Eros und die Evangelien, aus den Notizen eines Vagabunden. Waldemar Bonsels
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Название: Eros und die Evangelien, aus den Notizen eines Vagabunden

Автор: Waldemar Bonsels

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 4064066110208

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СКАЧАТЬ diesen Ring fesselt mich eine Erinnerung, ein teures Andenken. Nun?«

      Die Herausforderung in diesem letzten Wort empörte mich, die lässige Aufforderung darin, in meiner Mühe fortzufahren, war herabwürdigend.

      »Und nun haben Sie dieses Andenken entweiht«, sagte ich rasch.

      »Was habe ich getan? Junger Mensch — wenn eines mich wundert, so ist es, daß ich Ihnen nicht längst die Tür gewiesen habe ...«

      »Ich will Ihnen sagen, wie ich denke, damit Sie sich nicht erzürnen«, antwortete ich und faßte mich. »Ist dieser Ring ein teures Andenken an einen Menschen, der Ihnen in Liebe nahesteht, oder gestanden hat, so ist er ein Sinnbild der Gemeinschaft, unvergänglichen Guts, heiligen Daseins über allem, das verfällt. So ist die Sendung, die ihn gehen und wirken hieß, mit der er untrennbar behaftet ist, wie mit seinem Glanz, die des wahrhaftigen Lebens, und nur indem es sich mit ihm erfüllt, ist die Erinnerung an den Geber geheiligt. Ich nehme nach Ihren Worten an, dieser Mensch liegt begraben, Ihnen oder uns allen; wird es nicht sein, als sei er auferstanden, wenn die teure Glut in heimlicher Glorie um seine Gabe neu ersteht, als fiele sie auf ihn zurück, nach dem Kreislauf ihrer Bestimmung, und schlösse ihn in ihr Licht ein? Sie aber drängen mit Ihrem Hang nach totem Besitz den lebendigen Geist in sein kaltes, goldenes Grab zurück.«

      Es wurde still im Zimmer, der Angeredete sah starr vor sich hin, ohne daß mir irgendein Zeichen verriet, ob meine Worte ihn im Guten bewegt oder aufs neue erzürnt hatten. Dann sah er langsam auf, sein Blick überging mit beinah trauriger Entschlossenheit die prächtigen Dinge seines Raums, die Geräte seines Schreibtisches, die Blätter und Bücher darauf, und wurde endlich, als habe er sein eigenes Leben verloren, in das Leben des Lichts gezogen, das durch das Fenster eindrang, und dort verirrte er sich im wesenlosen Geist der Helligkeit.

      Ich dachte daran, daß Asja nun auf ihrem Lager lag und in das gleiche Tageslicht schaute, und mir wollte scheinen, als müßten sich die Blicke dort drüben und draußen in der Höhe begegnen, so daß der Fremde von dem Ausdruck in Asjas Zügen überwunden würde, wie vor kurzem ich selbst, und mir so das Ende des schweren Wegs erspart bliebe.

      »Hören Sie einmal«, sagte da plötzlich die tiefe Stimme und das langbärtige Gesicht wandte sich mir zu. »Sei das, wie es wolle, ich möchte nicht dieses oder jenes, nicht Wohltaten tun, noch Segen stiften, aber ich möchte einmal wieder glauben, auch an mich. Sie haben da eine Erinnerung in mir wachgerufen, auf eine eigene Art wachgerufen, das will ich Ihnen lassen. Weit mehr taucht mit ihr mein eigenes Leben vor mir auf, als dasjenige der Toten, von der dieser Ring stammt. Ich weiß nicht, wer Sie sind und welch merkwürdiges Unterpfand des Wesens Ihnen diese Kraft gibt, ich möchte es nicht prüfen noch ergründen, denn ich fürchte mich vor Eingeständnissen, für die ich noch nicht alt genug bin. Ich will Ihnen glauben, lassen Sie sich daran genügen, ich will es, es ist mir gleichgültig, ob Sie es verdienen. Diesen Ring selbst werde ich nicht fortgeben, jetzt weniger als je, denn die Macht seiner Mahnung ist von dieser Stunde ab größer geworden und ich bedarf ihrer, mehr vielleicht als andere, mehr sicherlich als Sie. Aber der Sinn, den Sie diesem Ring beimessen, soll sich nach Ihrer Erwartung erfüllen, und ich werde Ihnen die Summe zur Verfügung stellen, die seinen bezahlbaren Wert ausmacht. Es wird Ihnen gleichgültig sein, ob ich ihn Ihnen abkaufe oder ein Händler. Dann können Sie Bücher und alles beschaffen, was Sie wollen und brauchen, oder was Ihre bedürftige Freundin nötig hat.«

      »Gut. Handeln Sie so.«

      »Sie danken mir nicht, nun das ist wohl auch in Ordnung so ... Mir liegt die Zeit im Sinn, in der ich noch so jung und so erwartungsvoll, so zuversichtlich und gläubig war, wie Sie. Damals, als ich diesen Ring erhielt, stand ich im Beginn meiner Laufbahn, ich fing damals an berühmt zu werden, man las mein erstes Buch, es ist jetzt vergessen. Die Zeit geht eben rasch; nun, es kamen andere Werke und trugen meinen Namen in die Welt, aber wissen Sie, was mir über Ihren Worten vorhin so durch den Sinn gegangen ist — daß diese anderen Bücher auch einmal — vergessen sein könnten ... Aber nicht das allein, sondern vielmehr eine seltsame Gewißheit, als sei jene vergangene Zeit, ohne Ruhm und Besitz, durch einen ganz bestimmten Wohlstand reicher gewesen, als die heutige es ist, mit ihrem Erfolg.«

      »Sagen Sie mir das nicht,« lehnte ich ab, »ich wollte Sie nicht demütigen.«

      »Demütigen? Sonderbarer Mensch ...«

      Unsicher und gequält sah ich ins Leere. Mir war, als habe ich unrecht getan, aber erst später sollte ich erfahren, worin dies Unrecht bestanden hatte.

      »Also gut denn,« hörte ich ihn wieder sprechen, »lassen wir ruhen, was ruht, und leben, was leben soll. Ich biete Ihnen tausend Mark an Stelle des Rings und der Bücher; sind Sie einverstanden?«

      »Ja, aber Sie sind es nicht.«

      »Ich bin es. Sie hatten recht, meine Anwandlung zu Eingeständnissen, meine melancholische Selbstbetrachtung, abzulehnen. Vielleicht hoffte ich, mich von einer Niederlage wiederherzustellen, indem ich ein geringes Bild von mir entwarf, um, wenn Sie davongingen, in dem Bewußtsein zurückbleiben zu können, daß ich doch um einiges mehr sei, als ich Sie zuzugestehen genötigt hatte. Der Ruhm verdirbt, wir sind unehrliche Leute vor uns selbst geworden, um die Ehrlichkeit zu retten, um derer willen uns die anderen, die Welt, Bekenner und Eroberer nennt. Sie hat noch keinen Wahrhaftigen ihren Erlöser genannt ...«

      »Also tausend Mark wollen Sie geben?«

      Er schwieg, mit schräg gesenktem Blick.

      »Sie nehmen mir die Freude daran«, sagte er langsam und in erkennbarem Verdruß über sein erneutes, unfreiwilliges Geständnis. Aber er holte dann zögernd, mit zurückgelegtem Oberkörper seine Schlüssel hervor, öffnete ein Schubfach des Schreibtisches, räumte etwas zur Seite, als seien es seine lästigen Gedanken, und entnahm einer Stahlkassette eine lederne Brieftasche.

      »Hier,« sagte er kurz und unsicher, als fürchtete er durch sich selbst bei einem Diebstahl überrascht zu werden, »nehmen Sie und stiften Sie Segen und Gutes.« Er tastete an den Geldscheinen herum, als wollte er ihnen noch einmal, vor dieser Willkür, seine ganze besorgte Neigung zukommen lassen, und doch schien er diese Finger zu verachten, die den Wert des Papiers zu genießen trachteten. »Möge das Geld auf einen Acker fallen, besser bereitet, als es mein Herz noch ist. Und Sie, Sie selbst ... Wer sind Sie denn, so reden Sie doch. Dies alles ist doch höchst eigentümlich. — In die Hosentasche stecken Sie die Scheine?«

      Plötzlich befiel mich eine wilde, heiße Fröhlichkeit. Es war mir, als erwachte ich mit dem Bewußtsein dieses Erfolges endlich aus einer Welt von Beziehungen, Kräften und Verstrickungen, die nichts mit jener zu schaffen hatte, in die ich nun gehen wollte, um der Freundin den Weg zu ihrer Gesundheit und zu glücklichen Tagen zu ebnen.

      »Ich ——?« fragte ich plötzlich wie verwandelt, »ich komme mir vor wie Einer, der sich beim Satan eine Leiter geliehen hat, um Gott in den Himmel steigen zu lassen.«

      »Auch ein Dank«, sagte er verständnislos und sah mich beinahe gierig an, mit einem Ausdruck, den ich so wenig auf seinen Ursprung zu prüfen vermochte, wie er meine Worte.

      »Grüßen Sie Ihre Freundin,« sagte mein Gastgeber, als er sah, daß ich meinen Hut nahm, »berichten Sie mir, lassen Sie sich einmal wieder sehen, tun Sie es, vielleicht wird Ihre Teufelsleiter doch noch zu einer Brücke zwischen uns zwei.«

      Ich ließ es offen.

      »Weiß der Kuckuck, was mir dies bedeuten soll, nun, was geschehen ist, soll recht bleiben, leben Sie wohl. Wie eilig Sie es haben.«

      Er gab mir die Hand, als СКАЧАТЬ