinen drei Kindern, dann brauste er davon, während Fedor Natascha an die rechte und Anton an die linke Hand nahm und den Aufstieg begann.
Der Langstock hing über Fedors Schulter. Für ihn hatte der Junge keine Hand frei. Außerdem kannte er in diesem gefühlte Millionen Mal gelaufenen Gebiet fast jeden Grashalm persönlich. Nur ein einziges Mal war Fedor hingefallen. Ein kleiner Maulwurf, fast ebenso blind wie er, hatte seinen Hügel ausgerechnet auf Fedors Schleichweg gebuddelt.
»Wenn du Anton immer haust, dann wirst du irgendwann wirklich in den Wald geschickt«, erklärte Fedor und drückte Nataschas Hand etwas fester. »So wie Gretel. Dann kommst du in den Backofen, auch ohne Knusperhäuschen.«
Natascha schwieg lange bedächtig. »Wirklich in den heißen Backofen?«
»Aber sicher. Dann wirst du braun gebrutzelt wie ein Brot.«
»Wie ein Brot!«, rief Anton kichernd.
Natascha sagte erneut lange Zeit kein Wort. »Ich will aber nicht in den Backofen!«, rief sie plötzlich.
»Dann darfst du Anton eben nicht mehr schlagen.« Fedor lächelte. Das Ziel war erreicht. »Wir schleichen uns rein und erschrecken Mama«, flüsterte er.
Damit waren die Kleinen selbstverständlich einverstanden. Geschickt und leise steckte Fedor den Schlüssel in den Zylinder und öffnete sanft die Haustür. Doch kaum war sie offen, da stürmte Anton los und rief unüberhörbar: »Chruchru, Mama! Wir sind da! Natascha hat mit mir Aua gemacht!«
Udbina, RSK
21. November 1994
Todor blickte sich nochmals um.
»Bitte, bitte! Pass gut auf dich auf, mein Junge!«, rief der Großvater ihm nach, der wie fast immer ein altes, abgewetztes Fell wegen seiner vom Rheuma geplagten Knochen trug. »Hörst du, Todor? Wenn die verfluchten Soldaten kommen, egal was für welche, dann versteckst du dich gut und gib bloß keinen Ton von dir! Hast du das kapiert, Todor?«
Während er bereits in die Pedale trat und mühevoll das Gleichgewicht auf dem für den Neunjährigen viel zu großen, klapprigen Drahtesel hielt, rief Todor zurück: »Da, da, Djede! Ich bin doch fast erwachsen!«
Es herrschte Krieg im Land. Lange Zeit konnte Todor nicht begreifen, warum das so war. Ihm wurde eingeredet, dass es in der Gegend viele Serben gäbe, das Land aber von Kroaten beherrscht würde, die von NATO-Soldaten im Auftrag der Vereinten Nationen unterstützt werden.
Als Todor nach dem Unterschied zwischen Serben und Kroaten gefragt hatte, konnte ihm niemand eine zufriedenstellende Antwort geben. Also sah er sich Niko und Kristina näher an, Geschwisterkinder, die mit ihm gemeinsam die Schule besuchten. Niko war knapp vierzehn und Kristina erst acht Jahre alt. Todor musste feststellen, dass sie weder anders aussahen noch dass sie sich anders verhielten als er. Und doch wurde Nikos Familie neuerdings von Todors Großvater fast abwertend als »elende faschistische Kroaten« bezeichnet.
»Das Schlimmste ist«, erklärte der Großvater, »dass Nikos Mutter zudem eine Muslime ist, die Nikos Vater eines Tages von einer Geschäftsreise mit nach Udbina schleppte.«
»Also ist Niko halb Kroate und halb Bosniake?«, fragte Todor.
Der Djede dachte einen Augenblick lang nach. Dann antwortete er: »Gewissermaßen … Ja, so ist es.«
»Bis jetzt hat aber niemand darüber gesprochen. Bis jetzt haben wir in der Schule gelernt, dass unser Land Jugoslawien heißt. Und plötzlich ist alles ganz anders. Das verstehe ich nicht.«
Der Großvater streichelte dem Jungen den Kopf. »Das ist nur, weil du noch so klein bist. Du kennst es nicht anders.«
Todor versuchte, all diese Neuigkeiten zu begreifen, was einige Stunden dauerte.
»Djede, warum sollen Niko und Kristina jetzt plötzlich anders sein als wir?«, fragte Todor am Abend, als er in seinem Bett lag und der Großvater wie immer ein kleines Gebet für den Jungen sprach.
»Es ist ihr Glauben, Todor, der sie anders macht«, sagte der Djede.
Damit schien er tatsächlich recht zu haben, denn Niko und Kristina besuchten eine andere Kirche als Todor. Sie glaubten zwar wie er an den lieben Gott, doch sprachen sie in einer katholischen Kirche mit ihm. Todor stellte allerdings fest, dass der alte Lehrer Bellic – angeblich selbst ein Serbe – den armen Niko in letzter Zeit nicht mehr so behandelte wie die anderen Schüler. Oftmals schrie er ihn wegen Lappalien an und bezeichnete ihn zudem als einen »hirnlosen Hosenwichser«, was Bellics Lieblingsschimpfwort war.
»Ist ein Jugoslawe ein Moslem, so ist er automatisch ein Bosniake«, erklärte der Großvater überzeugend. »Denn alle Katholiken sind Kroaten, sie glauben an den Papst und gehen in die römisch-katholische Kirche. Echte Serben aber folgen der orthodoxen Kirche, genau genommen der griechisch-orthodoxen Kirche. Ich und auch du – wir wurden nach der Taufe mit Myron und nicht mit Chrisam gesalbt, also sind wir Serben.«
Todor hatte lange überlegt. »Aber Djede, ob es nun Myron oder Chrisam war …« Dann fragte er: »Sie sind doch aber alle Jugoslawen, oder?«
»Mein Todor.« Djede streichelte seine Stirn. »Jugoslawien gibt es nicht mehr.«
»Ach, so ist das …« Der Junge machte sich zunächst Gedanken darüber, was wohl geschehen würde, wenn der Priester nach der Taufe einen serbischen Jungen versehentlich mit Chrisam einreiben würde. Wäre der Junge dann wegen einer Verwechslung plötzlich ein Kroate? Todor gähnte bei diesem Gedanken herzhaft und war schließlich СКАЧАТЬ