Название: Ökumene - wozu?
Автор: Jutta Koslowski
Издательство: Автор
Жанр: Религия: прочее
isbn: 9783865066558
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Die katholische Kirche wie auch die orthodoxen Kirchen sehen für eine solche gegenseitige Anerkennung die Grundlage nicht gegeben. Auch sie wollen eine Einheit, die Verschiedenheit einschließt. Aber sie unterscheiden zwischen der Verschiedenheit einander widersprechender Wahrheiten und einer Verschiedenheit von einander ergänzenden Wahrheiten. Das Letztere ist möglich, denn die Einheit im einen Glauben ist kein logisches oder dialektisches System. Der Inhalt des Glaubens ist vielmehr ein Mysterium, zu dem es verschiedene Zugänge geben kann, die sich nicht widersprechen, sondern sich bereichern und gegenseitig anerkennen können. Abstrakt ausgedrückt: Keine kontradiktorische, wohl aber eine komplementäre Vielfalt ist möglich und erstrebenswert. Dahin zu kommen muss das Ziel sein.
Leider sind wir noch nicht so weit. Deshalb streben wir im Augenblick eher pragmatische Zwischenlösungen an. Sie weisen – nicht zu Unrecht – darauf hin, dass die Landkarte der gegenwärtigen Christenheit nicht allein durch die alten konfessionellen Grenzlinien bestimmt wird, sondern durch einen hohen Pluralismus innerhalb der einzelnen Kirchen, in dem die Bruchlinien oft konfessionsübergreifend verlaufen. So gibt es in allen Kirchen Gruppen und Kreise, die eher mit ähnlich denkenden Christen in anderen Kirchen zusammenarbeiten können als mit manchen Gliedern in den eigenen Reihen. So sind schon jetzt Zweckbündnisse möglich. Die europäische »Charta oecumenica« und der bevorstehende Ökumenische Kirchentag liegen grundsätzlich in dieser Spur. Der Kirchentag fragt: Was können und sollen Christen schon heute angesichts der enormen Probleme und Herausforderungen in der Welt gemeinsam sagen und tun? Solches gemeinsame Zeugnis und solche Zusammenarbeit sind realistische Zwischenschritte, die in die rechte Richtung weisen und neu Hoffnung machen können.
IV.
Noch drei andere ermutigende Zwischenschritte möchte ich erwähnen. Sie können zeigen, dass es in der Ökumene gar nicht so trist aussieht, wie es auf den ersten Blick erscheinen könnte. Einer der großen Ökumeniker des letzten Jahrhunderts, Abbé PAUL COUTURIER von Lyon, hat die Ökumene mit einem »unsichtbaren Kloster« verglichen. In einem Kloster beten die Mönche oder Nonnen in sichtbarer Weise gemeinsam; im unsichtbaren Kloster beten Christen in den verschiedensten Ländern und Kontinenten und in den unterschiedlichen Kirchen zerstreut und doch gemeinsam. Dieses unsichtbare Kloster wird gegenwärtig immer mehr sichtbar. Christen aus allen Kirchen treffen sich oft und regelmäßig zum gemeinsamen Gebet, lesen miteinander die Heilige Schrift und tauschen ihre Erfahrungen aus. Hier wächst zusammen, was zusammengehört.
Noch ein zweites Beispiel: Erst vor Kurzem haben wir in Augsburg das zehnjährige Jubiläum der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre zwischen Lutheranern und Katholiken gefeiert. Die Rechtfertigungslehre war im 16. Jahrhundert bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts der Hauptstreitpunkt. Heute sind Katholiken und Lutheraner überzeugt, einen Konsens in den Grundfragen der Rechtfertigungslehre gefunden zu haben, der die noch bestehenden Differenzen als tragbar erscheinen lässt. Diesem Konsens haben sich inzwischen auch die Methodisten angeschlossen, andere überlegen es sich noch oder bereiten sich darauf vor. Die Einheit wächst!
Schließlich: In den letzten beiden Jahren haben wir im Päpstlichen Einheitsrat die Ergebnisse der Dialoge der letzten 40 Jahre mit den wichtigsten evangelischen Kirchen (Anglikaner, Lutheraner, Reformierte, Methodisten) zusammengetragen und unter dem Titel »Harvesting the Fruits« (»Die Früchte ernten«) veröffentlicht. Ich war selbst überrascht, welch reiche Ernte wir da einfahren konnten. Wir haben weit mehr erreicht, als wir zuvor selbst gedacht haben. Für uns ein kräftiger Ansporn weiterzumachen.
Die Beispiele zeigen, dass die ökumenische Bewegung nicht stillesteht. Kein Grund also zu Alarmstimmung. Manchen mag der Weg, der noch vor uns ist, zu lang erscheinen. Ich kann solche Ungeduld verstehen. Wer an das Reich Gottes glaubt, muss unruhig werden. Aber die Ungeduld ist nur dann »heilige Ungeduld«, wenn sie gepaart ist mit Geduld – die man zu Recht schon als die »kleine Schwester der Hoffnung« bezeichnet hat. Ohne Umkehr, d. h. ohne Bereitschaft zum Um- und Neudenken, zum Abwerfen von Ballast und zum Aufgeben von Profilsucht, wird es nicht gehen – um sich vom Geist Gottes neue Wege führen zu lassen. Da muss jeder bei sich selber anfangen!
3. Aus orthodoxer Sicht
Athanasios Vletsis
1. Ökumenismus als Verrat des orthodoxen Glaubens und Rückkehrökumene als Lösung für das Problem der Kirchenspaltung?
Orthodoxe Kreise in Griechenland haben im April 2009 einen Text verabschiedet mit dem bezeichnenden Namen »Glaubensbekenntnis« (Omologia Pisteos)1. Wie jedoch der Untertitel des Dokuments verrät, geht es dabei nicht um eine neue Form des Credo (eine solche Vorstellung wäre orthodoxen Gläubigen suspekt), sondern um eine klare Abgrenzung des orthodoxen Glaubens vom ökumenischen Dialog, der von diesen Kreisen als »Panhäresie« und als Verrat des orthodoxen Glaubens abgelehnt wird. Die Rückkehr zur orthodoxen Kirche bleibt dann, nach diesem Verständnis, die einzige mögliche Lösung des Problems der Kirchenspaltung, denn allein die orthodoxe Kirche »repräsentiert die wahre katholische Kirche Christi«. Ist nun die Erfahrung, welche die Orthodoxen durch ihre Beteiligung an der ökumenischen Bewegung gesammelt haben, eine negative? Und wie soll nach den Prinzipien der »Rückkehr-Ökumene« der Dialog der Kirchen fortgesetzt werden?
2. Ökumenische Aktivität als vielfältige Bereicherung
Die Wahrnehmung des orthodoxen Glaubens durch den ökumenischen Gesprächspartner
Das ökumenische Patriarchat von Konstantinopel und die Orthodoxen, die an den vielfältigen Dialogen beteiligt sind, beurteilen jedenfalls die Rolle ihrer Kirche im ökumenischen Dialog ganz anders als das eingangs zitierte anti-ökumenische Manifest. Sie sind sogar stolz, dass gerade eine orthodoxe Kirche bei der Idee der Bildung einer Gemeinschaft (Koinonia) von Kirchen entscheidend beteiligt war.2 Auch wenn die verschiedenen orthodoxen Kirchen mit ihren unterschiedlichen Erfahrungen und ihrem je eigenen Welthorizont erst allmählich zur Wahrnehmung der Bedeutung der ökumenischen Bewegung kamen3, hat ihre Aktivität in der ökumenischen Bewegung bleibende Spuren hinterlassen. Dadurch wurde nicht nur die reiche orthodoxe Tradition von anderen Kirchen neu entdeckt – auch für ihre eigene Selbstwahrnehmung hatte diese ökumenische Öffnung Rückwirkung gezeigt. Denn durch die Augen des Gesprächspartners sind orthodoxe Theologen selber zu einem vertieften Verständnis ihrer eigenen Tradition gelangt und haben damit Eigenschaften ihrer eigenen Identität besser kennen- und schätzen gelernt. Insbesondere folgende Bereiche theologischer Tätigkeit wurden im ökumenischen Dialog als ein wesentlicher Beitrag ostkirchlicher Identität hervorgehoben:
Die Erinnerung an den bindenden und normativen Charakter von Entscheidungen der gemeinsamen ökumenischen Konzilien im ersten christlichen Jahrtausend. Da diese Konzilien auf dem Boden der Ostkirchen stattgefunden haben, wurde oft genug im Verlauf der ökumenischen Anstrengungen auf die wichtige Rolle des ostkirchlichen Christentums zur Festigung des christlichen Glaubens verwiesen. Die dogmatischen Beschlüsse von ökumenischen Konzilien haben den Glauben an den Dreieinigen Gott und an seine heilsgeschichtliche Offenbarung in der Person seines Sohnes und in der Wirkkraft des Heiligen Geistes nicht in abstrakten Normen erfasst, sondern vorrangig in feierlichen doxologischen Formeln, wie insbesondere СКАЧАТЬ