Название: Ur-Praxis
Автор: Frank Viola
Издательство: Автор
Жанр: Религия: прочее
isbn: 9783955781590
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Die Strategie des Paulus, Gemeinden eher in großen Städten zu pflanzen, geht allerdings über die Vorteile für das gemeinsame Leben hinaus: Das Evangelium sollte sich auch ganz spontan verbreiten können (1 Thess 1,8). Wenn eine organische Gemeinde gut funktioniert, wird sie die Verlorenen schon allein durch ihre Attraktivität anziehen. In der Großstadt, in der die Menschen oft nahe beieinander leben, ist so etwas gut möglich. Auf dem Land dagegen ist das viel schwieriger. Roland Allen schreibt:
Genau das meine ich mit „spontaner Ausbreitung“. Ich meine damit jenes Wachstum, das auf die nicht-verordnete und nicht-organisierte Aktivität einzelner Gemeindeglieder zurückzuführen ist, die anderen das Evangelium erklären, das sie selber für sich entdeckt haben. Ich meine damit die Ausbreitung als Folge einer unwiderstehlichen Anziehungskraft der christlichen Gemeinde auf Menschen, die deren geordnetes Leben sehen und von dem Wunsch ergriffen werden, das Geheimnis eines Lebens zu entdecken, an dem sie ganz instinktiv teilhaben möchten. Ich meine damit auch die Ausbreitung der Gemeinde durch das Hinzufügen weiterer Gemeinden.36
Antiochia in Pisidien, Philippi, Thessalonich, Korinth, Ephesus und Rom waren keine verschlafenen Nester. Es waren strategische Städte, wo eine spontane Ausbreitung leicht möglich war. F. F. Bruce kommentiert:
Paulus reiste entlang der römischen Straßen und Hauptverbindungswege. Er predigte das Evangelium und gründete Gemeinden in strategischen Zentren. Von diesen Zentren aus verbreitete sich die rettende Botschaft.37
Es fällt auf, dass Paulus eine ganze Provinz bereits als evangelisiert betrachtete, nachdem er in den zentralen Städten einige wenige Gemeinden gegründet hatte. Als er seinen Römerbrief verfasste, hatten er und seine Mitarbeiter erst weniger als zwanzig Gemeinden in Galatien, Griechenland, Kleinasien und Rom gegründet. Gleichwohl sprach Paulus von der „umfassenden Verkündigung“ des Evangeliums zwischen Jerusalem und Rom.
Nach nur zehn Jahren – und weniger als zwanzig Heidengemeinden auf dem Erdkreis – war Paulus der Ansicht, es gäbe für ihn zwischen Jerusalem und Rom kein Betätigungsfeld mehr zum Predigen (Röm 15,19-24). Mit den Worten Donald Guthries:
Zu seinen unmittelbaren Plänen meinte er [Paulus] überraschend, es fehle ihm in den erwähnten Regionen an Spielraum. Das heißt nicht, dass diese Gegenden völlig evangelisiert gewesen wären, war es doch Paulus’ Strategie, Gemeinden an wichtigen Zentren zu gründen und zu erwarten, dass diese das Evangelium in die Außenbezirke trügen. Nur dadurch war er in der Lage, in so vielen Regionen zu arbeiten.38
Strategien zur Gemeindegründung und die Leitung des Heiligen Geistes schließen einander nicht aus. Da apostolische Arbeiter von Gott ausgesandt werden,39 ist es Gottes Werk und nicht Menschenwerk, und daher ist es auch der Herr, der sein Werk dirigiert und es voranbringt. Er verfügt, wo das Evangelium verkündet werden soll und wohin seine Diener reisen sollen. Er bestimmt auch den Zeitpunkt (Apg 10,9-11, 19-20; 13,2-4; 16,6-8; 18,8-11; 23,11; Gal 2,2).
Apostel arbeiten auf Einladung örtlicher Gemeinden oder auch aufgrund einer Offenbarung, die sie an einen ganz bestimmten Ort führt. Den christlichen Mitarbeitern des ersten Jahrhunderts war die innere Leitung des Herrn nicht fremd (1 Kor 2,7-16). Letztlich ist es Jesus Christus, der die Gemeinde durch seinen Geist baut. Die Menschen sind nur seine Werkzeuge.
Zusammenfassung
Das Neue Testament zeigt uns vier Wege auf, wie im ersten Jahrhundert Gemeinden gegründet und damit sichtbare Gemeinschaften des Reiches Gottes geschaffen wurden:
• Das Jerusalemer Modell: Eine Gruppe apostolischer Mitarbeiter verbringt einige Jahre mit der Gründung einer großen Gemeinde. Nach ein paar Jahren wird die Gemeinde auf mehrere Städte verstreut (verpflanzt), woraus viele neue Gemeinden entstehen. Die apostolischen Arbeiter besuchen die neuen Gemeinden und sorgen für solide Fundamente.
• Das Antiochia-Modell: Die apostolischen Arbeiter werden von einer örtlichen Gemeinde ausgesandt, um in anderen Städten Gemeinden zu gründen. Die Apostel verlassen diese Gemeinden noch im Anfangsstadium, lassen ihnen aber von Zeit zu Zeit Hilfe zukommen und ermutigen sie während ihres Reifungsprozesses.
• Das Ephesus-Modell: Ein älterer Arbeiter lässt sich in einer bestimmten Stadt nieder, um dort eine neue Gemeinde zu gründen und jüngere Arbeiter zu schulen. Diese sendet er anschließend aus, damit sie in den nahegelegenen Regionen neue Gemeinden gründen.
• Das römische Modell: Christen aus verschiedenen Gemeinden verpflanzen sich selbst in eine bestimmte Stadt, um dort eine neue Gemeinde zu gründen.
Weil diese vier Modelle von Gott gegeben wurden, glaube ich nicht, dass man sie noch verbessern könnte. Ironischerweise findet man heute allerdings nur selten ihre Umsetzung. Dazu sagt Watchman Nee:
Die Verhältnisse haben sich seit den Tagen der ersten Apostel sehr verändert … Das Christentum hat seine ursprüngliche Reinheit verloren, und alles, was damit zusammenhängt, ist in einen falschen und verwirrten Zustand geraten. Ungeachtet dieser Tatsache ist aber unser Auftrag heute immer noch derselbe wie in den Tagen der ersten Apostel. Wir sollten Ortsgemeinden ins Leben rufen, die der Ausdruck des Leibes Christi an diesem Ort sind.40
Bei Roland Allen klingt es ganz ähnlich, wenn er schreibt:
Wenn heute jemand zu sagen wagt, die paulinischen Methoden, die solch wunderbare Ergebnisse hervorbrachten, seien unserer sorgfältigen Beachtung und vielleicht auch Nachahmung wert, begibt er sich sofort in Gefahr, revolutionärer Neigungen verdächtigt zu werden … Ich kann nur sagen: „Dies ist der Weg Christi und seiner Apostel.“ Wer dagegen einwendet, das sei nicht mehr zeitgemäß, die Zeiten hätten sich doch geändert, dem erwidere ich abermals: „Dies ist der Weg Christi und seiner Apostel.“ Dann soll er sich damit auseinandersetzen.41
Ich wünschte, jeder, der sich berufen fühlt, eine Gemeinde zu gründen, würde die Prinzipien des Neuen Testaments noch einmal zu Rate ziehen und sie unter der Führung des Herrn beherzigen.
1 Watchman Nee, Das normale Gemeindeleben. Hannover-Kirchrode: Die Rufer, 1966, 120.
2 Watchman Nee, Church Affairs. Richmond, VA: Christian Fellowship Publishers, 1982, 7.
3 Beachten Sie, dass die Bilder des Pflanzens, der Umbettung und des Verpflanzens der organischen Landwirtschaft entnommen sind, denn die Gemeinde ist organisches, biotisches Leben (1 Kor 3,6-8; 12,1ff.).
4 Ich beziehe mich in diesem Buch bei den Datierungen durchgängig auf mein Buch Ur-Christen: Eine außergewöhnliche Chronologie der Ereignisse des Neuen Testaments. Bruchsal: GloryWorld-Medien, 2011.
5 Man darf nicht vergessen: Die zwölf Apostel blieben СКАЧАТЬ