Название: Mein Bruder, Muhammad Ali
Автор: Rahaman Ali
Издательство: Bookwire
Жанр: Сделай Сам
isbn: 9783903183827
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Martin, der wie ein Gentleman aussah, nahm die Beschreibung der gestohlenen Räder auf und sagte uns, er würde eine Anzeige schreiben. Allerdings ließ er uns nicht gehen, ohne für sich selbst Werbung zu machen: „Übrigens“, sagte er nebenbei, als der offizielle Teil erledigt war, „warum kommt ihr beiden Jungs nicht morgen noch einmal vorbei, sagen wir gegen sechs Uhr abends, dann könnt ihr boxen lernen.“
Plötzlich hatte Muhammad, der noch immer ganz verweint aussah, dieses herausfordernde Funkeln in den Augen und erklärte diesem imposanten Polizisten, dass er dem Dieb eine ordentliche Abreibung verpassen würde, wenn er ihn zu fassen bekäme. Martin, der, wie wir mit der Zeit lernen sollten, ein sehr geduldiger Mann war, hörte sich den Schwall an Drohungen an, bevor er meinem Bruder vorschlug, er solle zuerst lieber kämpfen lernen, vor allem boxen, bevor er überhaupt über so etwas nachdenken könnte. Wir wussten nur wenig über das Boxen und hatten uns nie ernsthaft überlegt, diesen Sport zu betreiben, doch wie sich herausstellen sollte, war Muhammad so verzaubert von dem, was er da sah, von dem Geruch und der Atmosphäre in der Boxhalle, dass er darüber beinahe sein Fahrrad vergaß. Martin hatte die Anzeige aufgenommen und wiederholte noch einmal die Öffnungszeiten des Boxstudios und gab Muhammad ein Mitgliedsformular mit nach Hause. Noch immer um den Verlust seines Fahrrads besorgt, aber ganz aufgeregt, diesen Sport einmal auszuprobieren, nahm mein Bruder das Stück Papier freudig entgegen.
Um es gleich vorwegzunehmen – das Fahrrad tauchte nicht mehr auf. Was allerdings etwas überraschend war, dass unsere Eltern Verständnis zeigten, als wir ihnen von dem Diebstahl erzählten, und unser Vater unsere Nachlässigkeit ignorierte. Das Interesse meines Bruders am Boxen bestand allerdings weiter, und so wurde er Mitglied in Joe Martins Boxstudio, und ich folgte ihm, so wie immer.
Was die meisten Leute nicht wissen, ist, dass auch einer unserer jüngeren Cousins ein Boxer war. Er boxte bereits lange, bevor wir damit begannen. Noch vor Martins Angebot hatte er bereitwillig angeboten, Muhammad das Boxen beizubringen, denn er wusste um das Talent meines Bruders, in Schwierigkeiten zu geraten, und wollte, dass er sich verteidigen könnte, wenn es zu Auseinandersetzungen mit anderen Kindern käme. Es war auch unser Cousin, der uns anfangs ins Boxstudio begleitete und dafür sorgte, dass wir unser Interesse am Boxen nicht verloren und uns nicht durch irgendwelche Kindereien ablenken ließen. Auch wenn unser Cousin bestrebt war, Muhammad zum Boxen zu bringen, so war er selbst kein besonders guter Boxer und gab den Sport schließlich auf. Mein Bruder und ich blieben aber weiter dabei.
Ich erinnere mich noch deutlich an Muhammads ersten Tag im Studio. Er sprang sofort ins kalte Wasser und stieg mit einem älteren Jungen in den Ring, da er dachte, er könne locker mit ihm mithalten, auch ohne Boxerfahrung. Doch mein Bruder brauchte keine Minute, um festzustellen, dass es nichts half, einfach wild um sich zu schlagen. Muhammad versuchte alles, um den anderen Jungen k. o. zu schlagen. Doch die überlegene Erfahrung seines Partners und dessen Schlagkraft bescherten Muhammad einige Sterne vor den Augen und eine blutige Nase. Martin gefiel die Begeisterung meines Bruders – dieser erste, schiefgegangene Ausflug in die sogenannte „süße Wissenschaft“ zeigte die Leidenschaft und das Herz, das mein Bruder besaß.
In Martins Boxstudio, dem Columbia Gym, trainierten sowohl schwarze als auch weiße Boxer unter einem Dach. Trotz der Rassenprobleme in Louisville zu dieser Zeit brachte der Boxsport Menschen unterschiedlicher Hautfarbe auf eine Art und Weise zusammen, die es sonst nur selten wo gab. In diesem Keller wurden alle gleich behandelt und trainierten unvoreingenommen miteinander. Als Muhammad in Martins Studio trainierte, zog er die Aufmerksamkeit eines Boxtrainers namens Fred Stoner auf sich. Stoner hatte selbst ein Boxstudio auf der anderen Seite der Stadt, wo eigentlich nur farbige Boxer trainierten. Auch wenn Muhammad loyal zu Martin war, so waren mein Bruder und ich bei unserem ersten Turnier, an dem wir teilnahmen, sehr von Stoners Schützlingen beeindruckt – ihre Schuhe und Shorts passten zu ihren Mänteln, und überhaupt sahen sie so aus, als ob gut für sie gesorgt wurde.
Trotzdem wollte Muhammad sein Verhältnis zu Martin nicht belasten, und so fand er einen Weg, mit beiden zu arbeiten – ohne dass einer der beiden etwas davon mitbekam. Wie üblich folgte ich meinem Bruder – etwas, in dem ich damals bereits sehr geübt war. Ich überließ Muhammad die Führung und klebte an ihm wie ein Magnet. Wir trainierten am frühen Abend zusammen in Martins Studio und fuhren dann in Stoners Keller für noch mehr körperliche und mentale Torturen. Aber es machte sich bezahlt. Jeder Trainer hat so seine Eigenarten, und verschiedene Stile und Tricks zu lernen, war am Anfang sehr hilfreich für unsere Entwicklung.
Meine Größe und Stärke und Muhammads schnelle boxerische Entwicklung halfen uns dabei, rasch die Rangliste in beiden Studios hochzuklettern. Wir trainierten beide sehr hart, doch ich muss zugeben, dass meine Selbstdisziplin im Vergleich zu der meines Bruders zu wünschen übrig ließ. Boxen wurde zu Muhammads Lebensinhalt: Er rannte neben dem Schulbus her und verzichtete auf Softdrinks in seinem Streben nach Erfolg. Ich machte mit, denn er war mein Bruder, und ich hing mit ihm ab, aber seine Leidenschaft fürs Boxen war um einiges stärker als meine. Er wollte es wirklich bis ganz oben an die Spitze schaffen und war gewillt, die nötigen Opfer dafür zu bringen. Er verschlang alles, was mit Boxen zu tun hatte. Er hatte sich in die „süße Wissenschaft“ verliebt und prahlte vor mir damit, wie er der Allergrößte sein und damit das Leben unserer Familie verändern würde. Das spielte von Anfang an mit. Muhammad, dem die Geldprobleme unserer Familie immer bewusst waren, wollte von Anfang an berühmt werden.
Dieser Traum vom vielen Geld sollte später einmal beinahe ironisch erscheinen – denn als er es schließlich zu Reichtum gebracht hatte, war ihm das alles ziemlich egal, und er verschenkte sein Geld, so als ob Reichtum etwas Unanständiges wäre. Doch in jener Zeit waren das Streben nach Reichtum und der Aufstieg unserer Familie aus der Armut eine wichtige Motivation für meinen Bruder. Andererseits, welcher Teenager wäre nicht davon inspiriert, ein Sportheld zu werden, berühmt zu sein und so viel Geld zu haben, wie er wollte? Meine Motivation war mehr das Geld und der Ruhm als das Streben nach Perfektion.
Es dauerte nicht lange, bis wir regelmäßig an Wettkämpfen teilnahmen. Die anderen Kinder in der Schule wussten, dass wir boxten, denn sie sahen uns im lokalen Fernsehen in der Sendung Tomorrow’s Champions, die Amateurkämpfe übertrug. Für jeden Kampf, die meistens von Joe Martin organisiert wurden, bekamen wir vier Dollar. Wie sich herausstellte, verfolgten auch die Leute aus der Nachbarschaft unsere Karriere als Amateurboxer, und nach nur wenigen Kämpfen waren wir so etwas wie lokale Promis in unserer kleinen Welt – speziell in der afroamerikanischen Community in der Umgebung. Was uns allerdings mehr überraschte, war die Tatsache, dass weiße Kinder, mit denen wir Kontakt hatten, sich nun freundlicher gegenüber Muhammad und mir verhielten, da sie wussten, wie beliebt wir waren. Als weißes Kind mit Vorurteilen warst du damals trotzdem beeindruckt, wenn du über Muhammad gelesen hast oder ihn kämpfen sahst.
„Hey, ich habe deinen Kampf gestern Abend im Fernsehen gesehen“, sagten die Kinder zu ihm auf der Straße, die gleichen Kinder, die ein oder zwei Jahre davor nicht einmal in unsere Richtung geblickt hatten.
Dadurch kam mein Bruder schon früh auf den Geschmack von Ruhm, lange bevor er dazu auserkoren wurde, unser Land bei den Olympischen Spielen zu vertreten, was ihn schließlich weit über die Grenzen unserer lokalen Gemeinde hin berühmt machte.
Wie in den anderen Bundesstaaten des Südens waren die Schulen in Louisville auch nach Rassen getrennt – von der Grundschule bis zum Ende der High School. Muhammad und ich schlossen eine Schule, an die nur Farbige gingen, ab. Dort waren alle ziemlich gleich, da sie aus ähnlich bescheidenen Verhältnissen kamen. Viele der СКАЧАТЬ