Название: Red House
Автор: Andreas Bahlmann
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783862870752
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Du denkst beim Spielen und Hören nicht über die Musik nach, du bist die Musik, sie nimmt dich mit und du lässt sie durch dich über dein instrumentales Sprachrohr rausfließen. Mal hart, mal weich, mal grinsend, mal weinend, mal fröhlich lachend, mal rau, mal sanft, mal an der Grenze zur Kitschigkeit entlang schrammend, nie verkniffen, mal liebestrunken, mal liebeskummernd, himmelhochjauchzend und höllenabgrundtief … das ganze Leben in der Gesamtheit.
Die Texte erzählen oft punktuelle Geschichten, aber die Erlebnisse, die Musik, das in Blues verpackte Gefühl entspringen immer dem ganzen Leben – und das endet fast nie nach drei Minuten …
Es gibt da sogar die Momente, wo man den, nicht nur an Kreuzungen lauernden Blues-Geistern begegnet. Sie sind warm, freundlich und neugierig und sie begleiten einen für eine Weile und diese Augenblicke sind geradezu magisch und manchmal spüren unsere Zuhörer und Zuschauer das auch.
Ein Blues-Stück wird meist aus einem langsam und stetig gleitenden Lebens-Fließband genommen, gespielt und dann wieder dem Fluss des Lebens zurückgegeben, bis es vom Nächsten gespielt und interpretiert wird … Die Stücke sind einfach immer da und kommen zu dir, wenn du sie brauchst – wie und wann auch immer.
Vielleicht ist das auch ein Grund, dass sich in den Ohren vieler Blues-Stücke auch sehr ähneln.
»… für mich hört sich das alles gleich an …« – höre ich öfters, aber es ist nie gleich, es sind die oft nur sehr feine Nuancen, die den Unterschied machen. Oft kaum wahrnehmbar, aber um so schwieriger, nicht nur in der Umsetzung beim Spielen. Man muss zuhören können, wie im Leben auch.
Musikalisch bewege ich mich im Blues-Duo teilweise genau dort, was Jimi zu seinem magisch-genialen Intro zu »Red House« gebracht hat und es macht wunschlos und auch glücklich. Manchmal ist es wie eine langsame Reise auf einem Fluss, der einen sanft umspült und behutsam mitnimmt. Ich fühle mich sehr wohl in der Gegenwart so vieler Blues-Geister. Die Blues-Geister schreiben dir die Geschichten des Lebens in die Seele und du hast keine Chance, diesen Erlebnissen aus dem Weg zu gehen. Du musst offen sein und diese Geschichten erkennen, in dein Leben aufnehmen. Geschichten wie die folgende gehören dazu:
»Ey, Gottfried, … nee …, das sollen dir die anderen selbst erzählen und du müsstest mal den Einheitenzähler am Telefon sehen … der hört überhaupt nicht mehr auf zu laufen! …« – »Komm, … scheißegal! … Du kriegst mein Auto für die Rechnung! Jetzt erzähl mir endlich, was los ist! Was ist zu Hause passiert?« wollte ich nur wissen.
Das Auto-Argument überzeugte schlagartig und mein Wohngemeinschafts-Kumpel erzählte mir die ganze Geschichte, zumindest das, was er wußte oder wissen wollte, um mir die herzzerreißenden Details zu ersparen. Aber es war genug, um zu wissen oder die Gewissheit zu haben, dass da im fernen Europa, in Deutschland, in meiner Stadt, in meiner Wohngemeinschaft, in meinem Herzen etwas fürchterlich schief gelaufen und so richtig beschissen aus dem Ruder gelaufen war.
Wie betäubt legte ich den Telefonhörer auf und ging mit zerrissenem Herzen zurück zu meiner Unterkunft.
Ich hatte ein »R«-Gespräch aus den USA, dem Staat New York, zu meiner Wohngemeinschaft angemeldet und dieses Gespräch ist bis heute das teuerste Telefongespräch meines Lebens geblieben.
Nachdem das recht kurze, aber so teure Gespräch mit meinem Wohngemeinschafts-Kumpel beendet war, musste ich mir schmerzhaft klar machen und wehrlos verkraften, dass ich innerhalb weniger Sekunden meine große Liebe, meinen bis dahin besten Freund und zu guter Letzt auch noch mein Auto, einen weißen Peugeot 504 mit Lenkrad-Schaltung verloren hatte.
Scheiß-Telefon!
Wie diskret war da doch der Postweg gewesen, hatte ich doch seit Wochen keine Antwort auf meine Briefe erhalten. Mittlerweile ist das weit über dreißig Jahre her und ich musste ein derartiges Telefongespräch nie wieder führen.
Ich hatte nun keinen weißen Peugeot 504 mit Lenkradschaltung mehr zum Bezahlen. Es bleibt jetzt jedem selbst überlassen, zu beurteilen, was im Nachhinein und rückblickend betrachtet der schwerwiegendste Verlust war …
Mein WG-Kumpan fuhr auf jeden Fall anschließend mit dem »ertelefonierten« weißen Peugeot 504 mit Lenkradschaltung in den Urlaub nach Griechenland.
Er war zu der Zeit ein wirklicher Wohngemeinschafts-Kumpel. Wir praktizierten eine ganz eigene Art des Zusammenwohnens. Er war damals Soldat im Grundwehrdienst, war mit der Verweigerung gescheitert, hatte kaum Geld und keine Lust auf die Übernachtungen in der Kaserne, also fragte er mich, ob in unserer WG ein Zimmer oder Schlafplatz frei wäre.
In unserer siebenköpfigen WG gab's kein freies Zimmer, aber ich fuhr zu der Zeit fast jede Nacht Taxi.
Mein Bett war also Teilzeit-frei oder eben Teilzeit-belegt. Naja, und so teilten wir uns für das nächste halbe Jahr eben ein Bett.
Bedsharing.
Wenn ich morgens von der Schicht nach Hause kam, weckte ich ihn oder er war schon aufgestanden und zum Bund gefahren. Mein Bett war während dieser Zeit – ohne Übertreibung – dauerwarm. Ich habe nie wieder so eng mit jemandem auf rein platonischer Basis zusammengelebt, aber auch nie wieder ein Auto durch die Kosten eines Telefongesprächs verloren. Ich habe aber auch nie wieder bei meiner Abreise einem Freund gesagt, er möge bitte auf meine Freundin achten und auf sie aufpassen, so weit ging mein Vertrauen nie wieder. Außerdem fuhr und fahre ich auch zu gerne Auto. Irgendwie war das alles aber auch Blues, und zwar was für einer …
Der Blues brachte und bringt so manche harte Lebens-Prüfungen und Hindernisse mit sich, die es erstmal zu überwinden galt und gilt.
»Zum Gitarrespielen sind deine Finger zu klein!« Das war die tiefst enttäuschende Antwort, die ich erhielt, als ich zu Hause fragte, ob ich Gitarre lernen darf. Mein Vater besaß eine kleine, alte, warm klingende Wandergitarre, die bei uns weitgehend unbenutzt und unglücklich in der Ecke stand, weil niemand mit ihr spielte. Leider weigerte sich mein Vater, mir einiges auf der Gitarre beizubringen.
Stattdessen hieß es: »Spiel erst mal Klavier, das ist sowieso die Königin der Instrumente …«
»Kann ich denn später Gitarre lernen?«
»Ja, das können wir dann mal sehen …«
Also begann ich im Alter von acht Jahren mit dem Klavierunterricht, nachdem ich zuvor bereits ungefähr ein Jahr Glockenspiel und ein weiteres Jahr tapfer durch die musikalische Hölle des Blockflötenunterrichts gegangen war. Alles ohne Tränen. … Ein Indianer kennt keinen Schmerz …
Blockflöte sollte ich erstmal als musikalische Grundlage lernen. So wurde damals von den Musiklehrern der städtischen Musikschule argumentiert.
Grundlage?
Wofür?
Ich möchte wirklich wissen, was für eine musikalische Grundlage mir die Blockflöte geben sollte. Wenn man Blockflöte als »musikalische Grundlage« erlernt und nicht, weil man es gerne möchte, stellt das Blockflötenspiel eine nicht unerhebliche nervliche Belastung aller Personen in der näheren Umgebung dar. Ich wollte einfach Gitarre lernen, nur СКАЧАТЬ