Das Geheimnis der goldenen Brücke. Michael Kunz
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Название: Das Geheimnis der goldenen Brücke

Автор: Michael Kunz

Издательство: Автор

Жанр: Любовное фэнтези

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isbn: 9783944224145

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СКАЧАТЬ Er musste weglaufen. Irgendwohin. Aber wohin? Er drehte sich nach rechts. Nach links. Genau: ins Gebäude. Ins Lehrerzimmer! Er rannte los. Er wollte jedenfalls losrennen. In der rechten Hand ein belegtes Brot. In der linken Hand eine Milchschokolade. Im Tetra-Pack. Mit Strohhalm. Plötzlich ergriff eine Hand seinen Pullover. So grob wie der Arm eines Krans. Sie ballte sich zur Faust. Wie sehr wünschte er sich, dass sein Pulli zerriss. Er, dann von der Faust befreit, losrennen und im Lehrerzimmer Schutz suchen konnte. Doch nichts dergleichen geschah. Die drei Gestalten stellten sich vor Peter, um ihm den Weg zu versperren. Einer von ihnen ergriff die Milchschokolade, der andere das Pausenbrot. „Danke für die Milch, Mickey Mouse“, spottete Mirko. „Ist da noch was drin für mich?“ Schmieriges Grinsen. Zum Teufel mit diesem Mistkerl! Der Mistkerl drückte den Trinkbehälter zusammen, die Milch schoss wie eine Fontaine aus dem Strohhalm heraus und direkt auf Peters Gesicht und Pullover. „Das tut mir aber außerordentlich leid, Mickey Mouse.“ Es klang alles andere als bedauernd.

      Peter schwitzte, seine Hände waren feucht, sein Herz raste und die Füße waren kalt. Typische Anzeichen von Angst. „Schon in Ordnung.“ Verängstigt und leise stolperten Peter diese Worte heraus. Als er ansetzte um zu sagen: „Ihr könnt die Milch behalten“, krallte sich plötzlich von hinten eine Hand in Mirkos rechte Schulter. Peter konnte nicht sehen, wem sie gehörte, die Milch klebte auch an seinen Augen und überzog sein Blickfeld mit einem weißen Schleier. Eine ruhige, aber ernste Stimme sagte: „Möchtest du denn dem Jungen seine Milch nicht zurückgeben?“ Vom ersten bis zum letzten Wort zwängten sich die Finger wie eine Zange immer fester in Mirkos Schulter, es wurde so schmerzhaft, dass es sich anfühlte, als würden jeden Moment die Knochen brechen. Die anderen beiden hatten die Person mittlerweile bemerkt und blieben regungslos stehen.

      „Ja, klar. Hier, bitte“, stotterte Mirko leise, bemüht, jetzt bloß keinen Schmerzensschrei von sich zu geben und übergab mit zittriger Hand die Milchschokolade. Peter hatte sich inzwischen die Milch aus den Augenwimpern gewischt und begann nun auch, die Lage zu begreifen. Nun lächelte er einem ihm sehr vertrauten Gesicht zu. Es war seine Mutter. „Es gibt Menschen im Leben“, fuhr sie in ruhigem Tenor fort, „denen sollte man keine Probleme machen. Sonst kann es passieren, dass man selbst Probleme bekommt. Verstehst du das?“ „Ja. Klar. Keine Probleme machen“, wiederholte Mirko mechanisch, zwischen jedem Satz eine kurze Pause, vielleicht, um den Schmerz in der Schulter besser zu verkraften. „Gut“, schloss Anna, „dann wird dieser Junge ab sofort in Ruhe gelassen.“ Und erst, als Mirko mit „Jawohl“ ihrer Aufforderung nachkam, ließ der Griff nach und hinterließ einen beißend stechenden Schmerz. „Wer sind Sie?“, wollte ein anderer Junge wissen und Anna warf ihm einen drohenden Blick zu: „Euer schlimmster Albtraum, wenn ihr euer Versprechen brecht.“ Dann drehte sie sich von ihnen ab und verließ den Schulhof. Sie hatte Peter kurz zugelächelt, aber sie hielt es für klüger, mit ihm zu Hause zu sprechen.

      Es ist eben gut, einen Freund zu haben. Aber es ist besser, einen Freund zu haben, der für uns da ist, wenn wir ihn brauchen. Am besten ist es aber, einen Freund zu haben, der für uns auch da ist, wenn wir ihn nicht brauchen. Vielleicht wird er uns daran erinnern, dass wir ihn gerade in diesen Momenten am meisten brauchen, wo wir es am wenigsten ahnen.

      Kapitel 3

      Peter war mittlerweile in der zweiten Klasse und weder Mirko noch seine Freunde hatten ihre Abmachung vergessen. Sie machten einen großen Bogen um ihn. Einmal hatte Mirko ihn sogar gefragt, ob er nicht Lust hätte, sich seiner Clique anzuschließen. „Ich brauche euch nicht“, hatte Peter ihm matt entgegnet und dabei mit den Achseln gezuckt. Mirko nickte einsichtig und entschied, das Kräftemessen mit Peter als unentschieden zu bewerten und jemand anderes als Opfer auszuwählen. Jemand, der schwach genug für ihn war, um sich weiterhin als Anführer einer Gruppe behaupten zu können. Es war das Einzige, was ihm Kraft gab. Zu Hause jedenfalls fand er diese Kraft nicht. Sein Vater saß den ganzen Tag vor dem Fernseher, nachmittags ging er dann aus dem Haus und wenn er abends heimkam, schrie er seine Mutter an, die daraufhin weinte. Manchmal schienen auch Gegenstände umzufallen, vielleicht wurden sie auch geworfen. Das alles konnte Mirko von seinem Bett aus hören. Jeden Abend dasselbe. Er hasste seinen Vater dafür. Und er hasste Peter. Wenn sein Vater abends herumbrüllte und er deswegen nicht einschlafen konnte, stellte er sich vor, wie Peter von seiner Mutter bei der Schule abgeholt wurde, wie er ihr auf dem Heimweg von seinen Erlebnissen berichtete, wie sie dann gemeinsam lachten und dann, zu Hause eingetroffen, zusammen Mittag aßen. Er stellte sich vor, wie Peter mit seinen Eltern am Wochenende auf den Rummelplatz ging, Popcorn aß, Achterbahn fuhr, durch die Geisterbahn rollte und sich dabei alle ängstlich einander die Hand hielten.

      Wenn Mirko mit seinen Eltern wirklich einmal unterwegs war, dann meistens nur deswegen, weil sie zum Amt mussten und Mirko nicht alleine zu Hause bleiben sollte. Oder vielleicht wäre ihnen das sogar egal gewesen und sie nahmen ihn nur mit, weil das Amt sie dazu aufgefordert hatte. Es war immer dasselbe Amt und auf dem Weg dorthin stand im Sommer der Wagen eines Eisverkäufers. Die ersten Male hatte er seine Mutter gefragt, ob er ein Eis haben könne. „Ein anderes Mal vielleicht“, hatte sie ihm leise ins Ohr geflüstert und dann ängstlich zu seinem Vater geblickt. Einmal hatte der Vater es mitbekommen und er sah ihr verhasst in die Augen: „Du hast wohl ein Rad ab? Wir haben kein Geld für Eis! Ich will nichts mehr davon hören!“ Seitdem schwieg Mirko, wenn sie an dem Eisverkäufer vorbeikamen. Einmal beugte sich der Eisverkäufer aus dem Wagen: „Komm her, du bekommst ein Eis von mir“, denn die Sonne schien an diesem Tag gnadenlos und die sengende Hitze erstickte jeden Anflug von Arbeitslust. Der Eisverkäufer tupfte sich mit einem Taschentuch die schweißbenetzte Stirn, während er Mirko an ihm vorbeilaufen sah, als hätte dieser ihn gar nicht gehört. Er sah dem Kind hinterher, das sich schließlich umdrehte und verweint mit dem Kopf schüttelte. „Ich verstehe“, murmelte der Eisverkäufer. „Armes Kind!“

      *

      In all den Jahren hatte der Eisverkäufer schon in tausende Gesichter gesehen. Fröhliche, neugierige, in sich versunkene Blicke hatte er beobachtet. ‚Aber dieses Kind...’, überlegte er kopfschüttelnd und meinte damit Mirko, der mit seiner Mutter immer mindestens zehn Schritte hinter seinem Vater herging. ‚Wahrscheinlich schämt sich dieser Mann für seine Familie’, überlegte er. Mirko war das einzige Kind, das nie ein Eis bekam. Er hätte es ihm sogar geschenkt.

      Der Eisverkäufer hatte viel Zeit zum Nachdenken, denn die Kunden kamen meist unregelmäßig. Er dachte oft über das Leben nach, überlegte, ob es vielleicht das Los seines alternden Geistes sei, dass er sein Leben mit 60 Jahren nicht mehr so unbeschwert wahrnahm, wie er es als Kind tat. Je älter er wurde, desto mehr Angehörige und Freunde hatte er zu Grabe getragen, stets in dem Bewusstsein, dass ihn dieses Schicksal auch eines Tages ereilen würde. Durch seine Augen nahm er sein Leben eigentlich wie einen Film wahr und, freilich, solange er ihn ansah, blieb er spannend, dramatisch oder romantisch. Einmal würde dieser Film jedoch zu Ende sein und das war eine Gewissheit, die ihn mit den Jahren immer stärker bedrängte und ihn gegenüber seinem Leben demütig werden ließ. Und immer, wenn er Mirkos Vater vorbeistolzieren sah, sagte er sich: „Demut ist die Kraft, sich verneigen zu können. Aber dieser Bastard kennt keine Demut!“ Eigentlich hätten Kinder auch diese Kraft in sich, überlegte er dann, sie drücke sich eben nur anders aus. Und er kam zu dem Entschluss, dass jeder Mensch diese Kraft anders empfände und würde man ihn persönlich einmal fragen, wie er diese Empfindung beschriebe, gäbe er zur Antwort: „Sie ist schillernd und makellos. Genau wie die Farbe der Demut.“

      *

      Das, was sich langsam aber zielstrebig auf der braunen Erde fortbewegte, war der treue Schatten einer Ameise. Es ist schwierig, mit Bestimmtheit zu sagen, ob auch Ameisen wie wir Menschen einen Namen haben, aber wenn, dann wäre ihr Name vermutlich Lilli gewesen. Das hätte zu dieser kleinen Ameise sehr gut gepasst. Vielleicht, weil sie so athletisch und unbezwingbar wirkte. Vielleicht, weil sie so unermüdlich und fleißig ihre Arbeit verrichtete. Vielleicht, weil sie irgendwie auch neugierige Augen hatte, immer auf der Suche nach Nahrung und Gefahren. Obgleich sie sehr taff war – ganz bestimmt СКАЧАТЬ