Название: Todesluft
Автор: Thomas L. Viernau
Издательство: Автор
Жанр: Триллеры
isbn: 9783967525144
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Am Mittwoch pünktlich um dreizehn Uhr stand Hainkels kleiner Hyundai vor dem Eingang zum Sanatorium. Linthdorf wartete bereits. Mühsam zwängte er sich in das kleine Automobil, Hainkel musste grinsen.
Schmalkalden lag nur ein paar Kilometer östlich von Bad Liebenstein. Die Fahrt ging durch eine zauberhafte Landschaft mit blühenden Rapsfeldern und einem Flusstal. Das sei die Werra, einer von Thüringens größten Flüssen.
Linthdorf sah interessiert auf das kleine Rinnsal. Erzählte dann Hainkel von der Havel, der Spree, der Oder und der Elbe. Was das doch für gewaltige Flüsse seien.
Die Straßen in Thüringen waren auf alle Fälle besser in Schuss als die Brandenburger Straßen. Auf der dreispurig ausgebauten Fernverkehrsstraße flitzte der Hyundai Hainkels dahin wie von Geisterhand getragen. Nach knapp einer Viertelstunde war das Ortseingangsschild von Schmalkalden zu sehen, gleich dahinter ein großes Werbeplakat aufgestellt.
Das elfhundertjährige Schmalkalden grüßt seine Gäste!
Darunter noch ein Schild: Deutsche Fachwerkstraße.
Und noch ein Schild: Hochschulstadt Schmalkalden.
Linthdorf war beeindruckt.
Vor 1100 Jahren gab es in Brandenburg nur ein paar herumziehende slawische Fischer und Bauern. An Städte war zu jener Zeit überhaupt nicht zu denken. Die ältesten Siedlungen auf Brandenburger Gebiet waren maximal 850 Jahre alt. Thüringen war ein altes Land und sichtlich stolz darauf.
Schon konnte Linthdorf die ersten Fachwerkhäuser sehen. Es war wirklich so, wie in den bunten Prospekten abgebildet. Prächtige Fassaden, reich geschmückt mit Schnitzereien und Sinnsprüchen, enge Gassen, dazwischen überall Blumenkästen und Bänke zum Verweilen. Hainkel machte zuerst eine kleine Rundfahrt durch die Altstadt, zeigte Linthdorf den »Hessischen Hof«, in dessen Keller Wandmalereien aus der Ritterzeit gefunden worden waren, ebenfalls das »Lutherhaus« mit dem Schwan als Zierde. Eine gewaltige gotische Kirche thronte im Zentrum der Stadt. Viel zu groß für die gerade mal 17000 Einwohner. Das sei die Georgenkirche, in der habe schon Luther gepredigt und auch Melanchthon.
Dann fuhr Hainkel mit ihm auf einer kleinen einspurigen Straße bergauf. Vor ihm lag die Wilhelmsburg, das Residenzschloss der hessischen Landgrafen. Frisch geputzt in Weiß mit rotbraun abgesetzten Fenstern präsentierte sich die majestätische Vierflügelanlage. Ein kleiner Turm bekrönte den Prachtbau. Linthdorf war beeindruckt. Hainkel bemerkte kurz, dass auch die Wilhelmsburg zu den von Einbrechern heimgesuchten Residenzen gehöre. Der Schaden wäre allerdings überschaubar.
Allerdings wären die abhanden gekommenen Objekte gerade für die Stadt sehr kostbar gewesen. Teile des Ratssilbers, ausgesprochen kunstvoll ausgeführte Arbeiten der berühmten Augsburger Silberschmiede, zwei kleinere Gemälde mit Portraits hessischer Landgrafen, ein Abendmahlskelch aus Luthers Zeiten und der vielleicht schmerzlichste Verlust, die beiden Bronzeminiaturen aus der Werkstatt des berühmten Conrad Meit, Adam und Eva, beide auf das frühe 16. Jahrhundert datierend.
Er grübelte, wo in Brandenburg eine ähnliche Stadt existieren könnte. In Gedanken sah er die Kleinstädte der Mark, allesamt graue Mäuse im Vergleich zu dieser prächtigen Residenzstadt.
Nein, mit so viel Prachtentfaltung und Geschichte konnte seine Heimat nicht mithalten. Obwohl, Sanssouci … aber das war ja noch einmal etwas ganz Anderes.
Zumal er von Hainkel erfahren hatte, dass Schmalkalden nur eine von vielen Residenzen in dem kleinen Bundesland war. Wer weiß, vielleicht gab es ja noch prächtigere Städtchen?
Langsam rollte der Hyundai auf der Rückseite des Berges wieder hinab in die Altstadt. Hainkel kannte sich aus, kutschierte gekonnt durch die engen Straßen, parkte seinen Wagen auf einem der kleinen Parkplätze und dirigierte Linthdorf zu einem Café in einer dunklen Gasse. Das Café war im Stil der Sechziger Jahre eingerichtet. Vorn waren Bäckerei und Konditorei, zwei Treppenstufen führten hinauf zum ruhigen Teil. Junge, dralle Frauen mit weißen Zierschürzen und eng sitzenden schwarzen Röcken bedienten.
Ein Blick auf die Kuchenauslage genügte Linthdorf. Auch hier waren die Kuchenstücke groß wie halbe Backsteine. Kein Wunder, dass die Thüringer Damen so propper aussahen. Hainkel bestellte zwei Kännchen Kaffee und die Spezialität des Hauses, frischen Rahmkuchen.
Wieder musste sich Linthdorf eingestehen, solch Hochgenuss nur selten erlebt zu haben.
In einer Pause berichtete ihm Hainkel von seinem gestrigen Erlebnis am Hermannsberg, speziell von dem Medaillon, welches er glücklicherweise noch mit seinem Handy abgelichtet habe. Und natürlich von den zwei seltsamen Toten, zwei Belgier, Blaireau und Renard …
Linthdorf musste lächeln.
Etwas irritiert hielt Hainkel inne. Linthdorfs Kenntnisse der französischen Sprache waren nicht perfekt, aber er hatte Französisch in seiner Schulzeit gelernt und war durch seine Urlaubsreisen immer wieder dazu angehalten gewesen, die Sprache aufzufrischen.
»Wissen sie, was Renard und Blaireau heißt?«
»Nein, das sind eben einfach zwei Namen…«
»Nun, ein seltsamer Zufall vielleicht. Aber Renard heißt Fuchs und Blaireau heißt Dachs. Die beiden würden also Fuchs und Dachs heißen. Sehr ungewöhnlich.«
»Meinen Sie, dass die beiden vielleicht …?«
»Es ist auf alle Fälle ein ungewöhnlicher Zufall.«
»Aber die Reisepässe…«
»Nun, die könnten ja auch gefälscht sein. Man sollte das auf alle Fälle prüfen.«
Hainkel war sich nach diesem kurzen Dialog sicher, dass an dem Vorfall etwas faul war.
Ob er denn …?
Linthdorf wehrte energisch ab.
Er könne nicht in die Ermittlungsarbeit seiner Kollegen vor Ort eingreifen, dass ginge gar nicht. Außerdem sei er auf Kur, das Herz …
Hainkel nickte. Ob er ihm wenigstens ein paar Tipps geben könnte. Er würde eigenständig Recherchen anstellen. Schließlich habe er ein persönliches Interesse an dem Fall, er habe die Toten ja entdeckt. Und das Medaillon, vielleicht gehörte das ja zum Diebesgut. Eine Spur, die es zu verfolgen lohne.
Linthdorf nickte. Als erstes müsse Hainkel herausfinden, wo die beiden gewohnt hätten. Sicherlich in einem Hotel oder einer Pension in der näheren Umgebung. Dann wäre es wichtig, herauszubekommen, an welchen Orten sie sich sonst noch aufgehalten hatten und, ganz wichtig, ob die Namen wirklich existieren.
Da müsse er sich mit den Behörden in Belgien in Verbindung setzen.
Ja, und das Medaillon. Da wäre es klug, das Foto den Sachverständigen der Thüringer Schlösserstiftung zu zeigen. Möglicherweise könnten die es ja zuordnen. Ob es sich um eine Thüringer Prinzessin handele, würden die bestimmt herausfinden.
Hainkel zeigte Linthdorf noch seine Fotos vom Fundort unterhalb des Felsens.
Die beiden Toten wirkten seltsam unwirklich inmitten der Kräuter und Farne. Der Anblick von Toten hatte für Linthdorf jedes Mal etwas Unangenehmes. Obwohl er nun schon so viele Jahre beim LKA tätig war, konnte er sich mit dem direkten Blick auf den Tod nicht arrangieren. СКАЧАТЬ