Ferne Frauen. Bodo Kirchhoff
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Название: Ferne Frauen

Автор: Bodo Kirchhoff

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: FVA Digital: Erzählungen Bodo Kirchhoffs

isbn: 9783627020422

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СКАЧАТЬ Schlußakkord. Ich sah Sie vorhin bei mir und dachte: Ich komm mal vorbei. Oder haben Sie keinen Angenehmen Abend noch gewünscht? Angenehmen Abend noch, haben sie doch deutlich gesagt und hätten dabei fast gezwinkert; schon fertig gebadet? Ich habe ihr Wasser gehört. Und was heißt helfen? Ich hasse alle Helfer. Ich suche doch Leute wie Sie, ohne Mitleid. Wir zwei Unmenschen in Ihrer Wohnung, wie wär’s? Sie lachte hell auf, und ich fror und wollte meinen Hausmantel holen. Wohin gehen Sie? schallte es durch den Flur. Sie gehen doch auch nicht mitten in der Sendung weg! Ich löste das nasse Handtuch von meinem Körper und machte einen Knoten hinein, Sekunden vergingen. Dann seufzte sie plötzlich, und ich schlug den Knoten gegen die Tür. Wieder vergingen Sekunden, bis sie den Atem einzog und sich leise bedankte und mir riet, etwas anzuziehen, um mich nicht zu erkälten. Da schlug ich erneut zu, um sie zum Schweigen zu bringen, und sie sagte, He, und rieb an der Tür und machte Pschscht. Wir gehören ja beide zu der Sorte, die sich zu Hause selber umarmen. Gar nicht so einfach, stimmt’s? Die Arme reichen nicht aus. Man steht wie abgebrochen da. Alles bekannt. Und ein Haustier hilft einem auch nicht. Selbst wenn man es liebt. Ich habe meinen Hund über alles geliebt, bevor ich gemerkt habe, wie hündisch er war. Warum sagen Sie nichts? Immer noch nackt?

      Hauen Sie endlich ab.

      He, das ist doch nicht Ihre Sprache! Sie sperren sich hier ein – das spricht für sich. Ich laufe wenigstens noch frei herum. Heute vormittag war ich im Theater und habe die ganzen Theaterplakate gekauft und dann zu Hause zerrissen. Ich hasse diese schönen Plakate. Nachts lauf ich durch die Stadt und zerkratze sie mit einem Messer. Medea, Nora, Käthchen, ritsch, ratsch. Niemand ist lebendiger als ich, keine Frau.

      Ich ließ das Handtuch fallen und faßte mir an den Kopf. Dann rief ich, Hau ab!, und fügte hinzu, dies sei jetzt die letzte Warnung: Wenn sie nicht auf der Stelle verschwinden würde, geschähe ein Unglück!

      Ein Unglück kommt selten allein, rief sie zurück, und ich hörte ein Geräusch, das wie das Hinstellen eines Eimers klang. Es wurde hell im Flur, ich legte ein Ohr an die Tür; alles war still. Sind Sie noch da? fragte ich. Nur keine Angst, war ihre Antwort. Da schaute ich durch den Spion, aber sah nichts als den Flur. Wahrscheinlich kniete sie wieder am Boden; vor der Tür von Herrn Sato standen auch in dieser Nacht keine Schuhe. Die Stille hielt an, und ich sagte: Sie haben mich also gesehen heut – wie fanden Sie’s denn? Ein Auf und Ab, als wischte sie über die Tür, drang an mein Ohr. Wie ich die Sendung fand? Bis auf Ihr Beinahezwinkern war nichts los. Die normale Verachtung. Aber es gibt so Tage … Manchmal bin ich schon froh, wenn ein Wind die Blätter bewegt. Warum haben Sie nicht richtig gezwinkert? Oder gleich gespuckt?

      Ich legte meine Wange an die Tür und schloß die Augen. Müdigkeit überkam mich, wie ein plötzliches Fieber. Hören Sie, versuchte ich es noch einmal in vernünftigem Ton, ich muß langsam Schluß machen.

      Langsam Schluß machen, wie geht das denn?

      Die Frage hatte ich mir nie gestellt; ich schwieg und löste mich von der Tür, ich trat vor den Spiegel. Das Licht reichte aus, um meine Jammergestalt zu erkennen. Und schon ist man sprachlos, fuhr sie fort. Vielleicht sehen Sie sich mal in das werte Gesicht; langsam Schluß machen: daß ich nicht lache!

      Ich hob den Blick – wie ein Kind, das weinen will, schob ich die Unterlippe vor. Dann kam ihr Lachen, und ich schrie, Verschwinden Sie! und schlug mit den Fäusten gegen die Tür. Es wurde dunkel im Flur. Ich hörte meinen Atem und dieses immer gleichmäßiger werdende Wischen und wieder ein Pschscht. Und da beschwor ich sie zu gehen, ja, flehte darum, und sie gab ihrer Verwunderung Ausdruck, mit einem Tzt-Tzt-Tzt-Tzt-Tzt, ehe sie vor sich hinmurmelte, wie man sich nur so erniedrigen und nur noch Mensch sein könne? Sie habe sich hier den angenehmen Abend versprochen, den ich allen Leuten gewünscht hätte, aber statt dessen … Ich sah förmlich, wie sie den Kopf schüttelte, während mir das Wischen nun vorkam, als zöge sie eine Linie. Was tun Sie da bitte? fragte ich ruhig. Ich streiche Ihre Tür schwarz, sagte sie; sie sagte es in aller Selbstverständlichkeit, und ich dachte im ersten Moment: Wer wird nun meine Sendung kriegen? Dann rief ich: Warum?

      Warum? Damit mal etwas passiert; ich hasse die Zeit wie den Tod. Wissen Sie, woran ich glaube? Nur an den Schlaf. Dort liegt das Glück. Sie armer Wacher.

      Ich griff mir an den Mund und machte einen Schritt auf den Garderobenständer zu. Ihre Stimme klang jetzt, als hätte ich Wachs in den Ohren. Ziemlich groß, Ihre Tür, sagte sie. Aber ich schaff’s schon. Es wird wunderbar aussehen. Wo ich doch so viel Zeit an dieser Tür verbringe, muß sie auch schön sein. Es gibt ja keine schönere Farbe als schwarz; alles muß schön sein in meiner Umgebung. Es muß zu mir passen. So wie Sie.

      Ich passe nicht zu Ihnen!

      Wenn ich hier fertig bin, schon.

      Im Ton eines Liebesversprechens sagte sie das, und ich streckte einen Arm und griff nach dem Golfzeug; sie redete weiter und weiter, wie es mir schien. Ich tastete, bis ich den bleigefüllten Treiber hatte und drehte mich um. Es war nach wie vor dunkel im Flur, aber sie strich noch immer die Tür. Da war dieses Pinselgeräusch – als striche sie mir meinen Rücken. Was habe ich Ihnen getan? sagte ich wohl als nächstes, ich habe doch nur zugehört am Telefon, ich war freundlich zu Ihnen …

      Von der anderen Seite keine Antwort, und ich packte die Klinke. Es roch jetzt nach Lack, bis in die Diele. Aber vielleicht, sagte ich, wollen Sie es allen erzählen, was Sie mir erzählt haben – bitte, ich lade Sie ein. Sie erhalten Gelegenheit, sich in der Sendung zu äußern. Ich habe vier Millionen Zuschauer, im Durchschnitt.

      Und da glaubte ich sie lachen zu hören und den Farbeimer ausleeren und riß meine Tür auf, nackt wie ich war, und schlug mit dem Treiber ins Dunkle und traf etwas und holte aus und schlug wieder und wieder, ohne ein Wort, bis das Licht plötzlich anging und Herr Sato im Flur stand und sich ganz knapp verbeugte, ehe er in die Wohnung zurücktrat. Ich aber schaute mich um und sah ein Loch in der Wand und den Putz auf dem Boden und sah meine Tür, die immer noch braun war, bis auf ein großes schwarzes Kreuz, von dem noch in Bahnen der Lack herablief; und der Schläger in meiner Faust, der war ruiniert, ich habe mir das nie verziehen.

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