Gesammelte Werke (Über 800 Titel in einem Band). Joachim Ringelnatz
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Название: Gesammelte Werke (Über 800 Titel in einem Band)

Автор: Joachim Ringelnatz

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027203697

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СКАЧАТЬ geben, fiel ich in blinder Wut über ihn her und richtete ihn mit meinen Fäusten gehörig zu. Es war ein Glück, daß die Matrosen ausnahmslos auf meiner Seite standen, sonst wäre mir dieser Gewaltakt wohl übel bekommen. So aber nickten mir alle noch aufmunternd zu, als wollten sie sagen: »Das hast du recht gemacht«, während der Koch zähneknirschend und gemeine Schimpfworte murmelnd davonschlich. Natürlich schikanierte er mich seitdem noch mehr, und dazu hat ein Koch ja stets Gelegenheit.

      Meine Hände waren von Teer, Farbe und Sonne schwarz geworden. Dabei muß ich bemerken, daß ich mich höchstens alle fünf Tage einmal wusch.

      Der Pfingsttag war herangekommen, sehnlichst erwünscht, denn wir erhofften von ihm ein gutes Mittagessen.

      Unser Kapitän ließ sich nicht lumpen. Schweinebraten und Rotkohl gab's allerdings nicht, aber ein dünnes Stück Schinken, eine Zigarre für jedermann und sehr viel Grog. Mein Gott, das war ein Genuß, wie ihn eine Landratte gar nicht verstehen kann. Wir waren sehr übermütig und besoffen uns maßlos.

      Am Nachmittag lockte mich lautes Hundegeschrei von der Kombüse her an Deck. Der Koch erzählte uns, daß der Hund die Krämpfe bekommen und er deshalb das Tier über Bord geworfen habe. Das war aber sicher eine Lüge. Wir alle mutmaßten sofort, daß der niederträchtige Schuft das Tier, das er nicht leiden mochte, mit dem glühenden Schüreisen versengt und dann über die Reling geworfen habe, denn es roch stark nach versengten Haaren, und das Schüreisen lag mitten auf den Steinfliesen. Es fehlte nicht viel, so hätte ich mich auf die Kanaille von Koch geworfen, zumal ich sehr betrunken war; aber die anderen hinderten mich daran. Es ließ sich ja auch nichts nachweisen. – – Mein armer, vierbeiniger Freund! Sein Schicksal ging mir wirklich nahe. Ich hatte ihn doch trotz manchen Ärgers, den er mir bereitet, sehr liebgewonnen, und er war zu mir auch stets am anhänglichsten gewesen. Hätte ich gewußt, was für eine Behandlung und was für ein Ende er an Bord der »Elli« finden würde, ich hätte ihn gewiß damals in Le Havre nicht aufgegriffen.

      Napoleon schrieb einen französischen Brief an meine Mutter, den er bei nächster Gelegenheit absenden wollte. Auch dieser Brief liegt jetzt vor mir. Die ersten zwei Seiten hat der Franzose sauber und schön, wie gestochen, geschrieben:

      »le 27 Mai

      Chère Madame

      je vous écris ces mots et j'espère qu'elle vous fera plaisir, je vous souhaite une bonne santé ainsi que monsieur. Je suis comme votre fils, c'est la première fois que j'ai été en mer. Aussi chère Madame j'ai eu le plaisir dans mon voyage de trouver comme ami votre fils: Et j'en remercie Dieu car s'en cela pendant tout le voyage j'aurai été toujours triste. Le hasard a amené, plusieurs fois que nous travaillons ensemble, aussi nous étions joyeux, et l'amitié entre nous s'augmentait de plus en plus, j'espère chère Madame que vous retrouverez votre fils en bonne et parfaite santé, j'espère aussi vous n'oublierait pas de m'écrire je serai si content de recevoir de vos nouvelles, en attendant chère Madame je termine ma lettre en souhaitant encore à tous une bonne et parfaite santé.

      Je vous salue respectueusement

      votre tout devoué

      Paul Phené«

      Dann folgen zwei total verschmierte und bekleckste Seiten, auf denen ich in liederlichster Schrift hinzugeschrieben habe:

      »Das ist der Brief des kleinen aber fetten französischen Kajütsjungen (ich bin schon seit langer Zeit Decksjunge). Wir haben sehr viel Mahagoni, Zedern und Blauholz, daß wir schon jetzt sehr tief liegen. Wir werden also sehr viele Wasser an Bord bekommen. Ich kann nun also lange Zeit nicht schreiben, werde das aber vom Bestimmungsort sofort thun. Ich glaube, daß wir schon nächsten Montag die Anker lichten.«

      Nach den Feiertagen gab es einen wolkenbruchartigen Regen. Wir benutzten diese willkommene Süßwassergelegenheit zu einem gründlichen Deckscheuerfest. Das war ein Schrubben, Scheuern, Spritzen, Spülen; das ganze Deck schwamm in einer Flut. Jahn und Willy machten sich den Scherz, mir eine Pütz voll Wasser über den Kopf zu gießen, so daß ich bis auf die Haut durchnäßt wurde. –

      Hinter uns tauchte eine Bark auf, die den gleichen Kurs wie wir nahm. Wir fingen auch einen Vogel an diesem Tag. Das Tier hatte sich auf einer Rahe niedergelassen. Der Alte hielt es seiner gelben Brust wegen für einen Zeisig und setzte ihm hintereinander Schinken, Kartoffeln, Bisquit, Reis, Kakerlaken und schließlich Pfeffer zum Fressen vor, was es aber alles verschmähte.

      Am Horizont zeigte sich ein schmaler Streifen Land. Das war Jamaika. Die Hitze war enorm gestiegen, und wir waren ganz in Schweiß aufgelöst, wenn wir das Pumpenrad stundenlang gedreht hatten. Aber diese Arbeit war nötig.

      Die gesichtete Bark überholte uns. Wir grüßten sie beim Passieren nach Seemannsbrauch durch Auf- und Niederziehen der Flagge und winkten außerdem mit den Taschentüchern hinüber. Ich bereitete mir aus Essig, Sirup und Wasser ein höchst erfrischendes Getränk, fand aber bald heraus, daß es den Körper nur schlapp machte. Wiederum hatte sich ein Vogel, diesmal ein sehr großes Tier, auf dem Schiff niedergelassen. Die Erfahrenen unter uns erkannten in ihm einen sogenannten Döskopp. Diesen Namen legen ihm die Seeleute zu, weil er so menschenfremd ist, daß er sich ohne weiteres mit der Hand greifen läßt. Er hatte sich im Vortopp auf die höchste Mastspitze gesetzt, flog aber wieder davon, ehe Jahn und ich hochklettern konnten.

      Wir waren nun nicht mehr weit von unserem Ziele und trafen umfangreiche Vorbereitungen, um die »Elli« den Bewohnern der Neuen Welt in recht schmuckem Kleid zu zeigen. Gründlich abgescheuert war ja schon alles, und nun ging's ans Malen. Sämtliche Holz- und Eisengerätschaften wurden, soweit sie nicht poliert waren, mit einem grellbunten Anstrich versehen. Besonders weiße Farbe wurde angebracht, wo sie sich nur anbringen ließ. Es war eine Beschäftigung, der wir uns mit großer Lust hingaben, und selbst der Alte beteiligte sich an den feineren Arbeiten. Er war fast ein Kunstmaler und verstand es zum Beispiel meisterhaft, mit einem kammförmig ausgezackten Stück Holz auf dem Gläserspind eine Holzmaserung zu imitieren. Ebenso talentvoll wußte er eine lange schwarze Linie längs der Reling schnurgerade zu ziehen. Mir selbst fiel die Aufgabe zu, breitere Flächen mittels eines dicken Pinsels und diverser Dosen Kohlteer mit schwarzem Glanz zu überziehen. Der Malerei folgte das weniger beliebte Messingputzen. Mit Sand und Petroleum mußten alle an Bord befindlichen Messingteile, Gitterstäbe und so weiter, die durch das Meerwasser sehr gelitten hatten, blitzblank gerieben werden. Da gab's manchmal blutige Finger.

      Ich weiß nicht wie es kam; ob der Bootsmann vermutete, ich würde seinetwegen in Amerika das Schiff verlassen, oder ob Kapitän Pommer mit ihm gesprochen hatte, genug, er behandelte mich auf einmal mit auffallender Freundlichkeit. Dasselbe galt vom Steuermann. Dieser erzählte mit jetzt mitunter von seiner Heimatstadt Oldersum, die auch der Heimathafen des Schiffes war. Er plauderte von der Reederei, daß derselben im vergangenen Jahr drei Schiffe spurlos verschollen seien, worunter sich auch ein ganz neues befunden habe. Er zeigte mir auch mit nicht geringem Stolz seine schriftlichen Arbeiten von der Steuermannsschule, war aber etwas verblüfft, als ich ihm bei einer leichten geometrischen Aufgabe einen Fehler nachweisen konnte. Kurz, er war sonderbar liebenswürdig auf einmal, aber ich traute dem Frieden nicht.

      Am Sonntag, dem z. Juni mittags, sichteten wir während fortgesetzter Segelmanöver verschiedene Inseln. Ich zählte von der Bramrahe an Backbord drei und an Steuerbord eine. Der Kapitän ließ die Lotsenflagge hissen. Gegen sechs Uhr abends steuerte ein Fischerboot auf uns zu, in dem wir bald vier Mulatten erkennen konnten, die nur mit Hose und Hemd bekleidet waren. Wir drehten bei und warfen den Fischern, die in einer mir unverständlichen Sprache laut zu uns herüberschrien, eine Leine zu, mit deren Hilfe sie nun längsseits unseres Schiffes kamen. Es waren wunderschöne Gestalten. Einer von ihnen klomm die von uns über Bord gehängte Falltreppe empor und verhandelte an Deck sehr lebhaft mit dem Kapitän in englischer Sprache. Ich konnte nur einzelne Worte davon verstehen, aber Hermann СКАЧАТЬ