Die Elixiere des Teufels. Nachgelassene Papiere des Bruders Medardus eines Kapuziners. E. T. A. Hoffmann
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Читать онлайн книгу Die Elixiere des Teufels. Nachgelassene Papiere des Bruders Medardus eines Kapuziners - E. T. A. Hoffmann страница 11

СКАЧАТЬ aber in demselben Augenblick stürzte er, das Gleichgewicht verlierend, hinab in den Abgrund, dass, von Felsenspitze zu Felsenspitze geworfen, die zerschmetterten Glieder zusammenkrachten; sein schneidendes Jammergeschrei verhallte in der unermesslichen Tiefe, aus der nur ein dumpfes Gewimmer herauftönte, das endlich auch erstarb. Leblos vor Schreck und Entsetzen stand ich da, endlich ergriff ich den Hut, den Degen, das Portefeuille und wollte mich schnell von dem Unglücksorte entfernen, da trat mir ein junger Mensch aus dem Tannenwalde entgegen, wie ein Jäger gekleidet, schaute mir erst starr ins Gesicht und fing dann an, ganz übermäßig zu lachen, so dass ein eiskalter Schauer mich durchbebte.

      »Nun, gnädiger Herr Graf«, sprach endlich der junge Mensch, »die Maskerade ist in der Tat vollständig und herrlich, und wäre die gnädige Frau nicht schon vorher davon unterrichtet, wahrhaftig, sie würde den Herzensgeliebten nicht wiedererkennen. Wo haben Sie aber die Uniform hingetan, gnädiger Herr?« – »Die schleuderte ich hinab in den Abgrund«, antwortete es aus mir hohl und dumpf, denn ich war es nicht, der diese Worte sprach, unwillkürlich entflohen sie meinen Lippen. In mich gekehrt, immer in den Abgrund starrend, ob der blutige Leichnam des Grafen sich nicht mir drohend erheben werde, stand ich da. – Es war mir, als habe ich ihn ermordet, noch immer hielt ich den Degen, Hut und Portefeuille krampfhaft fest. Da fuhr der junge Mensch fort: »Nun, gnädiger Herr, reite ich den Fahrweg herab nach dem Städtchen, wo ich mich in dem Hause dicht vor dem Tor linker Hand verborgen halten will, Sie werden wohl gleich herab nach dem Schlosse wandeln, man wird Sie wohl schon erwarten, Hut und Degen [66]nehme ich mit mir.« – Ich reichte ihm beides hin. »Nun leben Sie wohl, Herr Graf! recht viel Glück im Schlosse«, rief der junge Mensch und verschwand singend und pfeifend in dem Dickicht. Ich hörte, dass er das Pferd, was dort angebunden, losmachte und mit sich fortführte. Als ich mich von meiner Betäubung erholt und die ganze Begebenheit überdachte, musste ich mir wohl eingestehen, dass ich bloß dem Spiel des Zufalls, der mich mit einem Ruck in das sonderbarste Verhältnis geworfen, nachgegeben. Es war mir klar, dass eine große Ähnlichkeit meiner Gesichtszüge und meiner Gestalt mit der des unglücklichen Grafen den Jäger getäuscht und der Graf gerade die Verkleidung als Kapuziner gewählt haben müsse, um irgendein Abenteuer in dem nahen Schlosse zu bestehen. Der Tod hatte ihn ereilt und ein wunderbares Verhängnis mich in demselben Augenblick an seine Stelle geschoben. Der innere unwiderstehliche Drang in mir, wie es jenes Verhängnis zu wollen schien, die Rolle des Grafen fortzuspielen, überwog jeden Zweifel und übertäubte die innere Stimme, welche mich des Mordes und des frechen Frevels bezieh. Ich eröffnete das Portefeuille, welches ich behalten; Briefe, beträchtliche Wechsel fielen mir in die Hand. Ich wollte die Papiere einzeln durchgehen, ich wollte die Briefe lesen, um mich von den Verhältnissen des Grafen zu unterrichten, aber die innere Unruhe, der Flug von tausend und tausend Ideen, die durch meinen Kopf brausten, ließ es nicht zu.

      Ich stand nach einigen Schritten wieder still, ich setzte mich auf ein Felsstück, ich wollte eine ruhigere Stimmung erzwingen, ich sah die Gefahr, so ganz unvorbereitet mich in den Kreis mir fremder Erscheinungen zu wagen; da tönten lustige Hörner durch den Wald, und mehrere Stimmen [67]jauchzten und jubelten immer näher und näher. Das Herz pochte mir in gewaltigen Schlägen, mein Atem stockte, nun sollte sich mir eine neue Welt, ein neues Leben erschließen! – Ich bog in einen schmalen Fußsteig ein, der mich einen jähen Abhang hinabführte; als ich aus dem Gebüsch trat, lag ein großes, schön gebautes Schloss vor mir im Talgrunde. – Das war der Ort des Abenteuers, welches der Graf zu bestehen im Sinne gehabt, und ich ging ihm mutig entgegen. Bald befand ich mich in den Gängen des Parkes, welcher das Schloss umgab; in einer dunklen Seitenallee sah ich zwei Männer wandeln, von denen der eine wie ein Weltgeistlicher gekleidet war. Sie kamen mir näher, aber ohne mich gewahr zu werden, gingen sie in tiefem Gespräch bei mir vorüber. Der Weltgeistliche war ein Jüngling, auf dessen schönem Gesichte die Totenblässe eines tief nagenden Kummers lag, der andere, schlicht, aber anständig gekleidet, schien ein schon bejahrter Mann. Sie setzten sich, mir den Rücken zuwendend, auf eine steinerne Bank, ich konnte jedes Wort verstehen, was sie sprachen. »Hermogen!« sagte der Alte, »Sie bringen durch Ihr starrsinniges Schweigen Ihre Familie zur Verzweiflung, Ihre düstre Schwermut steigt mit jedem Tage, Ihre jugendliche Kraft ist gebrochen, die Blüte verwelkt, Ihr Entschluss, den geistlichen Stand zu wählen, zerstört alle Hoffnungen, alle Wünsche Ihres Vaters! – Aber willig würde er diese Hoffnung aufgeben, wenn ein wahrer innerer Beruf, ein unwiderstehlicher Hang zur Einsamkeit von Jugend auf den Entschluss in Ihnen erzeugt hätte, er würde dann nicht dem zu widerstreben wagen, was das Schicksal einmal über ihn verhängt. Die plötzliche Änderung Ihres ganzen Wesens hat indessen nur zu deutlich gezeigt, dass irgendein [68]Ereignis, das Sie uns hartnäckig verschweigen, Ihr Inneres auf furchtbare Weise erschüttert hat und nun zerstörend fortarbeitet. – Sie waren sonst ein froher, unbefangener, lebenslustiger Jüngling! – Was konnte Sie denn dem Menschlichen so entfremden, dass Sie daran verzweifeln, in eines Menschen Brust könne Trost für Ihre kranke Seele zu finden sein? Sie schweigen? Sie starren vor sich hin? – Sie seufzen? Hermogen! Sie liebten sonst Ihren Vater mit seltener Innigkeit, ist es Ihnen aber jetzt unmöglich worden, ihm Ihr Herz zu erschließen, so quälen Sie ihn wenigstens nicht durch den Anblick Ihres Rocks, der auf den für ihn entsetzlichen Entschluss hindeutet. Ich beschwöre Sie, Hermogen! werfen Sie diese verhasste Kleidung ab. Glauben Sie mir, es liegt eine geheimnisvolle Kraft in diesen äußerlichen Dingen; es kann Ihnen nicht missfallen, denn ich glaube von Ihnen ganz verstanden zu werden, wenn ich in diesem Augenblick, freilich auf fremdartig scheinende Weise, der Schauspieler gedenke, die oft, wenn sie sich in das Kostüm geworfen, wie von einem fremden Geist sich angeregt fühlen und leichter in den darzustellenden Charakter eingehen. Lassen Sie mich, meiner Natur gemäß, heitrer von der Sache sprechen, als sich sonst wohl ziemen würde. – Meinen Sie denn nicht, dass, wenn dieses lange Kleid nicht mehr Ihren Gang zur düstern Gravität einhemmen würde, Sie wieder rasch und froh dahinschreiten, ja laufen, springen würden wie sonst? Der blinkende Schein der Epauletts, die sonst auf Ihren Schultern prangten, würde wieder jugendliche Glut auf diese blassen Wangen werfen, und die klirrenden Sporen würden wie liebliche Musik dem muntern Rosse ertönen, das Ihnen entgegenwieherte, vor Lust tanzend und den Nacken beugend [69]dem geliebten Herrn. Auf, Baron! – Herunter mit dem schwarzen Gewande, das Ihnen nicht ansteht! – Soll Friedrich Ihre Uniform hervorsuchen?«

      Der Alte stand auf und wollte fortgehen, der Jüngling fiel ihm in die Arme. »Ach, Sie quälen mich, guter Reinhold!« rief er mit matter Stimme, »Sie quälen mich unaussprechlich! – Ach, je mehr Sie sich bemühen, die Saiten in meinem Innern anzuschlagen, die sonst harmonisch erklangen, desto mehr fühle ich, wie des Schicksals eherne Faust mich ergriffen, mich erdrückt hat, so dass, wie in einer zerbrochenen Laute, nur Misstöne in mir wohnen!« – »So scheint es Ihnen, lieber Baron«, fiel der Alte ein, »Sie sprechen von einem ungeheuern Schicksal, das Sie ergriffen, worin das bestanden, verschweigen Sie; dem sei aber, wie ihm wolle, ein Jüngling, so wie Sie, mit innerer Kraft, mit jugendlichem Feuermute ausgerüstet, muss vermögen, sich gegen des Schicksals eherne Faust zu wappnen, ja er muss, wie durchstrahlt von einer göttlichen Natur, sich über sein Geschick erheben und so, dies höhere Sein in sich selbst erweckend und entzündend, sich emporschwingen über die Qual dieses armseligen Lebens! Ich wüsste nicht, Baron, welch ein Geschick denn imstande sein sollte, dies kräftige innere Wollen zu zerstören.« – Hermogen trat einen Schritt zurück, und den Alten mit einem düsteren, wie im verhaltenen Zorn glühenden Blicke, der etwas Entsetzliches hatte, anstarrend, rief er mit dumpfer, hohler Stimme: »So wisse denn, dass ich selbst das Schicksal bin, das mich vernichtet, dass ein ungeheures Verbrechen auf mir lastet, ein schändlicher Frevel, den ich abbüße in Elend und Verzweiflung. – Darum sei barmherzig und flehe den Vater an, dass er mich fortlasse in die Mauern!« – »Baron«, fiel der [70]Alte ein, »Sie sind in einer Stimmung, die nur dem gänzlich zerrütteten Gemüte eigen, Sie sollen nicht fort, Sie dürfen durchaus nicht fort. In diesen Tagen kommt die Baronesse mit Aurelien, die müssen Sie sehen.« Da lachte der Jüngling wie in furchtbarem Hohn und rief mit einer Stimme, die durch mein Innres dröhnte: »Muss ich? – muss ich bleiben? – Ja, wahrhaftig, Alter, du hast recht, ich muss bleiben, und meine Buße wird hier schrecklicher sein als in den dumpfen Mauern.« – Damit sprang er fort durch das Gebüsch und ließ den Alten stehen, der, das gesenkte Haupt in die Hand gestützt, sich ganz dem Schmerz zu überlassen schien. »Gelobt СКАЧАТЬ