Название: Das schwarze Korps
Автор: Dominique Manotti
Издательство: Автор
Жанр: Современная зарубежная литература
isbn: 9783867549806
isbn:
Duval, dem plötzlich unwohl ist, geht in den angrenzenden Salon und setzt sich.
Dora lehnt sich an den Flügel, räuspert sich. Sie ist von sehr eigentümlicher Schönheit. Ihr Gesicht ist unebenmäßig. Breite Stirn, riesige, weit auseinanderstehende Augen von einem strahlenden, einheitlichen Blau, deren Härte sie durch das Spiel ihrer Wimpern und Brauen mildert, markante Wangenknochen, eine nicht ganz zierliche leichte Stupsnase über einem Mund, der die gesamte untere Partie des eher schmalen Gesichts einnimmt. Sie vermag jedem Mann das Gefühl zu geben, dass sie sich allein an ihn wendet. Anmutig zu dem jungen Pianisten geneigt, der sie begleitet, singt sie jetzt in traulichem Ton, richtig zwar, aber mit dünner Stimme: »Douce France, cher pays de mon enfance …«
Domecq geht an Deslauriers vorbei, zwei Champagnergläser in der einen Hand und einen Teller mit Gänseleber in der anderen. Deslauriers nimmt ihn am Arm.
»Haben Sie, der Sie schon ewig ihr Freund sind, das geliebte Land ihrer Kindheit gekannt?«
Domecq lächelt. »Wir haben in La Plaine-Saint-Denis gelebt, und dem idyllischen Namen zum Trotz gab es dort weder einen Kirchturm noch grünes Gras, Bäume oder Vögelchen. Dafür jede Menge Armut.«
»Sagen Sie ihr, sie soll diesen Unfug lassen.«
»Bauer mag das.«
»Ein Grund mehr. Na, wer kommt denn da …« Raubtiergrinsen. »Polizeipräfekt Bussière höchstselbst. Er will wissen, was es Neues gibt. Kennen Sie ihn?«
»Nein, nicht persönlich. Ich bin nur ein ganz kleiner Inspektor.«
»Ich werde mir ein kleines Späßchen erlauben.« Er zieht ihn am Ellenbogen mit sich und stellt sich Bussière in den Weg. »Herr Präfekt, gestatten Sie, dass ich Ihnen Inspecteur Domecq vorstelle.«
Domecq jongliert mit Teller und Gläsern, um eine Hand freizubekommen. Bussière, sichtlich verärgert, an einem solchen Ort einen kleinen Polizisten aus seiner Behörde zu treffen, macht ein verkniffenes Gesicht, neigt den Kopf leicht zur Seite und stürmt ohne anzuhalten auf eine Gruppe zu, die sich um Knochen drängt, die Nummer zwei der SS in Frankreich.
Deslauriers frohlockt. »Unhöflich ist dieser Saukerl … Eilen Sie, mein Lieber. Die reizende Dora wird noch verdursten.«
Suzy Solidor, eine hochgewachsene Erscheinung mit Garçonne-Frisur in einem Etuikleid aus violetter Seide, hat Dora abgelöst und singt auf Deutsch Lili Marleen. Diese raue, dunkle Stimme ist der Wahnsinn, denkt Deslauriers, tief ergriffen wie jedes Mal, wenn er sie hört. Erinnerung an ihre Konzerte im Perroquet bleu, das gehobene Bürgertum vergötterte sie, wenn sie ihre Javas sang. Bauer ist verstummt und lauscht ihr mit geschlossenen Augen. Aber im Bett taugt die Solidor wie alle Lesben wenig, dem Vergleich mit Dora hält sie nicht stand.
Brinon, der Repräsentant der französischen Regierung, stürmt herein. Ein Blick in die Runde, dann eilt er grußlos zu dem Fenster, wo Abetz, Knochen und Bussière mit konzentrierter Miene über die Aufrechterhaltung der Ordnung sprechen.
Deslauriers erspäht den Alkoholhändler Anselme, ein alter Komplize, der allein in einer Ecke sitzt und in Ruhe einen Cognac trinkt. Er zieht einen Sessel neben ihn und setzt sich. Der andere hebt zur Begrüßung sein Glas.
»Sehr guter Cognac. Keine Ahnung, wo Dora ihn herhat. Ich habe ihn ihr nicht verkauft.«
»So allein?«
»Doras hysterische kleine Höflinge töten mir den letzten Nerv, und die offizielle Ansprache deines Chefs ödet mich an. Ich glaube nicht mehr daran. Du vielleicht?«
»Paul, ich möchte dir ein hübsches Geschäft vorschlagen, plusminus zwanzig Millionen für uns zwei, abzüglich der Unkosten.«
»Just heute habe ich den Laden dichtgemacht, René. Alle meine Jungs entlassen, meine Lager geschlossen, und in zwei Tagen reise ich ab nach Monaco. Jetzt stehe ich, oder besser gesagt stehen wir, weil du an einem Gutteil der Geschäfte beteiligt bist, vor dem Problem, dass das Geld gewaschen werden muss. Man darf es nicht mehr riechen, sehen, schmecken. Dazu brauche ich etwas Zeit. Und ich hoffe, die Wehrmacht verschafft mir genug. In dem Punkt habe ich allerdings ziemliches Vertrauen in sie. Sind schon gute Jungs, diese deutschen Soldaten.«
Deslauriers angelt sich einen Stumpen, zündet ihn an, nimmt den ersten tiefen Zug, atmet aus, das beruhigt, beugt sich dann zu Anselme. »In zwei Tagen, sagst du. Mehr brauche ich nicht.«
In einer Ecke hat sich eine Pokerrunde gebildet, mit Greven und Clouzot, der Einsatz ist also sehr hoch. Knochen hat sich zwischen Jean Luchaire – den kleinen Journalisten, der sich in einer solchen Partie, denkt Bauer, nicht lange halten wird – und Bussière gesetzt. Interessant, ihm zuzusehen, Spiel und Mensch sind eins. Bauer tritt näher und stellt sich hinter ihn. Bourseul gesellt sich zu ihm, sehr aufrechte Erscheinung, schmal, elegant in seinem dunklen Anzug, Pomade im Haar, gepflegter kleiner Oberlippenbart, Lächeln auf den Lippen. In vier Jahren Besatzung ist er der vermögendste Textilfabrikant Nordfrankreichs geworden. Über die gemeinsam getätigten Geschäfte hinaus – Aufträge des deutschen Militärs, Übernahme jüdischer Unternehmen – sind die beiden Männer Freunde, haben viele gemeinsame Abende in den Pariser Luxusbordellen verbracht, und Bourseul informiert Bauer zuverlässig über die tatsächliche Lage der französischen Unternehmen. Bauer zieht ihn beiseite.
»Ich habe einen amerikanischen Nachrichtenoffizier festgenommen.« Er hält einen Moment inne. Bourseul zeigt keine Reaktion. »Er sagt, einige deiner Freunde hätten bereits Kontakt zum amerikanischen Generalstab aufgenommen.«
»Derzeit wird viel geredet.«
Bauer versteht: Du bist nicht Herr der Lage.
Bauer versteht: Ich schulde dir nichts. Und bebt vor Zorn.
»Erinnere deine Freunde daran, dass sie an zwei Wahrheiten nicht vorbeikommen, Maurice: In dieser Stadt liegt die Macht über Leben und Tod, vor allem den Tod, immer noch bei mir. Und sollten die Amerikaner siegen, werden nicht sie das Sagen haben. Sollten wir abziehen, werden die Kommunisten die Macht übernehmen.«
Bourseul registriert die verzerrten Mundwinkel, den beinahe irren Blick. Schließt für einen Moment die Augen. »Wollen wir uns morgen treffen? Mir reicht’s für heute Abend. Wir hatten alle einen vollen Tag.«
Im hinteren Salon tanzen einige Paare zur Klaviermusik. Die Sperrstunde naht. Die Salons leeren sich allmählich, als Galey, der Filmbeauftragte der Regierung, aufgeregt und voller Mitteilungsdrang hereinschneit. Er eilt auf Dora zu, beide sind schnell umringt.
»Ich komme gerade aus Vichy …« Ein Raunen. »Wir sollten dem Marschall Carmen vorführen. Heute in aller Frühe sind wir mit dem Wagen aufgebrochen. Um zehn machen wir Halt bei einem Landgasthof und hören dort von der Landung der Engländer und Amerikaner. Ich wollte nach Paris zurück, in Vichy wird jetzt alles in Aufruhr sein, die haben jetzt anderes im Kopf als eine Filmvorführung, bringt doch nichts, die ganze Reise umsonst zu machen. Aber Christian-Jaque besteht darauf, wir kommen also nach Vichy, und dort ist alles vollkommen ruhig. Die Leute scheinen der Ansicht zu sein, dass die Landung vermutlich СКАЧАТЬ