Ruanda. Gerd Hankel
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Название: Ruanda

Автор: Gerd Hankel

Издательство: Автор

Жанр: Зарубежная публицистика

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isbn: 9783866744875

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СКАЧАТЬ zu sprechen kommen.

      Nun noch einige abschließende Bemerkungen, zunächst zur Quellenlage: Durch Krieg und Völkermord wurden viele Dokumente zerstört. Im Prozess des staatlichen Neuaufbaus nach 1994 wurden, gerade in den Anfangsjahren, viele Maßnahmen und Entscheidungen nicht festgehalten und/oder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Aber auch für spätere Jahre fehlt es oft an verlässlichen Quellen, besonders in den Bereichen, die, wie die Justiz oder das Militär, als sicherheitsrelevant galten. In diesen Fällen wurde von einer gewissen faktischen Dichte auf die Existenz einer entsprechenden Rechts- oder Ermächtigungsgrundlage geschlossen.

      Wo Informationen in diesem Buch auf Personenquellen beruhen, wurden diese anonymisiert. Sich in Ruanda kritisch über das Land und seine führenden Kräfte zu äußern, ist sehr gefährlich.

      Namen von Institutionen sowie Abkürzungen werden bis 2007 in ihrer französischen Form genannt, danach, als das Englische in Ruanda zur dominierenden offiziellen Sprache wurde, auf Englisch. Die Fotos am Ende eines jeden der fünf Untersuchungsteile dieser Arbeit sind so angeordnet, dass sie den inhaltlichen Aufbau des Untersuchungsteils spiegeln. Die Übersetzungen der französischen oder englischen Originaltexte ins Deutsche stammen vom Autor. Die im Buch angegebenen Internetquellen wurden letztmalig am 5. Juli 2016 aufgerufen.

      Und zum Schluss: Die Verwendung der Begriffe »Hutu« und »Tutsi« ist im zeitlichen Umfeld des Völkermords zu dessen Verständnis erforderlich. Sie jedoch auch in einem größeren zeitlichen Abstand zu diesem Verbrechen und bis in die Aktualität hinein zu benutzen, kann möglicherweise befremdlich wirken. Der Eindruck könnte entstehen, als würde über die Zuschreibung eines Hutu- oder Tutsi-Attributs die Identität einer Person hauptsächlich auf ihre Zugehörigkeit zu einer Bevölkerungsgruppe reduziert. Das ist in keiner Weise beabsichtigt. Allerdings ist es auch eine Tatsache, dass trotz der offiziellen Devise »Wir sind alle Ruander« jeder und jede in Ruanda, einschließlich der Hauptstadt Kigali, weiß, »wer wer ist«. Das hat seine Gründe gewiss in der Vergangenheit, aber auch in dem, was auf den folgenden Seiten zu lesen sein wird.

      Erste Eindrücke, ein kurzer Rückblick und beginnende Reflexionen über die Fragwürdigkeit von Begriffen (im Jahr 2002)

      Acht Jahre nach dem Völkermord sind die Spuren der Verbrechen noch allgegenwärtig. Auffallend ist allerdings, wie geteilt die Erinnerung ist. Allen Ruanderinnen und Ruandern gemeinsam ist die Hoffnung, dass ihnen durch die bevorstehende systematische justizielle Aufarbeitung der vergangenen Verbrechen Gerechtigkeit widerfahren wird. Die Hoffnung macht sich vor allem an der traditionellen Gacaca-Justiz fest, die in erster Linie nicht der Bestrafung der Täter, sondern der Wiederherstellung des Friedens innerhalb einer sozialen Gemeinschaft verpflichtet ist. Schon deshalb scheint sie vor dem Hintergrund bereits bekannter Wege, sich mit Massenverbrechen zu beschäftigen, einer besonderen Aufmerksamkeit wert. Hinzu kommt, dass Gacaca in Ruanda als eine Form der Justiz gilt, die der internationalen in Gestalt des Gerichtshofs in Arusha weit überlegen ist. Dort, wo die Verbrechen begangen wurden, sollen sie verhandelt werden, nicht fernab in einer anderen, verständnislosen Welt.

      Am Anfang, im Frühsommer des Jahres 2002, stehen Fragen, Fragen wie: Ist das ein Völkermörder? Wo war wohl diese Frau zur Zeit des Völkermords? Stammt die tiefe Narbe von einem Machetenhieb? Wer ist überhaupt ein Hutu, wer ein Tutsi? Dann, nach einigen Wochen, folgt Verwunderung. Verwunderung darüber, dass das Leben augenscheinlich seinen ganz normalen Gang geht. Menschen unterhalten sich, lachen und gehen ihrer Beschäftigung nach. Dass hier in diesem Land, oft als Idylle aus tausend Hügeln bezeichnet, vor beinahe genau acht Jahren ein Völkermord stattgefunden hat, vor aller Augen und mit Hunderttausenden von Toten, scheint undenkbar.

      Natürlich sind dergleichen Fragen und Reaktionen naiv. Kein Verbrechen ist so groß, dass es noch nach Jahren dem zufälligen Blick erkenntlich wird. Kein Schmerz ist so präsent, dass er sich fortwährend auch dem Unbeteiligten gegenüber äußert. Keine Idylle so perfekt, dass dort nicht auch Abgründiges vorstellbar wäre. Und trotzdem. Es gibt Erinnerungen, die sich an Bildern und Eindrücken festmachen und darum stärker sind als der Naivitätseinwand. Da ist die Szene, aus der Distanz gefilmt und etliche Male gezeigt, von den zwei Männern, die auf einer rötlich schimmernden unbefestigten Straße Tutsi töten. Mit Wucht schlagen sie mit ihren Macheten auf menschliche Körper ein, einmal, zweimal, dreimal, bis diese hingestreckt und zu keiner Bewegung mehr fähig sind. Da ist das Buch von Philip Gourevitch mit dem verstörenden Titel »Wir möchten Ihnen mitteilen, daß wir morgen mit unseren Familien umgebracht werden«, in dem in verschiedenen Episoden von der kalten Brutalität der Mörder und der Ausweglosigkeit der Situation derer berichtet wird, die von Hutu-Tätern für den Tod bestimmt waren. Und da sind schließlich noch die vielen Szenen, die für die Gleichgültigkeit stehen, mit der die Welt im Frühjahr 1994 auf das Geschehen in Ruanda geblickt hat: Um Hilfe flehende Frauen, Kinder und Männer, die ihrem Schicksal überlassen werden. Von UN-Soldaten gerettet werden nur Menschen mit heller Hautfarbe, Einheimische bleiben zurück, ja werden sogar gewaltsam zurückgestoßen und, woran für alle Beteiligten nicht der geringste Zweifel bestehen konnte, den in Sichtweite wartenden Killern zur Ermordung freigegeben. Es handle sich um eine rein innerruandische Angelegenheit, in die sich einzumischen nicht angeraten sei, hieß es damals.

      Jetzt, im Frühsommer 2002, kommt der Besucher, auf dem Flughafen der Hauptstadt Kigali gelandet, in ein Land, das sich ganz entschieden der Zukunft zugewandt hat. Schon im Flughafengebäude künden große Bildtafeln von den Schönheiten des Landes. Endlose Hügellandschaften, terrassenförmig angelegte Felder, ein Sonnenuntergang am Kivusee, freilebende Gorillas in den Ausläufern der Virunga-Kette, jener Reihe von fünf Vulkanen, die die Grenze zu Uganda und zum Kongo bilden.

      Über eine mäßig befahrene zweispurige Straße geht es Richtung Stadtzentrum. An ihren Rändern stehen Werbetafeln der einheimischen Kaffee- und Teeindustrie, auf anderen versprechen Telefonnetzbetreiber landesweit einen lückenlosen Empfang oder kündigt eine internationale Hotelgruppe die baldige Eröffnung eines Kongresszentrums an. Vorbei an dem Parlamentsgebäude, das nunmehr das Übergangsparlament beherbergt und noch deutlich sichtbare Spuren eines Granatenbeschusses zeigt, und vorbei an einer Reihe von Geschäften, kleineren Dienstleistungsunternehmen und Büros, die das Kigali Business Center ausmachen, kommt der Kleinbus nach Kiovu, einem zentral gelegenen Stadtteil, der von der Einfallstraße in zwei Hälften getrennt wird. Rechts, in Kiovu des pauvres, lebten die Armen, links, in Kiovu des riches, die Reichen und Diplomaten, erklärt mir der Beifahrer auf Französisch. Er ist es auch, der den Bus gezielt zum Hôtel des Mille Collines dirigiert. Am französischen Kulturzentrum vom Kreisverkehr rechts ab, einer ansteigenden Straße folgend, erscheint es nach gut 200 Metern auf der rechten Seite. Das Hotel, das zum Symbol der Hoffnung inmitten des Völkermords geworden ist. Während ringsumher die Menschen zu Zehntausenden getötet wurden, war es Zufluchtstätte für mehr als eintausend Tutsi, die dort dank der UN-Präsenz, vor allem aber dank des Verhandlungsgeschicks des Hotelgeschäftsführers, einem Hutu mit guten Verbindungen zu den politischen und militärischen Drahtziehern des Völkermordes, alle überlebten.

      Viel hat sich seitdem augenscheinlich nicht im Hotel verändert. Der Pool, der damals die Flüchtlinge mit Wasser versorgte, ist noch vorhanden, wenn auch die Farbe an vielen Stellen abblättert und der Beton Risse hat. Auch die große Akazie, unter der, so heißt es, einige Völkermordopfer begraben sein sollen, steht noch im Garten. Die Zimmer wirken zwar, als müssten sie bald renoviert werden, aber zusammen mit dem Restaurant in der vierten Etage, das einen Panorama-Blick auf die Hügel von Kigali bietet, vermitteln sie durchaus noch eine Vorstellung von vergangenen Zeiten, als das Mille Collines das erste Hotel Ruandas war.

      An der Rezeption kümmert sich Zozo, der Kleine, wie der Beifahrer aus dem Kleinbus in Anspielung auf seine geringe Körpergröße genannt wird, um Gepäck und Anmeldung. Er besorgt auch den СКАЧАТЬ