Rebekkas Tagebuch. Eckart zur Nieden
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Название: Rebekkas Tagebuch

Автор: Eckart zur Nieden

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

Серия:

isbn: 9783865067050

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СКАЧАТЬ mich, dass ich bisher nichts davon wusste. Ein Familiengeheimnis also. Und da liegt der Gedanke nahe, dass auch die Geschichte meines Vaters damit zusammenhängt.“

      „Aaron und Rebekka Schimmel! Ich ahnte nicht, dass sie ein Tagebuch geführt haben.“

      „Du wusstest also davon ... “

      „Ich war ein kleines Mädchen damals. So wie Leoni jetzt. Meine Erinnerungen sind sehr lückenhaft.“

      „Und – stimmt es, dass es da einen Zusammenhang gibt mit meinem Vater?“

      Thea schwieg einige Augenblicke, bis sie zur Antwort gab: „Nur indirekt.“

      „Aber warum habt ihr nie davon erzählt, du oder Großvater?“

      „Aus dem gleichen Grund. Ja, das kann man vielleicht so sagen. Ach, Paul – es tut mir leid, diese Geheimniskrämerei. Ich weiß sehr wohl, dass du ein Recht hast, von deinem Vater zu erfahren. Ich verspreche dir, in nicht allzu ferner Zukunft werde ich dir alles erzählen.“

      Paul sagte leise: „Ich habe von dir immer viel Liebe erfahren, Mutter. Darum kann ich mir nicht denken, dass du mir ohne triftigen Grund Schmerzen zufügst. Den Schmerz, mir die Auskunft vorzuenthalten. Aber es wäre leichter für mich, wenn ich wenigstens den Grund wüsste.“

      Eine Weile herrschte Stille. Nur langsame Kaugeräusche waren zu hören.

      Stefanie blickte plötzlich auf. „Hat es mit Opa zu tun?“

      „Wie kommst du darauf?“

      „Du hast schon mal gesagt, du würdest das Geheimnis bald lüften. Aber worauf wartest du? Willst du dein Schweigen brechen, wenn Opa gestorben ist?“

      Thea sah erst sie und dann ihren Sohn an. Schließlich sagte sie leise: „So viel kann ich zugeben: ja.“

      Paul versuchte zu raten: „Wäre er mit meinem Vater nicht einverstanden gewesen? Aber das ist doch kein Grund ... “

      „Bitte, Paul!“

      Es war offensichtlich, dass sie das Thema wechseln wollte. „Das Tagebuch von Schimmels – ich würde es dann auch gern mal lesen.“

      „Sicher“, antwortete Stefanie. „Lass es uns nur erst zu Ende lesen. Es dauert etwas. Ich lese mir alles mühsam durch, notiere mir auch einiges in meiner eigenen Schrift, was nur schwer zu entziffern ist, und lese es dann Paul vor. Aber dann kannst du es natürlich auch lesen.“

      „Tut mir einen Gefallen: Erzählt Großvater nichts von dem Tagebuch!“

      „Warum nicht?“

      „Ich vermute, wenn ihr es bis zu Ende gelesen habt, könnt ihr euch die Antwort selbst geben.“

      Paul fragte: „Wenn das Geld, die 25 000 Mark, nicht von meinem Vater sein sollten, wie du behauptest, können sie dann von diesen Leuten sein, die hier versteckt waren?“

      „Ich weiß es nicht“, antwortete seine Mutter, „aber ich halte es für sehr unwahrscheinlich.“

      Das Gespräch mit Thea hatte Pauls und Stefanies Neugier noch gesteigert. Aber beide hatten ihre täglichen Pflichten. Erst am nächsten Tag nach dem Mittagessen, wo sie sich sowieso eine kleine Pause angewöhnt hatten, nahmen sie sich das Tagebuch wieder vor.

       22. Juli 1941

       Jetzt liegt die Heuernte hinter uns. Das brachte einige Veränderungen mit sich. Der Raum, in dem wir uns bewegen können, ist ziemlich eingeschränkt.

       Zwei Vorteile hat das aber: Erstens duftet es wunderbar und überdeckt damit die Gerüche vom Kuhstall unter uns. Wir können auch in dem neuen Heu großartig liegen. Und zweitens konnten wir wenigstens etwas helfen. Das Heu, das vom Wagen heraufgereicht wurde, haben wir verstaut.

       Nach langem Drängen hat uns Elisabeth auch sonst einige Arbeit gegeben. Zum Beispiel ziehen wir oft am Vormittag einen Eimer mit Kartoffeln herauf, die ich dann schäle.

      Morgens melkt Ludwig die Kühe unter uns im Stall, ehe er sie auf die Weide bringt. Abends ist das Elisabeths Aufgabe. Während sie beschäftigt ist, singt sie oft. Es sind wohl christliche Lieder, ich kann den Text aber kaum verstehen bis auf wenige Wörter, und ich kenne die Melodien auch nicht. Elisabeth hat eine schon etwas brüchige Stimme, aber sie scheint musikalisch zu sein, denn sie trifft alle Töne sauber und hat keine Mühe, etwa einen oder zwei Töne höher oder tiefer anzustimmen, wenn sie merkt, dass sie an den Rand ihres Stimmumfangs kommt. Obwohl es kein Genuss im ästhetischen Sinne ist – sie denkt vermutlich beim Singen gar nicht an die Zuhörer über sich –, lege ich mich dann gern im Heu zurück und lausche auf ihren Gesang. Auch Aaron scheint von dieser schlichten Ungezwungenheit ihres Singens berührt zu sein und hört still zu. Schmunzelt nur zwischendurch, wenn Elisabeth mit einer der Kühe redet.

       Als sie zum ersten Mal eine Kuh mit ihrem Namen ansprach – es sind alltägliche Mädchennamen wie Lisa oder Erna –, bekam ich einen Schreck, weil ich dachte, eine Frau sei mit im Stall. Inzwischen kenne ich alle sechs Kühe mit Namen.

       Heute war Ludwig bei uns. Er wollte sich für unsere Hilfe bedanken. Ich dachte erst, er wollte einen Scherz machen. Aber nein, er meinte es ernst. Aaron dankte ihm, dass wir die Möglichkeit hatten, ein wenig zu helfen und so wenige Promille von der Schuld abzutragen, in der wir bei ihm stehen.

       Wir haben uns über Politik unterhalten. Er schilderte uns, wie es mit dem Krieg steht. Deutsche Luftangriffe sollen England in die Knie zwingen. Das scheint aber nicht zu gelingen, so wie Hitler sich das gedacht und Göring es ihm versprochen hat. Ludwig scheint darüber nicht traurig zu sein. Im Radio würde auch immer von den Erfolgen der U-Boote berichtet, die die britische Handelsblockade um Deutschland knacken und England vom weltweiten Handel aussperren sollen. Ich stelle mir das schrecklich vor. Da werden Handelsschiffe einfach versenkt mit allen Menschen an Bord. Aber auch für die U-Boot-Besatzungen wird es kein Vergnügen sein. Sie leben auf noch engerem Raum als wir hier.

       In Afrika, wo ein deutsches Afrikakorps die Italiener unterstützt, unter Führung eines gewissen Rommel, soll es große Erfolge geben.

       Ludwig erzählte uns von zwei jüdischen Familien, mit denen er bekannt gewesen war. Sie sind plötzlich verschwunden. Die eine schon vor zwei Jahren, die andere erst kürzlich. Ich hatte den Eindruck, er wolle damit seine Mahnung unterstreichen, wir sollten ja nicht unser Versteck verlassen. Aber das haben wir auch nicht vor. Eine Warnung war nicht nötig, wir kennen die Gefahr und verdrängen sie nicht mehr.

       So kamen wir allgemein auf das Thema der Juden in Deutschland zu sprechen. Aaron sagte zu Ludwig: „Ich weiß, dass du kein Antisemit bist. Aber wie ist genau deine Einstellung zu den Juden?“ Ich fand die Frage ein bisschen aufdringlich, aber da denkt Aaron anders als ich.

       Ludwig dachte einige Augenblicke nach – sicher nicht, um zu überlegen, wie er in der Sache dachte, sondern um die richtigen Worte zu finden, es zu erklären. Dann meinte er: „Es gibt nicht den geringsten Grund, Juden zu verachten, denn es sind Menschen wie wir Deutschen. Und wenn manche glauben, Gründe zu haben, dann sind die vorgeschoben. Vorgebracht werden diese Gründe, weil man vor sich selbst rechtfertigen СКАЧАТЬ