Maigret lässt sich Zeit. Georges Simenon
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Название: Maigret lässt sich Zeit

Автор: Georges Simenon

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Red Eye

isbn: 9783311701880

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      »Sehr erfreut, Herr Kommissar.«

      »Ganz meinerseits, Herr Richter. Ich habe schon viel von Ihnen gehört, aber ich hatte noch nicht die Ehre, mit Ihnen zusammenzuarbeiten.«

      »Ich bin erst vor knapp fünf Monaten nach Paris versetzt worden. Vorher war ich lange in Lille.«

      Er hatte eine Fistelstimme und wirkte trotz seines Bauchs jünger, als er war. Man hätte ihn für einen jener Studenten halten können, die ihr Studium absichtlich in die Länge ziehen, weil sie es nicht eilig haben, das Quartier Latin und das sorglose Leben hinter sich zu lassen. Sorglos natürlich nur für diejenigen, die das Glück eines vermögenden Papas haben.

      Er war alles andere als elegant gekleidet, die Jacke zu eng, die Hose zu groß und an den Knien ausgebeult, und seine Schuhe hätten es nötig gehabt, geputzt zu werden.

      Im Palais de Justice erzählte man, er habe sechs Kinder und zu Hause nichts zu sagen; sein altes Auto drohe jeden Augenblick auseinanderzufallen; und um über die Runden zu kommen, lebe er in einer Sozialwohnung in Antony.

      »Ich habe, sofort nachdem ich im Palais de Justice angerufen hatte, die Staatsanwaltschaft informiert«, erklärte der Polizeikommissar.

      »Ist sie schon hier?«

      »Nein, aber sie muss jeden Moment kommen.«

      »Wo ist Aline?«

      »Die junge Frau, die mit dem Ermordeten zusammengelebt hat? Sie liegt auf ihrem Bett und weint. Eine Haushälterin ist bei ihr.«

      »Was sagt sie?«

      »Ich habe nicht viel aus ihr herausbekommen, aber in ihrem Zustand wollte ich ihr auch nicht allzu sehr zusetzen. Sie behauptet, dass sie um halb acht aufgestanden ist. Die Haushälterin kommt erst um zehn. Um acht hat Aline Palmari das Frühstück ans Bett gebracht und ihm dann bei seiner Morgentoilette geholfen.«

      Maigret kannte die Routine hier. Seit dem Attentat, das aus ihm einen Invaliden gemacht hatte, traute sich Manuel nicht mehr in eine Badewanne. Er stellte sich unter die Dusche, und Aline seifte ihn ab und half ihm dann, sich anzuziehen.

      »Wann ist sie aus dem Haus gegangen?«

      »Woher wissen Sie, dass sie aus dem Haus gegangen ist?«

      Maigret hätte es ganz sicher gewusst, wenn er die beiden in der Straße Wache stehenden Polizeibeamten gefragt hätte. Sie hatten ihn nicht angerufen und waren vermutlich sehr überrascht, erst den Polizeikommissar, dann den Untersuchungsrichter und schließlich Maigret in das Haus gehen zu sehen, denn sie konnten nicht wissen, was sich inzwischen in der Wohnung abgespielt hatte. Es lag fast eine Ironie darin.

      »Entschuldigen Sie, meine Herren.«

      Ein großer junger Mann mit einem Pferdegesicht kam hereingestürmt und gab einem nach dem anderen die Hand.

      »Wo ist die Leiche?«, fragte er.

      »Im Zimmer nebenan.«

      »Gibt es schon eine Spur?«

      »Ich war gerade dabei, Kommissar Maigret zu berichten, was ich weiß. Aline, die junge Frau, die mit Palmari zusammengelebt hat, behauptet, das Haus gegen neun Uhr ohne Hut mit einem Einkaufsnetz in der Hand verlassen zu haben.«

      Einer der Wache stehenden Beamten war ihr sicherlich gefolgt.

      »Sie hat in verschiedenen Läden hier im Viertel eingekauft. Ich habe ihre Aussage noch nicht zu Protokoll genommen, denn sie hat nur in abgehackten Sätzen gesprochen.«

      »Und während ihrer Abwesenheit ist …«

      »Sie behauptet es natürlich. Sie will um fünf vor zehn zurückgekommen sein.«

      Maigret sah auf die Uhr. Es war zehn nach elf.

      »Sie hat im Zimmer nebenan Palmari gefunden, der von seinem Rollstuhl auf den Teppich gerutscht war. Er war tot und hat, wie Sie sich vorstellen können, sehr viel Blut verloren.«

      »Wann hat sie Sie angerufen? Man hat mir gesagt, dass sie es war, die im Kommissariat angerufen hat.«

      »Ja. Um Viertel nach zehn.«

      Alain Druet, der Vertreter des Staatsanwalts, stellte die Fragen, während sich der dicke Richter damit zufriedengab, vage lächelnd zuzuhören. Auch er schien sich, trotz der Schwierigkeiten, seine Kinderschar zu ernähren, seines Lebens zu freuen. Von Zeit zu Zeit warf er Maigret einen verstohlenen Blick zu, als wollte er eine Art Einverständnis zwischen ihnen herstellen.

      Die beiden anderen, der Staatsanwalt und der Polizeikommissar, sprachen und benahmen sich wie gewissenhafte Beamte.

      »Hat der Arzt die Leiche untersucht?«

      »Er war nur ganz kurz hier. Vor der Autopsie, sagt er, kann man unmöglich feststellen, von wie vielen Kugeln Palmari getroffen wurde, und man muss die Leiche ausziehen, um zu sehen, wo sie in den Körper eingedrungen und wo wieder ausgetreten sind. Aber es scheint, als ob die Kugel, die ihn im Nacken getroffen hat, von hinten auf ihn abgefeuert wurde.«

      Also, dachte Maigret, hatte Palmari keinen Verdacht geschöpft.

      »Wie wäre es, meine Herren, wenn wir uns die Leiche einmal ansehen, bevor die Leute vom Erkennungsdienst eintreffen?«

      Manuels kleines Zimmer war von Sonnenlicht durchflutet und hatte sich kaum verändert. Die seltsam verrenkte und fast lächerlich wirkende Leiche lag auf dem Boden, und das schöne weiße Haar war im Nacken mit Blut beschmiert.

      Maigret war überrascht, Aline Bauche vor einem der Fenster stehen zu sehen. Sie trug ein hellblaues Kleid, das er schon kannte, ihr schwarzes Haar umrahmte ein bleiches Gesicht voller roter Flecke. Es sah aus, als hätte man sie geschlagen.

      Sie sah die drei Männer so gehässig oder herausfordernd an, dass es Maigret nicht gewundert hätte, wenn sie mit ausgefahrenen Krallen auf sie losgegangen wäre.

      »Sind Sie jetzt zufrieden, Monsieur Maigret?«

      Dann sagte sie, an alle gewandt:

      »Es ist also nicht möglich, mich mit ihm allein zu lassen wie jede andere Frau, die gerade den Mann ihres Lebens verloren hat! Sie werden mich sicher auch noch verhaften, was?«

      »Kennen Sie sie?«, fragte der Untersuchungsrichter Maigret mit leiser Stimme.

      »Recht gut.«

      »Glauben Sie, sie hat es getan?«

      »Hat man Ihnen nicht gesagt, dass ich nie etwas glaube, Herr Richter? Da kommen die Männer vom Erkennungsdienst mit ihren Apparaten. Erlauben Sie, dass ich Aline unter vier Augen verhöre?«

      »Nehmen Sie sie mit?«

      »Ich befrage sie lieber hier. Ich berichte Ihnen später, was ich herausgefunden habe.«

      »Wenn die Leiche abgeholt wurde, sollte man dieses Zimmer besser versiegeln.«

      »Wenn es Ihnen recht ist, wird sich der Polizeikommissar darum kümmern.«

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