Название: Memento Mori
Автор: Mark Benecke
Издательство: Автор
Жанр: Медицина
isbn: 9783944180045
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Heute gibt es ein Wörterbuch für die Zellsprache. Man nennt es oft Codon-Sonne, weil die Dreiergruppen aus Säurebausteinen »Codons« genannt werden und das Schema mit etwas Phantasie wie die Sonne aussieht. Die Übersetzungsregeln der Codon-Sonne sind sehr einfach. Der Grundsatz »Je einfacher, desto besser« gilt in der Natur genauso wie im Alltag. Je einfacher und eleganter etwas aufgebaut ist, desto besser funktioniert es.
Wo auf dem Säurefaden liegt nun die Information für Altern und Sterben? Das erste Problem: Wenn ich die DNA aus einer einzelnen Zelle herausziehen möchte, um diese Anweisungen zu suchen, habe ich drei Probleme: Meine Finger sind zu dick, meine Arme zu kurz und meine Augen zu schwach.
Der Faden ist so dünn, dass ich ihn nicht mit den Fingern festhalten kann. Aus dem gleichen Grund kann ich ihn nicht sehen. Sogar das stärkste Vergrößerungsglas ist zu schwach dafür. Meine Arme sind zu kurz, weil der Faden einer einzigen Zelle zwei Meter lang ist – ich kann ihn nicht am Stück herausziehen. Eigentlich kommt noch ein vierter körperlicher Mangel hinzu. Mein Gehirn ist zu schwach. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein zwei Meter langer Säurefaden in einer Zelle liegt, die so klein ist, dass ich sie mit bloßem Auge nicht einmal sehen kann.
Eine weit ernstere Hürde besteht darin, dass die auf dem DNA-Molekül gesuchte Information so winzig ist. Strecken Sie zwei Meter Zwirn quer über den Tisch aus. Der Zwirn soll die DNA sein. Pieksen Sie mit einer Nähnadel in eine beliebige Stelle des Fadens. Wäre der Faden DNA, so hätten Sie mit einer Handbewegung bis zu fünfzehn Bauanweisungen für verschiedene Zellbestandteile aufgespießt. Diese »Bauanweisungen für Zellbestandteile« nennt man Gene. Manchmal ist ein Gen wirklich dasselbe wie exakt eine Anleitung, meist braucht der Körper aber viele Gene und zusätzlich DNA-Bereiche als Vorlage für ein einzelnes Endprodukt, beispielsweise ein Barthaar oder einen Knochen.
Gene, die zusammengehören oder sich ähneln, müssen nicht nebeneinander liegen. Es ist wie mit einem mehrbändigen Lexikon. Sie können alle Bände voneinander getrennt in der Wohnung aufstellen. Solange Sie die Standorte der Bücher im Gedächtnis behalten, können Sie auf jedes gewünschte Stichwort samt Querverweisen nachschlagen. Auch die Zelle weiß, wo auf der DNA die gewünschten zusammengehörigen Informationen liegen, und bringt sie zueinander.
Zurück zum Experiment mit der Zwirnfaden-DNA. Mit der Nadelspitze haben Sie soeben bis zu fünfzehn Gene aufgespießt. (Sie hatten dabei Glück, denn über 90 Prozent der DNA bestehen aus Nicht-Genen, deren Sinn uns bis heute verborgen ist.) Stellen Sie sich vor, jedes der getroffenen Gene habe eine Nummer, von 1 bis 15. Jede Nummer, also jedes Gen, ist eine Bauanleitung für eine Zutat in einem körpereigenen Rezept. Alle fünfzehn Zutaten ergeben gemeinsam ein nützliches Gesamtes, etwa das Rezept für Teile einer lichtempfindlichen Zelle im Auge oder für ein winziges Hohlkügelchen in der Zelle, das Moleküle transportiert.
Insgesamt enthält der Faden mehrere zehntausend verschiedene Rezeptteile. Stellen Sie sich vor, wie oft Sie in den Faden stechen können, ohne dieselben Zellrezepte ein zweites Mal zu berühren! Und wenn Sie oft genug zustechen, haben Sie auch das Rezept für »Altern ab dem fünfundzwanzigsten Lebensjahr« getroffen. Wie kann man ein solches Rezept im echten DNA-Faden finden?
Mit Elektronenmikroskopen gelingt es, einzelne zarte Säurefäden sichtbar zu machen. Leider sind sie durch die notwendige Vorbehandlung mit einer dicken Metallschicht zugeschüttet. In Wirklichkeit erkennt man also nur das Metall, das darüber geschichtet ist. Auch hier ist die Information für »Altern« noch nicht zu sehen. Was tun?
Eine alte Genetikerregel lautet: Du findest ein Gen am besten, wenn du dir eine lebende Zelle anschaust, in der das gesuchte Gen nicht mehr arbeitet. Das hört sich widersprüchlich an, es funktioniert aber: Eine Zelle, die anders ist als alle anderen, ist oft leicht zu erkennen. Um das Gen für Altern zu finden, warte ich, bis eine Zelle auftaucht, die nicht altert.
Solche Zellen gibt es. Meistens ist ihr Auftreten jedoch kein Anlass zur Freude. Im Gegenteil. Meistens sind unsterbliche Zellen nichts anderes als Krebszellen.
Wie man aus Bananen DNA gewinnt
Irgendwo in der Erbsubstanz sitzen die Anweisungen für das Altern und Sterben. Wenn man aus einem solchen DNA-Faden die unerwünschten Alterungsbefehle herausschneidet, sollte ein unsterbliches Lebewesen entstehen – möchte man meinen. Dazu muss man zunächst an den Erbfaden gelangen. Eine einfache Methode der DNA-Gewinnung hat der Autor selbst erdacht und erprobt. Man nehme:
1/4 reife Banane
2 1/2 EL Kochsalz
ein dünner Schaschlikspieß (Holz)
einen Esslöffel hochwertiges Vollwaschmittel
Brennspiritus
Bananenviertel mit einer Gabel zerdrücken. Brei in ein Glas (0,3 Liter) geben, mit Leitungswasser auffüllen und einen Esslöffel hochwertiges Vollwaschmittel sowie 2 1/2 gehäufte EL Kochsalz zugeben. Kurz aufkochen umrühren, vom Herd nehmen. Abkühlen lassen und einen Schuss Brennspiritus zugeben. Mit dem Spieß (Spitze auf dem Boden des Glases) langsam rechtsherum rühren.
Um die Spitze wickelt sich nach kurzer Zeit eine geringe, aber gut sichtbare Menge einer gelatineartigen Substanz. Jetzt zieht man die Bleistiftspitze am Rand des Glases nach oben und zupft die Masse ab.
Man kann mehrmals in dem Bananen-Salz-Cocktail fischen. Immer wieder wickeln sich einige tausend Informationsfäden aus DNA und viele Proteine um die Bleistiftspitze. Würde man auf dieser DNA den Todescode finden, herausschneiden und den Rest des Informationsfadens wieder in eine Zelle einbauen, entstünde ein unsterblicher Bananenbaum.
(Der Versuch ist ungefährlich. Wenn Sie die DNA nicht herausgefischt hätten, hätten Sie diese zusammen mit der restlichen Banane verspeist.)
Unsterbliche Zellen, die den Tod bedeuten
In der DNA einer Familie mit erblicher Vierfingrigkeit ist gegenüber der DNA anderer Menschen eine Stelle verändert. Genauso verhält es sich mit der nicht alternden Zelle. Etwas in ihr ist verändert. Eine solche Änderung innerhalb des DNA-Informationsfadens nennt man Mutation. Jede Bauanleitung jeder Zelle kann mutieren. Das Rezept für Fünffingrigkeit kann sich ebenso verändern wie das für Altern oder jedes andere.
Eine DNA-Veränderung oder Mutation ist nicht von vornherein gut oder schlecht. Der erblich bedingte Verlust eines Fingers war beispielsweise die Voraussetzung dafür, dass sich die Hufe von Pferden, Milchkühen, Giraffen und Kamelen entwickeln konnten.
Niemand bezweifelt, dass Hufe für das Laufen auf vier Beinen vortrefflich geeignet sind. Der Verlust des Alterns hingegen ist nur für eine einzelne Zelle von Vorteil. Sie vervielfältigt sich rasch und erinnert vollkommen an die unsterblichen Urtiere, die noch vorgestellt werden. Das Krebsgeschwür ist eine Ansammlung praktisch gleicher, unsterblicher Zellen. Durch die ständige ungeregelte Teilung einer einzigen mutierten Zelle und ihrer Nachkommen kommt schließlich der ganze Körper aus dem Gleichgewicht: Das Krebsgeschwür drückt Leitungsbahnen zu, behindert die Funktion von Organen oder entstellt unter Umständen die Erkrankten.
Es gibt sehr viele Möglichkeiten, wie aus einer normalen Zelle eine Krebszelle werden kann. Entsprechend gibt es sehr viele verschiedene Arten von Krebs. Wegen der vielen Entstehungs- und Erscheinungsformen von Tumoren wird es wohl niemals eine Behandlungsmethode СКАЧАТЬ