Название: Das Rauschen der Stille
Автор: Heidi Cullinan
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783958236943
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Mit ernstem Gesicht beugte sich Emmet näher zu mir. »Du brauchst Menschen, Jeremey. Menschen sind soziale Tiere. Wir werden krank ohne Kontakt.«
Als ob ich das nicht wüsste. Ich liebte diesen Kontakt gerade. Es war seltsam – ich vergaß immer wieder, dass er autistisch war, obwohl es jedes Mal, wenn ich ihn ansah oder mit ihm sprach, offensichtlich war. Größtenteils fühlte er sich jedoch wie jemand an, der nicht von mir genervt war oder sich in meiner Gesellschaft unwohl fühlte. Jemand, durch den ich mich wie eine reale Person fühlte.
Ein Freund.
»Ich bin froh, dass wir Freunde geworden sind.« Sein Blick huschte auf meine Brust.
Ich lächelte ihn an. »Ich bin auch froh, dass wir Freunde sind.«
Emmet wippte sanft. »Ich möchte jetzt mein Bananenbrot essen. Ist es in Ordnung, wenn wir so lange nicht reden, bis wir gegessen haben?«
»Natürlich.« Ich lächelte noch immer. Es war so einfach – er war einfach. Das fühlte sich gut an.
»Wir können weiterreden, wenn wir fertig sind. Ich rede gern mit dir.«
Die angespannten Nerven, die mich seit heute Morgen geplagt hatten, lösten sich langsam, Millimeter für Millimeter. »Mir gefällt es auch.«
Emmet und ich trafen uns nicht jeden Tag, aber wir schrieben immer miteinander. Zuerst kamen die Nachrichten zufällig, aber am dritten Tag fragte er, ob wir unsere Gespräche auf neun Uhr abends festlegen könnten, und er brachte mich sogar dazu, die Sache auf Google Talk zu verlegen, anstatt unsere Handys zu benutzen.
Ich wünschte, du hättest einen iMac oder ein iPhone, schrieb er eines Abends. Die Verbindung von iMessage ist viel besser und wenn du auch Apple Produkte hättest, könnten wir einfacher zwischen dem Computer und Handy hin und her wechseln.
Ich hab nicht mal ein Smartphone, antwortete ich.
Wir haben ein altes iPhone, das du benutzen könntest, wenn es mit deinem Tarif funktioniert.
Ich log, als ich sagte, dass ich es mir ansehen würde. Ich wollte ihm nicht sagen, dass meine Eltern niemals zustimmen würden.
Seit dem Picknick war die Stimmung zwischen meinen Eltern und mir aus verschiedenen Gründen angespannt, aber es dauerte nicht lange, bis Emmet das Zentrum unserer wiederkehrenden Diskussionen wurde. Sie hatten gesehen, wie ich auf dem Straßenfest mit ihm gesprochen hatte, und hatten auf dem Nachhauseweg nach ihm gefragt, aber ich hatte größtenteils abgewunken. Ich wusste, dass Emmet lieber bei sich zu Hause war, also trafen wir uns dort und um ehrlich zu sein, fühlte ich mich im Haus der Washingtons auch wohler. Als ich am dritten Tag in Folge von einem Besuch nach Hause kam, war ich froh, ihn nicht zu mir eingeladen zu haben und ich schwor mir, dass eher die Hölle zufrieren würde, als dass ich es tun würde.
»Wo warst du?«, fragte meine Mom, als ich zur Tür reinkam. »Ich hab den ganzen Garten abgesucht, aber du warst nirgends zu finden. Bist du wieder auf den Gleisen gelaufen?«
Kurz zog ich in Erwägung, zu lügen, aber es fühlte sich falsch an, über Emmet zu lügen. »Ich hab einen Freund besucht.«
»Bart?« Die Haltung meiner Mutter änderte sich vollständig. Sie lächelte und ihre Schultern sanken leicht herab, als würde die Welt langsam wieder in die richtige Bahn kommen. »Ich wusste nicht, dass ihr euch wieder trefft. Wie geht's ihm?«
Jetzt wünschte ich mir, meinem ersten Impuls gefolgt zu sein und sie anzulügen. »Es ist nicht Bart. Ein neuer Freund.« Ich sah, wie sich die Frage auf ihrem Gesicht abzeichnete, die Verurteilung und Kritik an Emmet, und entschied, sie in die Falle zu locken. »Er studiert im zweiten Jahr an der ISU. Doppelter Studiengang in Informatik und moderner Physik.« Vielleicht war es auch angewandte Physik. Es war mir egal – modern klang besser.
Sie hielt inne, geschlagen in ihrem eigenen Spiel. »Ein Universitätsstudent, hier? So weit weg vom Campus? Gibt es ein Mietshaus in der Gegend?«
»Nein. Er wohnt bei seinen Eltern. Sollte ich auch machen, um Geld zu sparen. Und wir wohnen ziemlich nah an der ISU, wenn man durch den Park geht.« Ich beschloss, wirklich dick aufzutragen. »Er ist wahnsinnig intelligent. Programmiert zum Spaß an seinem Computer herum.«
»Oh.« Mom entspannte sich und schien beruhigt zu sein, dass ich einen anständigen Freund gefunden hatte, der mich wieder auf Kurs bringen konnte. »Wie heißt er? Ich kann nicht glauben, dass ich nichts über einen Jungen in deinem Alter hier in der Gegend wusste.«
Junge? Wie alt war ich denn, zwölf? »Emmet Washington«, sagte ich und sah, wie sie sich anspannte.
»Jeremey Andrew Samson.« Sie überbrückte die Distanz zwischen uns und schwebte bedrohlich über mir. »Es ist schrecklich von dir, über einen behinderten Jungen zu lügen. Was machst du mit ihm? Babysitten?«
Umgehauen von ihrer Bosheit und Kaltschnäuzigkeit blinzelte ich sie an – außer, dass sie nicht gemein war. Sie war wirklich ahnungslos. »Mom, er hat die Höchstpunktzahl in seinem Collegetest. Er hat wirklich zwei Hauptfächer. Ich passe nicht auf ihn auf. Ich treffe mich mit ihm. Er ist nicht behindert und du solltest dieses Wort ohnehin nicht mehr benutzen.«
Sie verdrehte die Augen. »Komm mir jetzt nicht mit dieser blöden politischen Korrektheit. Behindert heißt zurückgeblieben. Du kannst mir nicht erzählen, dass der Junge normal ist.«
Nein, das konnte ich nicht – aber manchmal hatte ich das Gefühl, dass er um einiges normaler war als ich.
Emmet hatte seine Macken, ja, aber er hatte einen Pragmatismus, den ich nicht nur bewunderte – ich fand ihn beruhigend. Nicht zuletzt wusste ich bei Emmet immer, woran ich war. Wenn er etwas nicht machen wollte, sagte er es. Wenn ihm etwas wichtig war, ließ er es mich wissen. Außerdem war er freundlich – ihm fielen Dinge an mir auf, von denen ich nie erwartet hatte, dass sie jemand bemerken würde, und für ihn waren die Dinge, die ich an mir am seltsamsten fand, ein Teil dessen, wer ich war.
Das beste Beispiel dafür war der Tag, an dem wir zu Wheatsfield liefen, dem Bioladen am Ende der Straße. Emmets Mutter brauchte noch ein paar Zutaten für das Abendessen und Emmet hatte gefragt, ob wir die Besorgungen für sie machen konnten.
»Wie lieb von dir, es anzubieten, Emmet. Danke.« Sie drückte ihm einen Kuss auf die Wange. »Ich hole die Einkaufsliste und den Trolley.«
Ich weiß nicht warum, aber ich war lächerlich aufgeregt, mit ihm einkaufen zu gehen. Wir waren schon vorher um den Block spaziert, meist am Abend, wenn es kühler war, aber zusammen einzukaufen war so häuslich und erwachsen. Das war kein einfaches Wir hängen zusammen ab-Einkaufen. Wir halfen beim Abendessen, zu dem ich schon vorher eingeladen worden war. Diese ganze Episode hatte dafür gesorgt, dass ich mich als Teil der Familie fühlte. Eine wirkliche Familie. Eine gute.
Kaum hatten wir begonnen, die Straße entlangzugehen, hielt Emmet inne. »Nein. Dir gefällt es innen.« Er schob mich ans andere Ende des Gehwegs, auf die Seite, die den Häusern am nächsten war. »Du wirst nervös, wenn du zu nah an der Straße bist.«
»Werde СКАЧАТЬ