Drei Historische Liebesromane: Das 1500 Seiten Roman-Paket Sommer 2021. Alfred Bekker
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Drei Historische Liebesromane: Das 1500 Seiten Roman-Paket Sommer 2021 - Alfred Bekker страница 75

СКАЧАТЬ

      In den nächsten Tagen trafen sich Li und Arnulf noch häufiger. Sie zeigte ihm die Stadt auf eine Weise, wie sie ihm ansonsten als Fremden nie zu Gesicht gekommen wäre. Unter anderem führte sie ihn in den Bau der gewaltigen Bibliothek, die eine der größten Sammlungen von Schriften in der Christenheit enthielt. Eine Handvoll der Bände, die hier in den Regalen standen, waren auf Papier geschrieben worden, das aus Lis Fertigung kam. Li holte eines dieser Werke aus dem Regal heraus. „Das ist die Übersetzung eines Kompendiums über die Natur der Krankheiten, das ins Griechische übersetzt wurde. Seht nur die Verarbeitung! Das Papier trägt ein Wasserzeichen, das den Stab des Äskulap darstellt...“

      „Es scheint, als wäre nicht nur Euer Papier zu einem Teil dieser Stadt geworden“, sagte Arnulf.

      „Nein, wenn Ihr das glaubt, dann irrt Ihr. Ich habe nirgendwo mehr Wurzeln. Die sind mir ausgerissen worden, als man uns aus Xi Xia verschleppte.“

      „Ich dachte, die Art und Weise, wie Ihr im Augenblick hier in Konstantinopel Eurem Handwerk nachgeht, erfüllt Euch voll und ganz!“

      „Das tut es auch!“

      „Als ich Euch in Eurer Werkstatt gesehen habe, wirktet Ihr wie jemand, dem der Herr den rechten Platz gezeigt hat.“

      „Das mag sein. Aber wenn ich eins gelernt habe, dann ist es dies: Es kann sich von einem Tag auf den anderen alles ändern. Nichts ist gewiss und was ich heute besitze, kann sich morgen schon in Nichts aufgelöst haben.“

      „Und wenn so etwas passieren würde?“, fragte Arnulf.

      „Dann würde ich an einem anderen Ort von vorne beginnen.“

      „Wahrscheinlich würde Euch auch dort alles gelingen, was Eure Hand berührt, Li.“

      ––––––––

      Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer in der Stadt, dass die Bulgaren die Stadt von ihrem Hinterland abgeschnitten hatten.

      Einige Söldnereinheiten waren in verlustreiche Kämpfe verwickelt worden und nur wenige Überlebende schafften die Flucht bis zu den Stadtmauern, wo man sie einließ.

      Ragnar der Weitgereiste stattete Li einen Besuch ab. Ihm gehörte schließlich das Haus, in dem sie ihr Handwerk betrieb und er profitierte von ihrem Gewinn.

      „Dein Geschick hat dich weit gebracht“, sagte er. „Vielleicht sollten wir meine Anteile in Zukunft neu verhandeln.“

      „Gerade jetzt, da die Zeiten unsicher werden?“, fragte Li.

      „Sie werden nicht unsicher.“

      „Bedenkt, dass wir belagert werden!“

      Ragnar lachte schallend. „Die Stadt ist völlig unabhängig und wird ohnehin zum größten Teil von der See her versorgt. Und abgesehen davon haben diese bulgarischen Barbaren nur einen günstigen Zeitpunkt gewählt, um mal wieder aus ihren Bergen hevorzukommen, solange sich ein Großteil der kaiserlichen Truppen im Osten befindet. Sobald diese Kräfte hier her verlegt worden sind, wird man die Angreifer wieder in die Berge jagen und dann werden die Bulgaren Hinterhalte legen...“ Ragnar schüttelte den Kopf. „Es ist immer dasselbe und wenn du mich fragst, dann hätte der Kaiser dem Bulgarenreich in seiner Nachbarschaft schon längst ein Ende machen sollen!“

      „Ich verstehe nichts von diesen Dingen“, sagte Li. „Ich habe nur erfahren, dass jeder Krieg viel Unglück über die einfachen Menschen bringt.“

      „Manchmal muss man aber auch einen Krieg führen, um dieses Unglück zu verhindern“, fand Ragnar. „Ich habe früher in der Garde gegen die Bulgaren gekämpft und weiß, wie hinterhältig sie sind... Das ist ihre Taktik. Sie versuchen die Verteidiger der Stadt herauszulocken und machen sie dann nieder. Aber eine wirkliche Gefahr sind sie nur, wenn Verräter ihnen die Tore öffnen sollten, solange die Truppen aus dem Osten noch nicht zurück sind.“

      Ragnar sah Li auf eine Weise an, die ihr unangenehm war. Als Christos den Raum betrat, schickte Ragnar ihn mit ein paar barschen Worten hinaus und schloss die Tür.

      „Was erlaubt Ihr Euch?“, fragte Li.

      „Was erlaubst du dir?“, fragte Ragnar.

      „Wovon sprecht Ihr?“

      „Tut nicht so, als würdest du das nicht wissen. Konstantinopel mag die größte Stadt der Welt sein – aber manchmal ist sie so klein wie ein Dorf! Wie kannst du glauben, dass man es nicht bemerken würde, dass du mit einem Ritter des Sachsenkaisers durch die Straßen läufst!“

      „Was?“

      „Er heißt glaube ich Arnulf von Ellingen. Jedenfalls sagte mir das jemand am Hof.“

      Li schluckte und auf ihrer ansonsten stets glatten Stirn erschien jetzt oberhalb der Nasenwurzel eine Zornesfalte. „Es ist nichts Anstößiges daran“, erklärte sie.

      „Li...“

      „Für Euch heiße ich nicht mehr so!“, wies Li ihn zurecht. „Für Euch bin ich Evangelia!“

      „Du fertigst Papier mit dem Zeichen des Kaisers. Das ist eine Vertrauensstellung. Und es könnte sein, dass man bei Hof zu der Ansicht kommt, dass jemand wie du keine allzu enge Verbindung zu jemandem wie diesem Arnulf von Ellingen haben sollte.“ Ragnar zuckte mit den Schultern. „Du wirst sicher klug genug sein, unseren Erfolg nicht aufs Spiel zu setzen.“

      Li schlug das Herz bis zum Hals. Ragnar wollte sich schon zum gehen wenden. Aber so einfach wollte sie ihn nicht gehen lassen, nachdem er sie auf diese Weise abgekanzelt hatte. So dankbar sie ihm auch für die Hilfe war, die er ihr beim Aufbau ihrer Werkstatt gegeben hatte – das gab ihm noch lange nicht das Recht, auf diese Weise über sie zu verfügen und sie zurechtzuweisen. Die Zeiten, da sie unfrei war, gehörten der Vergangenheit an. „Wartet!“, sagte sie mit einer großen Klarheit und inneren Kraft. „Ich werde die Rücksicht, die Ihr von mir erwartet, nicht geben können. Wenn irgendein untergeordneter Logothet am Hof dann der Meinung ist, dass das Schreibmaterial des Hofes besser von anderswo bezogen werden soll, so kann ich es nicht ändern, wenn es ich es auch noch so sehr bedauern würde!“

      Ragnar drehte sich noch einmal um. „Dass muss ja ein wirklich beeindruckender Kerl sein, wenn dir dafür alles andere gleichgültig ist“, stellte er fest, bevor er ging.

      ––––––––

      Beinahe jeden Tag hatten Li und Arnulf sich gesehen und sie hatte jeden einzelnen Moment genossen. Er hörte ihr sogar zu, wenn sie von dem Leben berichtete, das sie in Xi Xia im Haus ihres Vaters geführt hatte – ein Leben, das Arnulf gewiss sehr fremdartig erscheinen musste, da schon ihr selbst so СКАЧАТЬ