Название: Das Kartell der Skorpione
Автор: Mario Monteiro
Издательство: Автор
Жанр: Короткие любовные романы
isbn: 9783954883288
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Aber dort droben, hinter Baracken und Lehmbuden, zwischen stinkenden Abwasserrinnen und quietschenden Ratten, im Schlamm und Morast, den tagelange Wolkenbrüche herunterwälzten, wer hatte dort jemals von Alberto Cariaga gehört?
Der alte Mann im Bentley hauchte die Gläser an und rieb sie blank. Einen Grund, unzufrieden zu sein, hatte er nicht. Längst hatten sie erreicht, was sie erreichen wollten. Sie hatten die Stadt kleingekriegt. Selbst die eleganten Herren in importierten Luxuswagen hatten sich mit Cariagas Konzern zu arrangieren.
In Angst und Schrecken lebten Hunderttausende. Wer es sich leisten konnte, mied die Stadt und manches Hotel bettelte in seitenlangen Anzeigen um Gäste, die von Jahr zu Jahr seltener kamen. Internationale Unternehmen wanderten ab. Irgendwo draußen zwischen Sâo Paulo und Belo Horizonte, vielleicht bei Recife oder hinter Curitiba glaubte man sicher zu sein. In den Chefetagen der Banken zermarterten sie ihre Köpfe. Cariaga schmunzelte. Die millionenschweren Kunden mit sauberem Geld, das in der Rezession knapp und knapper geworden war, verschwanden fast über Nacht. Selbst in den Kreditinstituten war man plötzlich auf das Kartell angewiesen, auf die Millionen, die aus dem Rauschgiftgeschäft sprudelten, die Stapel von Dollar aus kleinen und großen Erpressungsmanövern, aus Schutzgebühren und Entführungsdividenden.
Hunderte von Millionen, von denen die Zentralbank nichts ahnte. Und wer etwas wusste, hielt seinen Mund. Riesensummen lagen auf Konten von Menschen, die nie gelebt hatten, angelegt im Namen von Firmen, die nicht existierten. Schmutziges Geld für Belohnungen an folgsame Polizeibeamte, Prämien für Richter, die nicht aburteilten, Wahlgeschenke an Abgeordnete, auf deren Unterstützung man sich beim nächsten Gesetzentwurf verlassen konnte.
Täglich wechselten Millionen ihre Besitzer, Tausende kleiner Regierungsangestellter und deren Helfershelfer besserten ärmliche Bezüge auf, finanzierten den eigenen Kokainkonsum und unterhöhlten den Staat, von dem sie lebten.
Recht geschah es den Banken, behauptete Cariaga. Hatten diese Dollarjongleure vielleicht Ruhe gegeben? Bohrten und schaufelten sie nicht Tag und Nacht, bis sie ihm das Geschäft mit dem verbotenen Glücksspiel vermasselt hatten? Nur weil sie die Supergewinne selber einstecken wollten. Riesensummen, Centavo auf Centavo herausgeholt aus den Taschen der Armenheere, von Menschen, die jeden Tag aufs Neue davon träumten, den ganz großen Coup zu machen und ihrem Elend ein für alle mal zu entrinnen. Warum also hatten sie Cariaga samt seinen Partnern aus dem Geschäft gedrängt?
Musste sich das Kartell nicht notgedrungen nach anderen Möglichkeiten umsehen?
Doch solange sie auch suchten und forschten, immer kamen sie auf das gleiche Resultat. Es gab nichts Besseres, als mit den starken Männern in Cali und Medellin zusammenzuarbeiten.
»Droben in den Anden haben sie die Pflanzer in der Hand und kümmern sich um reibungslose Extraktion«, rief ihnen Cariaga schon vor Jahren zu. »Doch sie brauchen fünf Kontinente, um das Zeug loszuwerden. Und die Häfen, die Airports, Leute? Die internationalen Banken, die nur darauf warten, Milliarden waschen zu können ... wo liegen die denn? Hier bei uns in Brasilien«, rief er begeistert aus. »Und von hier aus geht es hinaus in die Welt!«
Dazu der Inlandskonsum. Ein bis auf die Knochen gestresstes Volk, durch jahrelange Inflation in die Armut getrieben und dann von der Rezession verfolgt. Hinter den miesesten Jobs rannten sie jetzt her, zusammengepfercht in rasant wuchernde Millionenstädte, die nichts als neue Armut zustande brachten. Im Elend geboren, verloren sie jede Sicherheit und zuletzt die Achtung vor sich selbst.
Nur dank der Voraussicht Cariagas und seiner Organisatoren lagen nun Tonnen von Kokain und Maconha in den Verstecken. Berge von Drogen, meterhoch aufgestapelt, modernste Pistolen zu Tausenden, selbst Handgranaten und Dynamitpatronen, Schnellfeuermunition und Granatwerfer sammelte sich auf den Morros an, nur ein paar tausend Meter von Luxusvierteln und übervölkerten Sandstränden entfernt.
Und dort unten? Fingen sie endlich an zu zittern und lahm vor Entsetzen auf den Vulkan zu starren, der in der nächsten Stunde ausbrechen könnte? An fünf Fingern könnte man sich abzählen, wie lange sich die Horden in den Bergen noch im Zaum halten ließen, meinten nicht wenige. Bis die Skorpione aus Löchern und Spalten krabbelten und losmarschierten, um den apokalyptischen Sturm anzublasen.
Wenn sie beginnen sollten, Söhne und Töchter der Reichen, Playboys und Spekulanten, Parasiten eines vermoderten Systems am Strand von Ipanema zusammenzuschießen. Wer sollte Hunderttausende der Ärmsten daran hindern, mit Schnellfeuergewehren, automatischen Pistolen und Plastikbomben in eine Welt einzudringen, die sie ausgeschlossen hatte? Nur um sich das zu holen, was sie zum Leben brauchten und nicht bezahlen konnten. Wer hätte es gewagt, sich ihnen zu widersetzen?
Trost sei mit euch! Sonne und Meer, erfrischender Schatten unter Kokospalmen, eng an haselnussbraune Brüste geschmiegt, das eigne sich nicht für einen Krieg, behaupteten die anderen. Ganz Unrecht hatten sie nicht. Fuhr man nicht jede Nacht hinauf und feilschte in düster verwinkelten Gassen, wartete im Dunkel auf den nächsten Dealer, hielt die Hand durchs Autofenster, um die tägliche Ration in Empfang zu nehmen? Selbst tagsüber, im Schatten eng aneinander stehender Bürotürme, in Tiefgaragen, neben Schulen und Clubs, an kilometerlangen Stränden, überall wartete einer auf den anderen. Nicht mehr als ein verständnisvoller Blick zwischen zwei Welten und ein Geschäft, das in 3o Sekunden abgeschlossen ist.
Nonsens! Wer bringt schon seine Kunden um? So blieb das Arsenal der Trader und Dealer, wo es schon immer war. In den Hütten auf den Bergen, versteckt unter Elendsbaracken, hinter Tausenden von Bretterbuden, in ausgetrockneten Brunnenlöchern und raffiniert ausgehobenen Gruben. Wie ein gigantisches, nicht zu überblickendes Spinnennetz zog es sich von Hang zu Hang. Wer wusste auch nur ungefähr, wie viele es waren, die dort hausten? Wem war bekannt, wo ein Elendsviertel endete und das nächste begann? Am wenigsten wussten sie das bei der Polizei. Oder sollten sich junge Beamte mit ärmlichen Gehältern, veralteten Waffen und dürftiger Ausbildung im Labyrinth der an den Abhängen ineinander verkeilten Behausungen abknallen lassen wie Schießbudenprämien? Sie hatten doch Frauen und Kinder. Und wie viele von ihnen mussten selbst in den Hütten ihr Dasein verbringen! Wand an Wand mit Tradern, Kokainschleppern und Mördern. Und die hatten immer die besseren Waffen. Dafür hatte der alte Herr auf dem Penthouse beizeiten gesorgt.
2. Kapitel
César Barrios wunderte sich. Die Sekretärin saß nicht am Tisch und beide Doppeltüren waren angelehnt. Also musste Claudia im Allerheiligsten sein. Auch auf ihrem Schreibtisch lag diesesmal keiner der üblichen Schmierzettel, so dass Barrios nicht die geringsten Anhaltspunkte hatte, was kommende Überraschungen betraf.
Vorsichtshalber spähte er durch den Türspalt, hüstelte dann hörbar, bevor er den Koloss seines athletischen Körpers, Militärmaß eins, 88 nahezu lautlos auf den dicken Teppich setzte.
Nur wer zu den wenigen gehörte, die es schafften, bis hierher vorzudringen, konnte das knappe Kopfnicken Cariagas, unterstrichen durch einen vagen Wink mit der Spitze des Kugelschreibers, als Aufforderung werten, sich vorschriftsmäßig vor dem Schreibtisch aufzustellen.
Während Barrios beide Türen zuzog, schnupperte er unauffällig, da er seiner Nase mindesten ebenso traute, wie Augen und Ohren. Guimaraes war also noch nicht dagewesen. Sonst wäre in der seltsamen Umgebung des Raumes, die gelegentliche Besucher an die Sterilität eines Operationssaales erinnern mochte, doch noch die eine oder andere Spur festzustellen gewesen. Barrios fand das Parfüm СКАЧАТЬ