Название: Ur-Gemeinde
Автор: Frank Viola
Издательство: Автор
Жанр: Религия: прочее
isbn: 9783955781477
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Die Folge war, dass ihre natürlichen Eigenschaften für immer entstellt wurden. Genies Gang glich dem Hoppeln eines Kaninchens. Ihre Hände hielt sie wie Pfoten. Feste Nahrung konnte sie nicht zu sich nehmen, Schlucken fiel ihr schwer. Sie spuckte und schniefte häufig. Auf Gegenstände in mehr als vier Meter Entfernung, konnte sie ihren Blick nicht fokussieren. Ihre Sprechen war auf ein kurzes und schrilles, kaum zu verstehendes Quieken beschränkt.
Nachdem man Genie aus ihrer entsetzlichen Behausung befreit hatte, vergrößerte sich ihr Wortschatz schlagartig. Trotzdem konnte sie keine zusammenhängenden Sätze bilden. Was war geschehen? Einige Wissenschaftler vermuteten eine Veränderung ihrer Erbanlagen (DNA) als Folge falscher Ernährung und mangelnder Sozialkontakte.
Übertragen wir diese Geschichte auf den geistlichen Sachverhalt: Ähnlich der großblättrigen Hortensie wird auch eine organische Gemeinde von ihrem gesellschaftlichen Umfeld beeinflusst. Oder – wie im tragischen Fall von Genie – kann eine Kultur den natürlichen Ausdruck einer Gemeinde bis zur Unkenntlichkeit entstellen und ihr natürliches Wachstum beeinträchtigen. Nach meiner Überzeugung ist es der Gemeinde im Laufe ihrer Geschichte so ergangen. Folglich gleicht das, was wir heute „Kirche“ nennen, nicht dem, was Gott sich ursprünglich darunter vorgestellt hat.
Die Gemeinde ist von ihrem Wesen her organisch. Wenn man sich nicht in ihr natürliches Wachstum einmischt, wächst sie zu einer schönen Frau heran: ein lebendiges Zeugnis der Herrlichkeit ihres Bräutigams, Jesus Christus. Sie wird nicht die Züge eines Wirtschaftsunternehmens annehmen, sondern vielmehr etwas ganz anderes, etwas völlig Einzigartiges auf diesem Planeten sein, genauso einzigartig wie Jesus Christus, als er auf Erden war. Immerhin ist sie sein Leib und vom Wesen her identisch mit Gottes Wesen.
Dieses Buch stellt den Versuch dar, Gemeinde wieder als Abbild des dreieinigen Gottes zu sehen. Es versucht, die Praxis der Gemeinde in der ewigen Gottheit zu verankern, nicht in den Wanderdünen sich verändernder kultureller Modeerscheinungen, in den schlammigen Gründen biblizistischer Schemata oder in den verseuchten Gewässern religiöser Tradition.
Fragen zum Weiterdenken
• Glauben Sie, dass uns das Neue Testament so etwas wie eine Leitlinie für das Gemeindeleben an die Hand gibt, oder sollten wir es als irrelevant verwerfen?
• Wenn Sie an die an die Kirchen bzw. Gemeinden denken, die Sie einmal besucht haben bzw. noch besuchen. Inwiefern brachten sie das Gemeinschaftsleben des dreieinigen Gottes zum Ausdruck?
• Was bedeutet es, dem Wort Gottes in Bezug auf unsere Gemeindepraxis treu zu bleiben? Wie steht es mit unserem persönlichen Leben und Verhalten?
• Auf welcher Basis bestimmen wir, was im Neuen Testament maßgebend und zeitlos ist und was dagegen nur nebensächlich ist und mit der Kultur des 1. Jahrhunderts zusammenhängt.
1 Zum besseren Verständnis der Dreieinigkeit empfehle ich The Forgotten Trinity von James R. White (Minneapolis: Bethany House, 1998). Den Thesen der Evangelical Theological Society zufolge ist „Gott eine Dreieinigkeit aus Vater, Sohn und Heiligem Geist; die Personen sind wesensgleich und gleich an Macht und Herrlichkeit.“
2 Stanley Grenz, Created for Community, 52.
3 John P. Whalen und Jaroslav Pelikan beklagen den bedauernswerten Zustand der christlichen Theologie. Nach ihrer Überzeugung halten viele Kirchenvertreter die Dreieinigkeit für ein „Museumsstück mit nur wenig oder keinem Bezug zu den kritischen Problemen der Gegenwart in Leben und Denken.“ (Edmund J. Fortman, The Triune God: A Historical Study of the Doctrine of the Trinity (Philadelphia: Westminster Press, 1972)], xiii).
4 Eugene Peterson, Christ Plays in Ten Thousand Places (Grand Rapids, MI: Eerdmans, 2005), 45.
5 Zitiert nach Ted Peters, God as Trinity, 122.
6 Miroslav Volf, God’s Life in Trinity (Minneapolis: Fortress Press, 2006), xiv. Es herrscht heute weitgehend Konsens unter evangelikalen und anderen Theologen, was die zentrale Stellung der Dreieinigkeit im christlichen Leben betrifft. Vgl. das Literaturverzeichnis im Anhang: viele ihrer Arbeiten sind dort aufgelistet.
7 Eine gute Abhandlung zur Bedeutung der Dreieinigkeit für die Gemeinde findet sich in Kevin Giles, What on Earth is the Church?, 212-229.
8 Stanley Grenz, Theology for the Community of God, 482.
9 Kevin Giles, What on Earth Is the Church? (London: SPCK, 1995), 222.
10 Zitiert nach Kevin Giles, The Trinity and Subordinationism (Downers Grove: InterVarsity Press, 2002), 103.
11 Joh 5,30, 14,28.31 und 1 Kor 11,3 stehen in keinem Widerspruch dazu. Diese Stellen beziehen sich auf die freiwillige Unterordnung Christi in seiner irdischen Existenz als Mensch unter Gott den Vater. Er veranschaulichte damit, was es für einen Menschen heißt, sich Gott unterzuordnen. Diese Stellen belegen weder eine hierarchische Struktur noch eine Befehlsordnung innerhalb der Gottheit. Deshalb weisen Theologen jede Vorstellung von einer Hierarchie innerhalb der Gottheit entschieden zurück. In seinem Buch Gemeinschaft (Gerth Medien, 2005) weist Gilbert Bilezekian nach, dass die Kirche den Gedanken einer Subordination innerhalb der Gottheit stets als heidnisches Gedankengut zurückgewiesen hat. Vgl. Kevin Giles, The Trinity & Subordinationism (Downers Grove: InterVarsity Press, 2002); Jesus and the Father (Grand Rapids: Zondervan, 2006); Miroslav Volf, After Our Likeness.
12 Vgl. Frank Viola & George Barna, Heidnisches Christentum?
13 Dieses Prinzip ist zurückzuführen auf die Lehre „Wo die Schrift schweigt“ bzw. auf das so genannte „Regulativprinzip“. Meines Erachtens sind beide in hohem Maße gesetzlich und nicht praktisch umsetzbar. Sie gehen am Ziel vorbei. Das Neue Testament hat uns kein Gesetz gegeben, dem wir folgen müssten. Es ist so, wie Paulus schreibt: „Der Buchstabe [das Gesetz] tötet, der Geist macht lebendig“ (2 Kor 3,6).
14 F. F. Bruce, A Mind for What Matters, 263.
15 F. F. Bruce, The Message of the New Testament (Grand Rapids: Eerdmans, 1972), 98.
16 J. B. Philips, aus dem Vorwort zu „Briefe an junge Gemeinden“.