Eros und die Evangelien, aus den Notizen eines Vagabunden. Waldemar Bonsels
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Название: Eros und die Evangelien, aus den Notizen eines Vagabunden

Автор: Waldemar Bonsels

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 4064066110208

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СКАЧАТЬ von mir?« fragte er gedehnt und mit einer Betonung, als hätte ich von einem Schreiner einen Schuh verlangt. »So ohne weiteres, das ist denn doch ... muß ich sagen, ein höchst sonderbares Anliegen. Wer sind Sie denn überhaupt, ich meine eigentlich ...«

      »Ich will Ihnen meinen Namen und meine Adresse später aufschreiben, wenn Sie mir Bücher gegeben haben. Als ich im Auftrag der Druckerei einmal bei Ihnen war, sah ich durch die Türspalte den Reichtum an Büchern, über den Sie verfügen, und ich dachte an Sie, als ich heute früh bei der Kranken war.«

      »Und daraufhin ... ich glaube, Sie sind verrückt. Nehmen Sie es mir nicht übel, aber einem daraufhin ohne weiteres mit dieser Bitte zu kommen, ist denn doch wohl mehr als ungewöhnlich. Sie glauben wohl in mir einen Dummen gefunden zu haben?«

      »Nein,« sagte ich, »man kommt nicht immer gleich auf das Rechte.«

      Der Angeredete schien den Satz daraufhin zu prüfen, ob sein Sinn eindeutig sei, und schaute dabei auf den Teppich nieder, als läse er ihn noch einmal in seinen Ornamenten nach, dann erhob er sich und schritt auf mich zu.

      »Das war allerdings kaum das Rechte, so mir nichts dir nichts bei mir einzufallen. Gibt es nicht Buchhändler oder, wenn es Ihnen an Barmitteln fehlen sollte, Leihbibliotheken genug? Aber es wird wohl zuguterletzt auf etwas anderes herauskommen.«

      Er zog seine Geldbörse und begann mit kurzsichtigen Augen darin zu suchen, während sein Finger die Münzen hin und her schob. »Wundert mich nur, wie Sie es fertiggebracht haben, bei mir einzudringen. Sie haben das Vertrauen Ihres Chefs mißbraucht, mein Lieber ... Bücher! Wie lange kennen Sie denn dieses Mädchen schon?«

      Ich wollte bei der Auswahl des Geldstückes nicht stören und wartete deshalb ab, auf welches die Wahl meines erzürnten und unfreiwilligen Gastgebers fiele. In Erfahrung gebracht habe ich es niemals, denn es wurde mir mit viel Takt in der geschlossenen Hand geboten; jeder andere hätte die Münze sicherlich zwischen zwei Fingern erhoben dargereicht.

      »Sie sind sehr freundlich,« sagte ich ohne zurückzutreten, »aber mir ist mit einer kleinen Geldsumme nicht gedient. Wenn Sie keine Bücher verleihen wollen, so muß ich unverrichteter Sache wieder meines Wegs gehen. Aber ich will es nicht tun, ohne einen letzten Versuch zu machen, Sie davon zu überzeugen, daß weder ein unbedachter und leichtfertiger Einfall, noch die Gier nach einem unverdienten Vorteil mich zu Ihnen geführt haben. Wenn ich den Reichtum an Unterhaltung, Belehrung und Erhebung, an menschlicher Freude und menschlichem Erleiden überdenke, den Sie in Ihrem Zimmer angesammelt haben, all das erschlossene und unerschlossene Glück, das diese Bände bergen, so erscheint es mir für einen Augenblick ungerecht, daß diese farbige Welt mit ihren Landschaften der Seele und der Erde hier verborgen und unbenutzt liegen soll, während ein paar Häuser weiter ein Mensch, der dies alles und mehr in kurzer Zeit für immer aufgeben muß, Verlangen danach trägt, für eine Stunde seine Armut und sein Geschick zu vergessen.«

      Es entstand eine kleine Pause, als ich schwieg. Ein sonderbarer Blick voll Gift und Staunen traf mich, haftete wider Willen an meinen Zügen, umglitt mich, verächtlich geworden, und löste sich endlich in einem Lächeln, voll Neugier und Herablassung.

      »Schon gut, schon gut,« sagte er, »Sie werden mich nicht beschwatzen.«

      Nach diesen häßlichen Worten brach plötzlich eine befangene Gutmütigkeit im Ausdruck seines Gesichts durch, die ich nicht erwartet hatte, und die ich mir nicht erklären konnte, obgleich sie das einzige war, was auf mich wirkte. Wahrscheinlich hat er mir zuvor seine Kraft beweisen wollen, ehe er mir seine Schwäche verrät, dachte ich und darüber wurde ich mutlos, denn ich erkannte aufs neue, was unter den Menschen als stark gilt und was als schwach.

      Da es in meiner Art und unbewußten Neigung lag, den Fortgang eines Wegs immer dort zu suchen, wo ich am tiefsten durch das Wirrwarr der Erscheinungswelt blickte, sprach ich als Antwort von dem, was ich erkannte und sagte:

      »Nun Sie mir durch Ihr Wort bewiesen haben, wie wohl Sie gegen meine Tücke gewappnet sind, wird Ihr Herz einen freien Weg für seine Güte finden können.«

      Mein Gegenüber lachte breit und ungeschickt auf, so daß ich ihn für einen Augenblick bedauerte, aber ich gab dieser Ablehnung nicht nach, sondern wappnete mich aufs neue, ich war entschlossen, zu meinem Ziel zu kommen. Ein leise quälender Zweifel nagte tief in mir und für einen Augenblick haßte ich diesen Mann, der den Wert der feinen Fügung meiner Gedanken verstieß, als spräche ein Narr zu ihm. Ich haßte die Kraft in ihm, die nichts als Roheit war, die ich hassen werde, solange ich atme, die am Tor aller Vernunft und Freiheit lauert und sich Männlichkeit nennt. Da er nun auch noch sagte: »Das war nicht schlecht geantwortet«, verzagte ich fast, denn ein Lob aus der Welt, die wir verachten, ist ärger als ein Tadel aus der Welt, die wir lieben.

      »Woher kommen Sie denn eigentlich, wer sind Sie, haben Sie eine Schule besucht? Nun antworten Sie einmal.«

      »Lassen Sie mich in Ruh«, sagte ich schroff. »So wohlfeil werden Sie Ihr Gefühl der Überlegenheit, das Sie vermissen wie eine Krücke, nicht zurückbekommen. Was geht Sie das an, woher ich komme? Wollen Sie mir ein Mittel geben, Sie sichtbar zu täusche, damit es Ihnen leichter wird, mir nicht zu glauben? Sie glauben mir längst. Ich lasse mich nicht auf ein Gebiet locken, auf dem Sie schon deshalb recht behalten, weil Sie eine hohe Haltung gegen eine niedrige vertauschen.«

      »Das ist also einfach eine Unverschämtheit«, sagte mein Gegner freundlich, lachte und setzte sich breit und sicher mitten auf seinen Sessel.

      »Nehmen Sie Platz«, fuhr er in einem veränderten Ton wohlwollenden Befehls und skeptischer Neugier fort, in dem seine Niederlage lag. »Sie haben vollständig recht. Ich müßte ein Lump sein, wenn ich das nicht zugäbe. Aber Bücher bekommen Sie keine.«

      Welch ein armseliger Seitenweg ist diese halbe Freundlichkeit, dachte ich. Er zieht die Pfeile aus seiner Brust, bricht sie ab, und tut, als seien sie stumpf gewesen. Eher werden die Ströme zu den Bergen zurückfließen, als daß einem Menschen meiner Zeit sein fanatischer Glaube an den Triumph der Mittelmäßigkeit abhanden kommt. Ich fürchtete den aufsteigenden Ekel, der mich noch immer entwaffnet hat, und warf mich übereilig auf die Bahn eines neuen Mittels. Ich darf nicht auf diese halbe Belustigung eingehen, wußte ich, dieser Mann reißt mich anders in seine Niederlage hinein, und am Ende erhalte ich doch noch die Münze, die er immer noch zwischen den Fingern drückt, als stammte sie aus einem Taschendiebstahl. Zudem kam mir über dem Gedanken an diese Münze in den Sinn, daß ein paar Bücher, die ich vielleicht doch endlich leihweise erhielt, der Freundin wahrscheinlich wenig genug bedeuten würden, denn nicht nur ihre Frage nach meinen Beständen, sondern auch ihre Miene hatten mir verraten, wie schwer ihrem Anspruch Genüge getan werden konnte. Auch erschien es mir, als sei der ganze Kraftaufwand dieser Stunde schon viel zu groß, als daß ein paar entliehene Bände ihn endlich zu rechtfertigen vermöchten. Ich mußte viel mehr erreichen. Mein Mißerfolg lag daran, daß mein Kraftaufwand in keinem Verhältnis zu meiner Forderung stand; was konnte diesen bedrängten Ungläubigen mißtrauischer machen, als meine Anspruchslosigkeit?

      Während ich sann, betrachtete mein Gegenüber mich mit unverhohlener Aufmerksamkeit, mit einer etwas benommenen Neugier, deren Lebenslicht mir aber keineswegs die Furcht einjagte, er möchte mich mit diesen aufgetanen Augäpfeln auch durchschauen. So sagte ich, meiner selbst sicher:

      »Wenn ich den Ring betrachte, den Sie an Ihrem Finger tragen, der sicher nur einen geringen Teil Ihres großen Besitzes ausmacht, und bedenke, daß schon in ihm die Macht liegt, einem Menschen, der bald sterben wird, noch einmal die irdische Landschaft in Freuden und Ruhe zu erhellen, so meine ich, Sie müßten ihn mir geben, um Ihrer Freude und Ruhe willen.«

      Der Angeredete lächelte betroffen und überlegen, aber nicht mehr mißbilligend. Vielleicht СКАЧАТЬ