Название: Die Romantik
Автор: Ricarda Huch
Издательство: Bookwire
Жанр: Философия
isbn: 4064066388836
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Es sollte sich aber an ihr rächen, daß sie aus Furcht vor dem Alleinsein und vor dem Kampfe des Lebens eine Verbindung geschlossen hatte, in der man sein ganzes Selbst auf's Spiel setzt. Sie lebte nun in Gemeinschaft mit einem Manne, den sie trotz aller seiner Talente und geistigen Vorzüge übersah, nicht daß sie klüger oder edler oder verständiger gewesen wäre, sondern durch ihre allgemeine Wesensreife, die vorgerückter war als seine. Und als nach kurzer Zeit ein Mann in ihren Kreis trat, von dem auch wir zum ersten Mal das sichere Gefühl haben, daß er ihr nothwendig, ihr bestimmt war, Schelling, war sie gefesselt und fand sich durch eigene Unbesonnenheit und Schwäche in schreckliche äußere und innere Conflikte verstrickt. Bei alledem, wie erfreut man sich gerade dann an der unbezwinglichen Frische ihrer Natur, die kein Zweifel an sich selbst und der Wahrheit ihrer Empfindungen ankränkelte. An den um ihre Fähigkeit zur Treue sich sorgenden Freund schrieb sie:
»Spotte nur nicht, Du Lieber, ich war doch zur Treue geboren, ich wäre treu gewesen mein Leben lang, wenn es die Götter gewollt hätten, und ungeachtet der Ahndung von Ungebundenheit, die immer in mir war, hat es mir die schmerzlichste Mühe gekostet, untreu zu werden, wenn man das so nennen will, denn innerlich bin ich es niemals gewesen. Dieses Bewußtsein aber von innerlicher Treue hat mich oft böse gemacht, hat mir erlaubt, mir wagend zu erlauben; ich kannte das ewige Gleichgewicht in meinem Herzen. Konnte mich etwas Andres vor dem Untergang in meinem gefahrvollen Leben bewahren, als dieses Höchste? Und wenn ich mir Verzweiflung bereitet hätte in der Verzweiflung der von mir Geliebten – ja, ich würde im Schmerz darüber verzweifeln, im Gewissen nicht, niemals könnt' ich wie Jakob ausrufen: Verlasse dich nicht auf dein Herz. Ich müßte mich verlassen auf mein Herz über Noth und Tod hinaus und hätte es mich in Noth und Tod geleitet.«
Man fühlt, daß es keine Redensarten sind; das glaubt man. Sie war treu, weil sie sich selbst treu war und, was für Umwege sie auch einschlug, die rechte Richtung unerschütterlich im Sinne behielt. So bekommt man ein Vertrauen, daß wohl auch die Umwege nothwendig und zu irgend etwas nützlich und dienlich waren.
Haben aber alle Worte Karoline lebendig machen können, so wie sie war? Wo ist ihr schalkhafter Muthwillen, das unfehlbare Schicklichkeitsgefühl, mit dem sie das Ernste, das keinen Scherz ertrug, ernsthaft behandelte, wo die schlichte Würde, mit der sie jede Verleumdung und jedes Vorurtheil der Uebelwollenden oder schlecht Unterrichteten entwaffnete, die kluge Bescheidenheit, mit der sie die Grenzen ihrer Natur erkannte? Nichts von Allem ist doch so wundervoll, wie die Unschuld ihres Selbstbewußtseins, das auf der zweifellosen Ueberzeugung von der ursprünglichen Güte ihres Herzens beruhte. Es ist, wenn sie von dem sanften Muthe ihres Herzens spricht, der sie wegtrage über die dunkelsten Stunden und drohendsten Gefahren, als freue sie sich dankbar eines schönen treuen Gesellen in ihrer Brust, des holden Genius, der ihr innewohnte. Nachdem sie den größten Schmerz ihres Lebens erfahren, ihr Kind verloren hatte, las sie einmal, daß im Homer die Worte vorkommen sollten: Die Herzen der Guten sind heilbar, und bat ihren Mann, ob er nicht die Stelle für sie aufsuchen wolle. »Denn im Homer«, schrieb sie, »habe ich das niemals gefunden, bloß in meinem eigenen Herzen.«
Das Athenäum.
Der Buchstab' ist der echte Zauberstab.
Friedr. Schlegel.
In dem lieblichen Thale der Schwarza hatte sich im Sommer 1799 der junge Norweger Steffens, Studirender der Naturwissenschaft, der Philosophie, der Literatur und alles Neuen und Schönen, gelagert und las Fichte's Wissenschaftslehre und das Schlegel'sche Athenäum. Daß Fichte und Goethe die Brennpunkte der neuen Zeit seien, hatte er im Athenäum gelesen; Goethe war der Genius seiner Jugend gewesen, Fichte aber ihm bis dahin unbekannt geblieben. Nun vertiefte er sich in die Kunst des abstrakten Denkens, was ihm auch nach einiger Bemühung so wohl gelang, daß er sich im Bannkreise des sich selbst setzenden Ich ziemlich heimisch fühlte. Aber seltsam war es ihm doch, wenn er aufblickte, das Gebirge, die Bäume, die Vögel und die Sonne in ihrem strahlenden unwiderleglichen Dasein zu sehen. Nichts erwähnt er von einem solchen Gegensatz der Natur zum Athenäum, wiewohl es durchaus ein Geschöpf des bewußten Geistes ist: das riß ihn hin und zwar, wie er sagt, durch den mächtigen Geist der Einheit des ganzen Daseins, der wie ein frischer Lebensstrom darin wehe und alle Wissenschaften in eine zusammenzufassen suche.
»Der Bildung Strahlen all' in Eins zu fassen,
Vom Kranken ganz zu scheiden das Gesunde,
Bestrebten wir uns treu im freien Bunde«
sagte Friedrich Schlegel in dem Gedichte, das er das Athenäum betitelte; zum Beweise, daß die Leidenschaft zur Einheit wie die Seele der ganzen Romantik so auch die des Athenäums war oder sein sollte.
Wer die vergilbten, altfränkischen Bände des Athenäums aus einer Bibliothek sich holt und von außen betrachtet, kann es sich kaum vorstellen, daß ein Jüngling, im kühlen, sommerlichen Walde sitzend, sich aus diesen Blättern einen Rausch der Begeisterung las; daß sie einmal so modern und aufsehenerregend waren wie jetzt etwa die »Jugend«, nein, viel mehr: eine Fahne der Revolution, von jungen, wagemuthigen, hoffenden Menschen unter Lachen und Jubel geschwungen. Das sollte mit einem Male eine Lücke reißen in die Mauern der Philisterburg! Und dann wollten sie hinterdrein stürmen und sich erobernd in die dämm'rige, dumpfe Höhle werfen. Wie Feuerbrände sollten die phantastischen Einfälle in die steifen, breitspurigen Gassen fliegen und zünden.
Wer das ausgeheckt hatte unter unzähligen andern Entwürfen, das war natürlich Friedrich, während er in Berlin nach langem Darben der ersten Jugend in Freundschaft und Liebe schwelgte. Von seinem faulen Freunde in Kopenhagen, für den die bequemste Stellung ein Studium war, erzählt Steffens, daß er der geistig Angeregteste unter ihnen Allen gewesen sei; aus seiner körperlichen Unbeweglichkeit heraus habe er stets die ganze Gesellschaft in Athem gehalten. Ebenso verhielt es sich mit Friedrich; damals aber namentlich war er durch und durch von Begeisterung beseelt, von einer gründlichen, nachdrücklichen, massenhaften Begeisterung. Mitten in seiner philosophisch-ästhetischen Abhandlung über das Studium der griechischen Poesie und in einem Aufsatz über Lessing steckend, erübrigte er Zeit, den Plan für die neue Zeitschrift zu entwerfen und einen Namen zu ersinnen für die herrliche Waffe, die sie schmieden wollten. Herkules sollte sie heißen, sei es wegen der Schlangen, die der Heros in der Wiege erwürgt oder weil er den Augiasstall gereinigt hatte, dann wieder schlug er Dioskuren vor oder Schlegeleum; denn der verbrüderte Geist von Wilhelm und Friedrich sollte das Ganze regieren. Aber großherzig entsagungsvoll, wie man ist, wenn es sich um die Verwirklichung einer Lieblingsidee handelt, gab er nach und ließ sich das Athenäum gefallen.
Nun aber galt es, den eigenen Enthusiasmus dem Bruder einzuflößen, der dem fremden Plane gegenüber gar nicht so rührig war, wie er sonst zu sein pflegte, auch vielleicht ein nicht unbegründetes Mißtrauen gegen Friedrich's Entwurfsfieber hatte. Etwas Neues und Gründliches über Lessing war Friedrich selbst im Begriff zu schreiben; ein entscheidendes Wort sollte über Goethe gesagt werden; Wieland hinzurichten sollte Wilhelm übernehmen. Aber vor allen Dingen eine Fülle von Ideen! Wir sind jetzt gewohnt, in jeder Tages-, Wochen- und Monatszeitung eine Fülle von Aphorismen zu finden, meistens Lückenbüßer, die einen allgemeinen, wohlbekannten Gedanken nett zugespitzt ausdrücken und so, vertraut und doch überraschend, bequem eingehen. Damals war das etwas Neues und Friedrich glaubte, die Anmaßung, die darin zu liegen schien, entschuldigen zu müssen. Ganze Werke zu schreiben, sagte er, sei freilich ungleich bescheidener, weil sie ja wohl bloß aus andern Werken zusammengesetzt sein könnten, und weil den Gedanken im schlimmsten Fall die Zuflucht bliebe, der Sache den Vorrang zu lassen und sich demüthig in den Winkel zu stellen. Aber Gedanken, einzelne Gedanken seien gezwungen, einen Werth für sich haben zu wollen und müßten Anspruch darauf machen, eigen und gedacht zu sein.
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