Die Elixiere des Teufels. Nachgelassene Papiere des Bruders Medardus eines Kapuziners. E. T. A. Hoffmann
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Читать онлайн книгу Die Elixiere des Teufels. Nachgelassene Papiere des Bruders Medardus eines Kapuziners - E. T. A. Hoffmann страница 15

СКАЧАТЬ ich in das Zimmer der Baronesse trat, kam sie mir einige Schritte entgegen, mich bei beiden Armen fassend, [87]sah sie mir starr ins Auge und rief: »Ist es möglich – ist es möglich! – Bist du Medardus, der Kapuzinermönch? – Aber die Stimme, die Gestalt, deine Augen, dein Haar! Sprich, oder ich vergehe in Angst und Zweifel.« – »Viktorinus!« lispelte ich leise, da umschlang sie mich mit dem wilden Ungestüm unbezähmbarer Wollust, – ein Glutstrom brauste durch meine Adern, das Blut siedete, die Sinne vergingen mir in namenloser Wonne, in wahnsinniger Verzückung; aber sündigend war mein ganzes Gemüt nur Aurelien zugewendet, und ihr nur opferte ich in dem Augenblick durch den Bruch des Gelübdes das Heil meiner Seele.

      Ja! Nur Aurelie lebte in mir, mein ganzer Sinn war von ihr erfüllt, und doch ergriff mich ein innerer Schauer, wenn ich daran dachte, sie wiederzusehen, was doch schon an der Abendtafel geschehen sollte. Es war mir, als würde mich ihr frommer Blick heilloser Sünde zeihen und als würde ich, entlarvt und vernichtet, in Schmach und Verderben sinken. Ebenso konnte ich mich nicht entschließen, die Baronesse gleich nach jenen Momenten wiederzusehen, und alles dieses bestimmte mich, eine Andachtsübung vorschützend, in meinem Zimmer zu bleiben, als man mich zur Tafel einlud. Nur weniger Tage bedurfte es indessen, um alle Scheu, alle Befangenheit zu überwinden; die Baronesse war die Liebenswürdigkeit selbst, und je enger sich unser Bündnis schloss, je reicher an frevelhaften Genüssen es wurde, desto mehr verdoppelte sich ihre Aufmerksamkeit für den Baron. Sie gestand mir, dass nur meine Tonsur, mein natürlicher Bart sowie mein echt klösterlicher Gang, den ich aber jetzt nicht mehr so strenge als anfangs beibehalte, sie in tausend Ängsten gesetzt habe. Ja bei meiner plötzlichen begeisterten Anrufung der heiligen Rosalia sei sie beinahe [88]überzeugt worden, irgendein Irrtum, irgendein feindlicher Zufall habe ihren mit Viktorin so schlau entworfenen Plan vereitelt und einen verdammten wirklichen Kapuziner an die Stelle geschoben. Sie bewunderte meine Vorsicht, mich wirklich tonsurieren und mir den Bart wachsen zu lassen, ja mich in Gang und Stellung so ganz in meine Rolle einzustudieren, dass sie oft selbst mir recht ins Auge blicken müsse, um nicht in abenteuerliche Zweifel zu geraten.

      Zuweilen ließ sich Viktorins Jäger, als Bauer verkleidet, am Ende des Parks sehen, und ich versäumte nicht, insgeheim mit ihm zu sprechen und ihn zu ermahnen, sich bereitzuhalten, um mit mir fliehen zu können, wenn vielleicht ein böser Zufall mich in Gefahr bringen sollte. Der Baron und Reinhold schienen höchlich mit mir zufrieden und drangen in mich, ja des tiefsinnigen Hermogen mich mit aller Kraft, die mir zu Gebote stehe, anzunehmen. Noch war es mir aber nicht möglich geworden, auch nur ein einziges Wort mit ihm zu sprechen, denn sichtlich wich er jeder Gelegenheit aus, mit mir allein zu sein, und traf er mich in der Gesellschaft des Barons oder Reinholds, so blickte er mich auf so sonderbare Weise an, dass ich in der Tat Mühe hatte, nicht in augenscheinliche Verlegenheit zu geraten. Er schien tief in meine Seele zu dringen und meine geheimste Gedanken zu erspähen. Ein unbezwinglicher tiefer Missmut, ein unterdrückter Groll, ein nur mit Mühe bezähmter Zorn lag auf seinem bleichen Gesichte, sobald er mich ansichtig wurde. – Es begab sich, dass er mir einmal, als ich eben im Park lustwandelte, ganz unerwartet entgegentrat; ich hielt dies für den schicklichen Moment, endlich das drückende Verhältnis mit ihm aufzuklären, daher fasste ich ihn schnell bei der Hand, als er mir ausweichen wollte, [89]und mein Rednertalent machte es mir möglich, so eindringend, so salbungsvoll zu sprechen, dass er wirklich aufmerksam zu werden schien und eine innere Rührung nicht unterdrücken konnte. Wir hatten uns auf eine steinerne Bank am Ende eines Ganges, der nach dem Schloss führte, niedergelassen. Im Reden stieg meine Begeisterung, ich sprach davon, dass es sündlich sei, wenn der Mensch, im innern Gram sich verzehrend, den Trost, die Hülfe der Kirche, die den Gebeugten aufrichte, verschmähe und so den Zwecken des Lebens, wie die höhere Macht sie ihm gestellt, feindlich entgegenstrebe. Ja, dass selbst der Verbrecher nicht zweifeln solle an der Gnade des Himmels, da dieser Zweifel ihn eben um die Seligkeit bringe, die er, entsündigt durch Buße und Frömmigkeit, erwerben könne. Ich forderte ihn endlich auf, gleich jetzt mir zu beichten und so sein Inneres wie vor Gott auszuschütten, indem ich ihm von jeder Sünde, die er begangen, Absolution zusage: da stand er auf, seine Augenbraunen zogen sich zusammen, die Augen brannten, eine glühende Röte überflog sein leichenblasses Gesicht, und mit seltsam gellender Stimme rief er: »Bist du denn rein von der Sünde, dass du es wagst, wie der Reinste, ja wie Gott selbst, den du verhöhnest, in meine Brust schauen zu wollen, dass du es wagst, mir Vergebung der Sünden zuzusagen, du, der du selbst vergeblich ringen wirst nach der Entsündigung, nach der Seligkeit des Himmels, die sich dir auf ewig verschloss? Elender Heuchler, bald kommt die Stunde der Vergeltung, und in den Staub getreten wie ein giftiger Wurm, zuckst du im schmachvollen Tode, vergebens nach Hülfe, nach Erlösung von unnennbarer Qual ächzend, bis du verdirbst in Wahnsinn und Verzweiflung!« – Er schritt rasch von dannen, ich war [90]zerschmettert, vernichtet, all meine Fassung, mein Mut war dahin. Ich sah Euphemien aus dem Schlosse kommen mit Hut und Shawl, wie zum Spaziergange gekleidet; bei ihr nur war Trost und Hülfe zu finden, ich warf mich ihr entgegen, sie erschrak über mein zerstörtes Wesen, sie frug nach der Ursache, und ich erzählte ihr getreulich den ganzen Auftritt, den ich eben mit dem wahnsinnigen Hermogen gehabt, indem ich noch meine Angst, meine Besorgnis, dass Hermogen vielleicht durch einen unerklärlichen Zufall unser Geheimnis verraten, hinzusetzte. Euphemie schien über alles nicht einmal betroffen, sie lächelte auf so ganz seltsame Weise, dass mich ein Schauer ergriff, und sagte: »Gehen wir tiefer in den Park, denn hier werden wir zu sehr beobachtet, und es könnte auffallen, dass der ehrwürdige Pater Medardus so heftig mit mir spricht.« Wir waren in ein ganz entlegenes Boskett getreten, da umschlang mich Euphemie mit leidenschaftlicher Heftigkeit; ihre heißen, glühenden Küsse brannten auf meinen Lippen. »Ruhig, Viktorin«, sprach Euphemie, »ruhig kannst du sein über das alles, was dich so in Angst und Zweifel gestürzt hat; es ist mir sogar lieb, dass es so mit Hermogen gekommen, denn nun darf und muss ich mit dir über manches sprechen, wovon ich so lange schwieg. – Du musst eingestehen, dass ich mir eine seltene geistige Herrschaft über alles, was mich im Leben umgibt, zu erringen gewusst, und ich glaube, dass dies dem Weibe leichter ist als euch. Freilich gehört nichts Geringeres dazu, als dass außer jenem unnennbaren, unwiderstehlichen Reiz der äußern Gestalt, den die Natur dem Weibe zu spenden vermag, dasjenige höhere Prinzip in ihr wohne, welches ebenjenen Reiz mit dem geistigen Vermögen in eins verschmilzt und [91]nun nach Willkür beherrscht. Es ist das eigne wunderbare Heraustreten aus sich selbst, das die Anschauung des eignen Ichs vom andern Standpunkte gestattet, welches dann als ein sich dem höheren Willen schmiegendes Mittel erscheint, dem Zweck zu dienen, den er sich als den höchsten im Leben zu erringenden gesetzt. – Gibt es etwas Höheres, als das Leben im Leben zu beherrschen, alle seine Erscheinungen, seine reichen Genüsse wie im mächtigen Zauber zu bannen, nach der Willkür, die dem Herrscher verstattet? – Du, Viktorin, gehörtest von jeher zu den wenigen, die mich ganz verstanden, auch du hattest dir den Standpunkt über dein Selbst gestellt, und ich verschmähte es daher nicht, dich wie den königlichen Gemahl auf meinen Thron im höheren Reiche zu erheben. Das Geheimnis erhöhte den Reiz dieses Bundes, und unsere scheinbare Trennung diente nur dazu, unserer phantastischen Laune Raum zu geben, die wie zu unserer Ergötzlichkeit mit den untergeordneten Verhältnissen des gemeinen Alltagslebens spielte. Ist nicht unser jetziges Beisammensein das kühnste Wagstück, das, im höheren Geiste gedacht, der Ohnmacht konventioneller Beschränktheit spottet? Selbst bei deinem so ganz fremdartigen Wesen, das nicht allein die Kleidung erzeugt, ist es mir, als unterwerfe sich das Geistige dem herrschenden, es bedingenden Prinzip und wirke so mit wunderbarer Kraft nach außen, selbst das Körperliche anders formend und gestaltend, so dass es ganz der vorgesetzten Bestimmung gemäß erscheint. – Wie herzlich ich nun bei dieser tief aus meinem Wesen entspringenden Ansicht der Dinge alle konventionelle Beschränktheit verachte, indem ich mit ihr spiele, weißt du. – Der Baron ist mir eine bis zum höchsten Überdruss [92]ekelhaft gewordene Maschine, die, zu meinem Zweck verbraucht, tot daliegt wie ein abgelaufenes Räderwerk. – Reinhold ist zu beschränkt, um von mir beachtet zu werden, Aurelie ein gutes Kind, wir haben es nur mit Hermogen zu tun. – Ich gestand dir schon, dass Hermogen, als ich ihn zum ersten Male sah, einen wunderbaren Eindruck auf mich machte. – Ich hielt ihn für fähig, einzugehen in das höhere Leben, das ich ihm erschließen wollte, und irrte mich zum ersten Mal. – Es war etwas mir Feindliches in ihm, was in stetem regen Widerspruch sich gegen mich auflehnte, ja der Zauber, womit ich die andern unwillkürlich zu umstricken wusste, stieß СКАЧАТЬ