Название: Seewölfe Paket 9
Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
isbn: 9783954394982
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In der „Bloody Mary“ hatten sich Schicksale entschieden. Das war alles schon recht merkwürdig, eben wie das Leben so spielt. Nathaniel Plymsons Kneipe war Angelpunkt, Drehbühne, Plattform, Basis für das Schicksal Hasards und damit seiner Seewölfe.
Die „Bloody Mary“ war zu ihrer Ansteuerungstonne geworden, wenn sie Plymouth anliefen. Und mit liebevoller Sorgfalt pflegten sie dann regelmäßig Plymsons Kneipe auseinanderzunehmen. Sie übten gewissermaßen Rache auf Zeit. Denn nichts ging ihnen mehr gegen den Strich als dieser Mensch Plymson, der es gewagt hatte, mittels Schlaftrunk und anderer rüder Methoden harmlose Trinker an Bord irgendwelcher Schiffe zu verschachern.
Der dicke Plymson hatte längst bereut, damals den jungen Philip Hasard Killigrew an die Preßgang Drakes verhökert zu haben. Er war mit dem Menschenhandel seitdem auch vorsichtiger geworden. Ganz aufgegeben hatte er dieses einträgliche Geschäft allerdings nicht. An den Seewölfen würde er sich nicht mehr vergreifen, an keinem, nie mehr!
Das waren nicht nur Seewölfe, das waren Teufel – allen voran dieser wüste, zernarbte Profos Edwin Carberry, mit dem regelmäßig jede Kneipenschlacht begann. Nicht daß Carberry anfing – o nein. Aber der hatte so eine Art, den Krawall herbeizuzaubern. Irgendeiner fiel immer auf den Profos herein, ließ sich von ihm reizen, schlug zu – und gab damit dem ungeschlachten Rauhbein Anlaß, seinerseits zuzulangen.
Und dann wackelte die „Bloody Mary“ in ihren Grundmauern.
Nathaniel Plymson atmete direkt auf, als an diesem Abend kein Carberry in der „Bloody Mary“ auf sondern „nur“ einige der Seewölfe. Zwar war Smoky, der Decksälteste, unter ihnen, der ebenfalls keinem Streit aus dem Wege ging, ihn aber auch nicht direkt suchte. Gut Kirschen essen war mit dem allerdings auch nicht.
„Gentlemen“, sagte der dicke Plymson und verneigte sich hinter dem Schanktisch, über dem ein mumifizierter Stör mit aufgerissenem Maul baumelte. Dieses tote Vieh hatte schon so manchen Sturm erlebt. „Es ist mir eine Ehre, Englands Seehelden begrüßen zu dürfen.“
Smoky lehnte sich an den Schanktisch und musterte den Dicken aus schmalen Augen.
„Nathaniel Plymson“, sagte er drohend, „du lügst schon wieder.“
„Einen Whisky?“ sagte Nathaniel Plymson hastig. „Auf meine Kosten natürlich, Mister Smoky.“
„Einen?“ knurrte Smoky. „Oder hab ich mich verhört?“
„Zwei – für alle Seewölfe, zwei doppelte selbstverständlich.“ Ein bißchen begann Nathaniel Plymson zu zittern. Hörte das denn nie auf mit diesen Kerlen?
„Klingt schon besser“, sagte Smoky mit seiner tiefen Stimme.
Der Dicke zauberte eine Flasche auf die Schanktischplatte, zählte die Seewölfe – es waren sieben –, langte sieben Gläser aus dem Regal hinter sich und schenkte ein.
Smoky drehte sich um und warf einen Blick durch die Kellergewölbe.
Über die Schulter sagte er: „Keine Kerle von der ‚Revenge‘ hier, Plymmy?“
„Nein, Mister Smoky, Sir. Die ist doch ausgelaufen, oder?“
„Scheint so.“ Smoky wandte sich wieder um und verteilte die Gläser, die bereits voll waren, an die Männer.
Bei ihm waren Gary Andrews, Stenmark, Matt Davies, Luke Morgan, Sam Roscill und Pete Ballie. Sie standen aufgereiht am Schanktisch wie Musketiere, Stenmark am rechten Flügel, weil er ein Riese war und sonst den Stör vor der Nase gehabt hätte.
„Auf was trinken wir, Leute?“ fragte Smoky und hob sein Glas.
„Auf Blackys Fuß“, erklärte Pete Ballie.
„Auf Blackys Fuß“, bestätigte Smoky, „möge er gedeihen, heilen und unserem Blacky weiterhin eine gute Stütze sein.“
Sie gurgelten den Whisky herunter.
Nathaniel Plymson schaute etwas wirr. Jetzt tranken diese Kerle schon auf einen gottverdammten Fuß, daß der eine gute Stütze sein möge. Da sollte einer draus schlau werden.
„Nachschenken, Plymmy“, befahl Smoky und wischte sich über die Lippen.
„Jawohl, Mister Smoky, Sir.“ Der Dicke schenkte nach, aber keinen Doppelten.
„Plymmy“, mahnte Smoky, „du wolltest zwei Doppelte ausgeben, bis jetzt sind’s erst zwei Anderthalbe.“
„Verzeihung“, murmelte Nathaniel Plymson.
„Oder wolltest du uns löffeln, Plymmy?“ fragte Smoky bedächtig.
„Aber nein, Mister Smoky.“ Hastig schenkte der Dicke nach. Waren die Kerle doch auf Krawall aus?
„Auf was trinken wir jetzt?“ fragte Smoky.
„Auf daß Blackys Fuß splitterfrei sei“, sagte Gary Andrews.
„Auf daß Blackys Fuß splitterfrei sei“, bestätigte Smoky. „Möge der Doc einen jeglichen Splitter gefunden haben.“
Der Inhalt der sieben Gläser verschwand in sieben Männerkehlen.
„Nachschenken, Plymmy“, befahl Smoky, „du mußt noch einen ausgeben, einen Doppelten natürlich.“
Nathaniel Plymson verschob seine Perücke – eine schwarze mit kleinen Löckchen. Da hatte wohl ein Pudelfell Pate gestanden.
„Aber ich wollte nur zwei Doppelte ausgeben“, maulte er.
„Nathaniel Plymson“, sagte Smoky drohend, „du stehst vor Englands Seehelden, deren Kapitän von Ihrer Majestät der Königin angesichts des Towers auf den Planken der ‚Isabella‘ zum Ritter geschlagen wurde. Seehelden haben ein Anrecht auf vier Doppelte. Ist das klar?“
„Jawohl, Mister Smoky, Sir.“ Nathaniel Plymson mußte eine zweite Whiskyflasche köpfen – besser das als eine erneute Schlacht in der „Bloody Mary“. Man mußte mit diesen Kerlen wie mit rohen Eiern umgehen, da half alles nichts. Na, da würde er eben bei den anderen Zechern ein bißchen panschen.
Sieben Doppelte wurden eingeschenkt.
„Auf was trinken wir, Männer?“ fragte Smoky.
„Auf unsere Lissy“, sagte Luke Morgan, „die unseren guten alten Carberry küssen wollte.“
Nathaniel Plymson riß die Augen auf.
„Auf unsere Lissy“, bestätigte Smoky, „die das alte Rübenschwein küssen wollte. Möge sie England erhalten und uns Seewölfen bis ans Ende unserer Tage wohlgesonnen bleiben.“ Er reckte das Glas. „Drei Hurras für Ihre Majestät die Königin – Hurra!“
„Hurra!“ brüllten die sieben Seewölfe.
„Hurra!“ donnerte Smoky – und das Echo folgte.
Und noch einmal fegte das „Hurra“ durch die „Bloody Mary“. Der mumifizierte Stör schwang sanft hin und her.
„Nathaniel Plymson“, СКАЧАТЬ