Gesammelte Werke (Über 800 Titel in einem Band). Joachim Ringelnatz
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Название: Gesammelte Werke (Über 800 Titel in einem Band)

Автор: Joachim Ringelnatz

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027203697

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СКАЧАТЬ Allright! Der Alte willigte ein, und der Gelbe blieb bei uns als Lotse an Bord, während seine Begleiter im Boot wieder davonfuhren. Dieser Lotse war nicht größer als ich. Er entledigte sich zunächst an der Kajütstreppe seiner durchnäßten Kleider und zog dafür eine nicht ganz saubere Hose mit sehr guter Ventilation an. Das Frühstück, das ihm der Alte anbot, wies er bescheiden zurück und nahm nur etwas Tee an. Seinen breitkrempigen Strohhut legte er vorher unter den Tisch.

      Ich war ganz aufgeregt. Hatte mich schon der vorangegangene Akt der Lotsenaufnahme in hohem Grade interessiert, so lauschte ich jetzt, während ich mir am Gläserspind zu schaffen machte, mit höchster Spannung auf das, was der Fischer von Belize erzählte. Freilich konnte ich bei seiner raschen Sprechweise nur wenig übersetzen, aber ich verstand zum Beispiel, daß Trinkwasser in Belize sehr teuer wäre und Früchte sehr billig, daß nur wenig große Schiffe dorthin kämen, dagegen aber viele kleinere. – Bei den westindischen Inseln ist ein gefährliches Fahrwasser. Wir wurden alle Minuten an Deck zum Segelbrassen gerufen. »Bout ship!« hieß das Kommando, und wehe mir und Paul, wenn wir nicht gleich an Deck flogen. Ich mußte überhaupt jetzt bei allen Arbeiten mit zufassen und half sogar beim Festmachen des Groß-Segels. Da gab's heiße Arbeit, aber wir verrichteten sie mit größtem Eifer.

      5. Kapitel: Ankunft in Belize

       Inhaltsverzeichnis

      Einmal wären wir fast auf ein Felsenriff gelaufen. Der Lotse hatte es im letzten Moment noch an der Brandung erkannt. Wir fuhren jetzt so dicht an den Inselgruppen vorbei, daß wir die Palmenwälder darauf mit bloßem Auge sehen konnten. Wir verspürten deutlich einen Landgeruch.

      Der Steuermann setzte, wohl dem Lotsen zu Ehren, seine beste Mütze auf. Sie fiel ihm aber über Bord. Darüber verstimmt geriet er wieder mit dem Bootsmann in Streit, weil der den außenbords am Heck hängenden Rettungsring schon wegnahm.

      Abends wurde der Anker klar gemacht. Diese Nacht gab's wenig Schlaf. Fortwährend wurden wir zum Brassen herausgerufen, und wenn wir uns danach eben todmüde in Kleidern in die Kojen geworfen hatten, schreckte uns schon wieder das gellende »Bout ship!« des Kapitäns oder Steuermanns auf. Die Ankerlaternen und andere Instrumente wurden hervorgeholt und eins der Boote seeklar gemacht. Beide Wachen sollten aufbleiben, weil wir bald vor Anker gehen würden. Es war ein rastloses Durcheinanderrennen, Schimpfen und Fluchen. Ein paarmal schielte ich für einen Moment von meiner Arbeit weg und bemerkte einige Lichter von anderen Schiffen auf dem Wasser. Aber ich wurde von allen Seiten zur Arbeit angetrieben und konnte leider nicht länger danach ausschauen. Bald mußte ich dem Bootsmann beim Brassen helfen, bald dem Kapitän etwas aus der Kajüte holen; es herrschte eine allgemeine Aufregung. Auf einmal, als ich mich gerade in der Kajüte befand, vernahm ich ein donnerndes Gepolter, bei dem das ganze Schiff erzitterte. Das war der fallende Anker. An Deck eilend, sah ich am Horizont eine Kette von Lichtern – Belize!

      Wir waren am Ziel unserer Reise angekommen, aber die Blicke der Matrosen und die Ferngläser der Achtergäste hafteten nicht lange auf dem Lichtersaum vor uns. Alle waren von den vorangegangenen Strapazen erschöpft und nur von dem einzigen Wunsch nach Ruhe erfüllt. Ich erbot mich freiwillig, bis zum Morgen die Wache zu halten, und war sehr glücklich, als ich die Erlaubnis dazu erhielt.

      Nie werde ich das glückliche Gefühl vergessen, das mich beseelte, als ich nun auf Wache auf dem Achterdeck auf und ab schritt. Alle außer mir schliefen den Lohn für die Arbeit der letzten Stunden, und ich war allein mit meinen Gedanken in der köstlichen, kühlen Nachduft, musterte ungestört mit Steuermanns Fernglas die fremde Küste. Es war bei der starken Dunkelheit allerdings kaum mehr als mit bloßem Auge zu sehen, aber meine Phantasie malte in die schwarzen Schatten allerlei seltsame Dinge und abenteuerliche Gestalten. Mit dem anbrechenden Morgen wurde das Bild deutlicher, bis ich schließlich dichte Palmenwälder erkennen und etwa hundert weiße Häuser zählen konnte. Ich war in unglaubliche Spannung versetzt und konnte die Stunde nicht erwarten, wo ich das alles aus der Nähe sehen sollte.

      In weitem Umkreis um uns herum lagen verschiedene andere Schiffe. Mit Verwunderung beobachtete ich, wie sich unsere Lage zu den Schiffen und zum Lande fortwährend veränderte, bis ich die Ursache dieser Erscheinung herausfand. Die Ankerkette hielt das Schiff nur vorn am Bug fest, und mit der Änderung der Windrichtung wurde dasselbe um diesen festen Punkt im Kreise getrieben. – Inzwischen hatte sich Joseph, unser Lotse, zu mir gesellt, und ich bestürmte ihn in meinem gebrochenen Englisch mit endlosen Fragen.

      Wenn mein Bruder jetzt gehört hätte, daß ich mich zuallererst danach erkundigte, ob es viel Schlangen in Belize gäbe, hätte er sich wohl freuen müssen; denn nur in seinem Interesse stellte ich diese Frage, die mir bejahend beantwortet wurde. Ich sah und hörte so viel Neues, daß ich, obgleich ich die ganze Nacht durchgearbeitet hatte, noch absolut keine Müdigkeit empfand, auch nicht, nachdem ich um acht Uhr die anderen mit dem üblichen Seemannsvers geweckt hatte:

      Rise Quartier

      Ist Seemannsmanier,

      Dem Rudersmann tut verlangen,

      Das Ruder zu verfangen.

      Zum Frühstück, merkwürdig abgepaßt, stellte sich ein Boot ein, dem ein bleicher, junger Engländer mit sommersprossigem Gesicht entstieg, während etwa zehn Neger im Boot zurückblieben. Ich konnte nicht erfahren, was die Ursache seines Besuches war. Vielleicht nur Neugierde oder Appetit. Jedenfalls wurde der Ausländer mit übergroßer Höflichkeit empfangen und mit dem wenigen Besten bewirtet, was die »Elli« an Eßbarem und Trinkbarem besaß. Neidvoll sah ich zu, wie der Sommersprossige beim Abschied noch zwei Zigarren vom Kapitän erhielt.

      Bald darauf ließen wir ein Boot zu Wasser. Gustav und Willy, die Glücklichen, mußten den Alten an Land rudern. Ich folgte dem Boot die ziemlich weite Strecke zum Land mit sehnsüchtigen Blicken.

      Als die drei am Nachmittag zurückkamen, brachten sie große Büschel Bananen, Ananas, eine Menge Neuigkeiten und, was die Hauptsache war, Briefe aus der Heimat mit. Ich las wohl zehnmal hintereinander mit größter Aufmerksamkeit und Freude einen Brief von den Eltern, einen anderen von meinem Freund Fischer und eine Karte vom Verein ehemaliger Tolleraner.

      Die Bananen schmeckten vorzüglich. Sie erinnerten im Geschmack ein wenig an unsere Kirschen, ich vertilgte eine unheimliche Menge davon, obgleich mich der lächelnd zusehende Lotse vor allzu reichlichem Genuß dringend warnte. Zu Mittag herrschte eine tolle Gluthitze, aber ich fühlte mich mopsvergnügt. Ich war ja so froh und die Natur um mich herum von so bestrickender Schönheit. Ein wolkenloser, kobaltblauer Himmel spannte sich über die klare, durchsichtige Meeresfläche, die sich in jenem leuchtenden Smaragdgrün darbot, das mir früher auf Gemälden so unwahrscheinlich vorgekommen war. Gegen diesen hellen Grund nahmen sich die verschiedenen Schiffe und Boote auf der Reede und die sauberen weißen Häuschen an Land wie Spielsachen aus.

      Alle größeren Schiffe hatten gleichzeitig mit uns um acht Uhr morgens die Nationalflagge gehißt, ein schwedischer und ein norwegischer Dampfer, drei mexikanische Transport-Kriegsschiffe mit Schonertakelage und verschiedene kleinere Frachtdampfer.

      Es war kein Wunder, daß ich am anderen Morgen die Zeit verschlief.

      Als ich erwachte, erblickte ich eine Menge Neger an Deck, die mit dem Öffnen der Luken beschäftigt waren. Längsseits lag ein großer Kahn, in dem ebenfalls Neger hantierten.

      Nun gab es wieder viel Arbeit. Der Ballast mußte gelöscht, das heißt in mehrere Kähne verladen werden. Es war nicht leicht, in der ungewohnten Mittagsglut zu arbeiten und die schweren Winden zu drehen. Um den brennenden Durst zu stillen, stellte uns der Koch einen Kessel mit ganz dünnem Teewasser hin. Das bewirkte aber nur, СКАЧАТЬ