In der Sommerfrische. Anton Tschechow
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Название: In der Sommerfrische

Автор: Anton Tschechow

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Klassiker der Weltliteratur

isbn: 9783843804660

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СКАЧАТЬ am ganzen Leibe zitternd.

      Beljajew winkte nur mit der Hand und fuhr fort, auf- und abzugehen. Er dachte nur an die ihm zugefügte Kränkung und merkte nicht mehr die Anwesenheit des Jungen. Er, der erwachsene und ernste Mann hatte ganz andere Sorgen. Aljoscha setzte sich aber in eine Ecke und erzählte mit Entsetzen Sonja, wie man ihn betrogen hatte. Er zitterte, stotterte und weinte; zum ersten Mal in seinem Leben war er so roh mit der Lüge zusammengestoßen; bisher hatte er aber nicht gewusst, dass es in dieser Welt, außer den süßen Birnen, Pasteten und teuren Uhren auch noch vieles andere gibt, wofür seine kindliche Sprache keinen Namen hat.

       Grischa

      Grischa, ein kleiner dicker, zwei Jahre und acht Monate alter Junge, spaziert mit seiner Wärterin auf der Promenade. Er hat einen langen wattierten Mantel und warme Galoschen an, um seinen Hals ist ein großes Cachenez gebunden und auf dem Kopf sitzt eine große Mütze mit einer zottigen Troddel. Ihm ist sowieso schon heiß, und nun scheint ihm noch die freundliche Aprilsonne gerade in die Augen und kitzelt ihm die Lider.

      Seine ganze, unsicher und schüchtern einherschreitende, plumpe Figur drückt äußerste Ratlosigkeit aus.

      Bis jetzt hat Grischa nur eine einzige, viereckige Welt gekannt, in deren einer Ecke sein Bett, in der anderen die Lade der Wärterin, in der dritten ein Stuhl steht und in der vierten das Lämpchen vor dem Heiligenbilde glüht. Wirft man einen Blick unter das Bett, so findet man dort eine Puppe mit abgebrochenem Arm und eine Trommel, während hinter der Lade der Wärterin eine ganze Menge verschiedenartiger Dinge liegen: Zwirnrollen, Papierschnitzel, eine Schachtel ohne Deckel und ein invalider Hampelmann. In dieser Welt kann man, außer der Wärterin und Grischa, auch sehr häufig Mama und die Katze sehen. Mama sieht wie eine Puppe aus, und die Katze wie Papas Pelz, nur dass der Pelz keine Augen und keinen Schwanz hat. Aus der Welt, die die Kinderstube genannt wird, führt eine Tür in einen Raum, wo zu Mittag gegessen und Tee getrunken wird. Dort steht der hochbeinige Stuhl Grischas und hängt eine Uhr, die nur dazu da ist, um mit dem Pendel zu schlenkern und zu klingeln. Aus dem Speisezimmer kann man in ein anderes Zimmer treten, in welchem rote Sessel stehen. Dort auf dem Teppich sieht man einen dunklen Fleck, der noch immer die Veranlassung dazu gibt, dass man Grischa mit dem Finger droht. Hinter diesem Zimmer liegt noch ein anderes, in welches Grischa nicht hineingelassen wird und wo ab und zu Papa sich zu schaffen macht. Dieser Papa ist eine außerordentlich rätselhafte Persönlichkeit! Die Wärterin und Mama sind verständlich: sie kleiden Grischa an, füttern ihn und legen ihn zu Bett, aber wozu Papa existiert – das ist unklar. Es gibt noch eine andere rätselhafte Persönlichkeit – die Tante, die Grischa die Trommel geschenkt hat. Bald taucht sie auf, bald verschwindet sie wieder. Wohin verschwindet sie? Grischa hat mehr als einmal unter sein Bett geguckt, hinter die Lade und unter den Diwan, aber dort war sie nicht …

      In dieser neuen Welt dagegen, wo die Sonne in die Augen sticht, gibt es so viel Papas, Mamas und Tanten, dass man gar nicht weiß, zu wem man heranlaufen soll. Das Komischste aber und Albernste, das sind – die Pferde. Grischa sieht zu, wie sie ihre Beine bewegen, und kann nichts begreifen. Er sieht die Wärterin an, damit diese ihm das Rätsel löse, aber die Wärterin schweigt.

      Plötzlich hört er ein furchtbares Getrampel … Auf der Promenade bewegt sich gerade auf ihn zu in gleichmäßigem Schritt eine Truppe aus dem Schwitzbade zurückkehrender Soldaten mit roten Gesichtern und Birkenquasten unterm Arm. Grischa läuft es vor Schreck kalt über den Rücken und er sieht die Wärterin fragend an: ist das schrecklich? Aber die Wärterin läuft nicht weg und weint nicht, es ist also nicht schrecklich. Grischa begleitet die Soldaten mit den Augen und beginnt selbst im Takt zu schreiten.

      Über die Promenade laufen zwei große Katzen mit langen Schnauzen, ausgestreckten Zungen und aufrecht stehenden Schwänzen. Grischa glaubt, dass auch er laufen müsse und läuft den Katzen nach.

      »Halt!«, schreit ihm die Wärterin zu, ihn rüde an der Schulter fassend. »Wohin? Wirst Du wohl artig sein!«

      Dort sitzt eine Wärterin und hält einen kleinen Trog mit Apfelsinen. Grischa geht an ihr vorbei und nimmt sich, ohne ein Wort zu sagen, eine Apfelsine.

      »Was machst Du denn da?«, schreit seine Begleiterin, ihm einen Klaps auf die Hand gebend und die Apfelsine wieder entreißend. »Dummer Jung!«

      Jetzt würde Grischa mit Vergnügen ein Glasstückchen aufheben, das ihm unter den Füßen liegt und in der Sonne wie das Lämpchen vor dem Heiligenbilde strahlt. Aber er fürchtet, dass man ihm wieder eins auf die Hand gibt.

      »Ich habe die Ehre!«, vernimmt Grischa plötzlich über seinem Ohr eine laute, tiefe Stimme und erblickt einen großen Mann mit glänzenden Knöpfen.

      Zu seinem größten Vergnügen reicht dieser Mann der Wärterin die Hand, bleibt mit ihr stehen und beginnt ein Gespräch. Das Leuchten der Sonne, der Lärm der Wagen, die Pferde, die glänzenden Knöpfe, alles das ist so außerordentlich neu und so gar nicht schrecklich, dass Grischas Herz sich mit Wonne erfüllt und er zu lachen beginnt.

      »Wollme gehn! Wollme gehn!«, ruft er dem Mann mit den glänzenden Knöpfen zu und zupft ihn am Rock.

      »Wohin denn?«, fragt der Mann.

      »Wollme gehn!«, beharrt Grischa.

      Er möchte sagen, dass es nicht schlecht wäre, auch Papa, Mama und die Katze mitzunehmen, aber seine Zunge sagt etwas ganz anderes, als was sie soll.

      Nach einiger Zeit biegt die Wärterin von der Promenade ab und führt Grischa in einen großen Hof, wo noch Schnee liegt. Auch der Mann mit den glänzenden Knöpfen folgt ihnen. Sie gehen den Schneehaufen und Pfützen vorsichtig aus dem Wege, steigen dann eine schmutzige, dunkle Treppe hinauf und treten in ein Zimmer. Dort gibt es viel Rauch, es riecht nach Braten und eine Frau steht am Herd und brät Koteletts. Die Köchin und die Wärterin küssen sich, setzen sich zusammen mit dem Mann auf die Bank und beginnen leise zu sprechen.

      Grischa, der warm eingepackt ist, wird es unerträglich heiß und schwül.

      »Woher kommt das?«, denkt er, sich umsehend.

      Er sieht eine dunkle Lage, Küchengeräte und den Ofen, der wie eine große schwarze Höhle starrt …

      »Ma–ma!«, beginnt Grischa zu greinen.

      »Nu, nu, nu!«, schreit die Wärterin. »Kannst schon warten!«

      Die Köchin stellt eine Flasche auf den Tisch, drei Gläser und einen Kuchen.

      Die beiden Frauen und der Mann mit den glänzenden Knöpfen stoßen an, trinken mehrere Mal, und der Mann umarmt bald die Köchin, bald die Wärterin. Dann beginnen sie alle drei leise zu singen.

      Grischa streckt die Hände nach dem Kuchen und man gibt ihm ein Stückchen. Er isst und sieht zu, wie die Wärterin trinkt … Er möchte auch trinken.

      »Gib! Gib!«, bittet er die Wärterin.

      Die Köchin gibt ihm aus ihrem Glase zu nippen. Die Augen treten ihm heraus, er verzieht das Gesicht, hustet und wehrt sich noch lange mit den Armen, während die Köchin ihn betrachtet und lacht.

      Nach Hause zurückgekehrt, beginnt Grischa der Mutter, den Wänden und dem Bett zu erzählen, wo er gewesen sei und was er gesehen habe. Er erzählt nicht so sehr mit der Zunge, als mit dem Gesicht und den Händen. Er zeigt, wie die Sonne leuchtet, wie die Pferde laufen, wie der schreckliche Ofen aussieht und wie die Köchin trinkt …

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