Der älteste christliche Text. Gerd Ludemann
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Название: Der älteste christliche Text

Автор: Gerd Ludemann

Издательство: Автор

Жанр: Религия: прочее

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isbn: 9783866741362

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СКАЧАТЬ dem letzten Jerusalembesuch, zu dem sich Paulus in Korinth rüstete24, als er dort den Röm verfasste. Ihr Verfasser wäre jemand, der – vor der Griechenlandmission – fast zwanzig Jahre Christ gewesen ist.

       Einwände

      a) Paulus besuchte drei Jahre nach seiner Bekehrung Jerusalem, um Kephas, den damaligen Leiter der dortigen Gemeinde, kennen zu lernen.25 Dies spricht für ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein des Paulus bereits in dieser frühen Zeit. Offenbar hat Paulus schon damals mit Kephas über die Heidenmission gesprochen.26

      b) Paulus war kein Delegat, der im Auftrag der antiochenischen Gemeinde handelte. Er sagt von sich, er sei wegen einer Offenbarung nach Jerusalem gereist und habe das von ihm unter den Heiden verkündigte Evangelium den Jerusalemern vorgelegt.27 Damit setzt Paulus voraus, dass er vor der Konferenz eine selbständige Missionsarbeit betrieb und in dieser Zeit keinesfalls, wie Lukas behauptet, Barnabas untergeordnet gewesen ist.28

      c) Paulus hatte sehr früh auch Mitarbeiter. So begleitete ihn der Heidenchrist Titus nach Jerusalem.29 Durch dessen Mitnahme in die jüdische Hauptstadt unterstrich Paulus, dass fortan unbeschnittene Heiden zum Gottesvolk gehörten – eine Provokation, die zum Hauptgegenstand der Verhandlungen auf der Konferenz werden sollte. In Jerusalem wurde Titus zum Zeugen der Kollektenabsprache. Später setzte er sich als Gehilfe des Paulus erfolgreich für ihre Durchführung in Makedonien und Achaia ein.30

      d) Das Jahr 49 n. Chr. passt nicht als Datum für eine Judenvertreibung aus Rom. Wie bereits angemerkt, stammt diese Angabe von einem christlichen Schriftsteller des 5. Jahrhunderts, dem Presbyter Paulus Orosius, der als Quelle den jüdischen Historiker Josephus (ca. 37–100 n. Chr.) angibt. Doch findet sich nichts Entsprechendes in den vollständig erhaltenen Werken des Josephus.31

      e) Die Hinweise auf weltgeschichtliche Ereignisse im lukanischen Doppelwerk treffen oft nicht zu.

      Erstens. Lukas nennt in Apg 4,6 und in Lk 3,2 irrtümlich Hannas (6– 15 n. Chr.) statt Kaiphas (18–37 n.Chr.) als den Hohenpriester zur Zeit des Wirkens Jesu.32

      Zweitens. Lukas setzt in Lk 2,1–2 die Registrierung zu früh an, denn eine Volkszählung unter Quirinius fand erst ein Jahrzehnt nach Herodes’ Tod statt. Außerdem bezog sich die Registrierung nicht auf das ganze römische Reich, sondern war auf Syrien und Judäa beschränkt.

      Drittens. Lukas datiert in Apg 5,36–37 Theudas falsch und begeht einen groben historischen Schnitzer, indem er Judas zeitlich nach Theudas auftreten lässt.33

      Viertens. Eine Hungersnot »auf dem ganzen Erdkreis« – so Apg 11,28 – hat nicht stattgefunden.34 Diese Nachricht befindet sich auch in krassem Widerspruch zur Apostelgeschichte selbst. Denn im unmittelbaren Kontext, Apg 11,29–30, steht, dass die Gemeinde Antiochiens – trotz der weltweiten Hungersnot – Hilfe nach Jerusalem schicken konnte.

      f) Lukas berichtet von fünf Jerusalemreisen des Christen Paulus35, während die Briefe nur drei belegen36 und keine weitere zulassen: Paulus schließt mit einem Schwur37 eine Reise zwischen dem Kephas- und Konferenzbesuch aus, und eine zusätzliche Reise zwischen der Konferenz und der zur Ablieferung der Kollekte ist aus organisatorischen und finanziellen Gründen unwahrscheinlich. Die Schulexegese streicht die zweite der von Lukas genannten Reisen, bleibt aber eine Begründung dafür schuldig, wie die vierte Paulusreise – der Abstecher nach Jerusalem während der Einsammlung der Kollekte – zustande kam.

      g) Die Darstellung des Lukas leiten oft theologische Ziele. Er beschreibt das Christentum als politisch ungefährliche Religion, die sich dazu eignet, eine Weltreligion zu werden. Die historische Wahrheit bleibt dabei oft auf der Strecke.38

      h) Lukas verarbeitet in der Apostelgeschichte Traditionen auf seltsame Art. Er zieht nämlich oft Einzelnachrichten, die sich auf verschiedene Aufenthalte an demselben Ort beziehen, zu einer Erzählung zusammen. Dies gilt für Korinth39, wo der Apostel später drei Monate lebt40, gleichfalls für Thessalonich41, für das ebenfalls ein weiterer paulinischer Aufenthalt bezeugt wird42, aber auch für Philippi43, wohin Paulus noch zweimal gereist sein soll.44 Selbst Ephesus macht keine Ausnahme: In Apostelgeschichte 19 finden sich aus verschiedenen Zeiten – zu einer Erzählung komprimiert – mehrere Traditionen über die Wirksamkeit des Paulus in der Stadt.45 Aus all dem folgt, dass die richtige chronologische Einordnung der Einzelinformationen von den Paulusbriefen her noch aussteht.

       DIE NEUE CHRONOLOGIE

       Bestimmung des Abfassungsdatums des ersten Thessalonicherbriefs auf der alleinigen Grundlage der echten Briefe

      Die vorgebrachten Einwände haben gezeigt, dass eine Chronologie des Paulus auf der Basis einer Harmonisierung seiner Briefe mit der Apostelgeschichte zu viele Fragen offen lässt, um zu überzeugen. Gefordert ist daher eine kritische Chronologie. Sie lässt sich nur auf der alleinigen Grundlage der Briefe des Apostels erstellen.

      Diese Einsicht verdanke ich Ferdinand Christian Baur (1792– 1860) und dem US-Amerikaner John Knox (1900–1990). Beide betonen nämlich die verschiedene Qualität der historischen Angaben der echten Paulusbriefe und der Apostelgeschichte und ziehen daraus die allein möglichen Konsequenzen.

      Baur bemerkt:

      Zwischen der Apostelgeschichte und den paulinischen Briefen, soweit sie sich ihrem geschichtlichen Inhalte nach mit der Apostelgeschichte vergleichen lassen, findet im Allgemeinen ein ähnliches Verhältnis statt, wie zwischen dem johanneischen Evangelium und den synoptischen. Die Vergleichung dieser beiden Quellen muss zu der Überzeugung führen, dass bei der grossen Differenz der beiderseitigen Darstellungen die geschichtliche Wahrheit nur entweder auf der einen oder der andern Seite sein kann46.

      John Knox meint, ein winziger Hinweis in den Paulusbriefen sei von größerem historischem Wert als eine klare Angabe in der Apostelgeschichte. Außerdem müsse jeder Widerspruch zwischen Briefen und Apostelgeschichte zu Lasten letzterer gehen. Nur dort, wo die Briefe die Angaben der Apostelgeschichte bestätigten, verdiene Lukas Zutrauen.47

      Die Bedeutung der chronologischen Arbeiten von Knox besteht in Folgendem: Indem er die Paulusbriefe als Primärquellen benutzt, versetzt er den Aufbruch des Paulus nach Griechenland nicht nur in die Zeit vor der Jerusalemer Konferenz, sondern datiert diese Mission auch um ein Jahrzehnt früher als üblich.

       Ein chronologischer Haftpunkt in den Paulusbriefen

      Wenn man die Hinrichtung Jesu gemäß dem allgemeinen Konsens in das Jahr 30 n.Chr. legt und drei Jahre Abstand zwischen seinem Tod und der Bekehrung des Paulus veranschlagt, ergeben sich auf der alleinigen Grundlage der Paulusbriefe folgende Daten:

      Bei seiner Bekehrung um 33 n. Chr. war Paulus ca. dreißig Jahre alt, denn in dem gegen Mitte der fünfziger Jahre geschriebenen Brief an Philemon nennt er sich einen alten Mann48; nach damaligem Sprachgebrauch bezeichnet das ein Lebensalter von 50–56 Jahren.49

      

      Die christliche Zeit im Leben des Paulus lässt sich in zwei Phasen einteilen: 1) von der Bekehrung – ca. 32 n. Chr. – bis zur Jerusalemer Konferenz – ungefähr im Jahr 49 n. Chr. – und 2) von der Konferenz bis zur Gefangenschaft in Jerusalem – etwa im Jahr 52 n. Chr. Wie oben bemerkt, gehören nach vielen Exegeten sämtliche Briefe des Paulus zur zweiten Phase der christlichen Zeit des Paulus.

      Doch mehren sich die Stimmen, dass der erste Thessalonicherbrief aus der ersten Phase stammt.50 Bei der Beweisführung zugunsten dieser Sicht spielt als chronologisches Kriterium die Kollekte, die auf der Jerusalemer Konferenz beschlossen wurde, eine СКАЧАТЬ