Tödliches Glück. Will Berthold
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Tödliches Glück - Will Berthold страница 8

Название: Tödliches Glück

Автор: Will Berthold

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788711727072

isbn:

СКАЧАТЬ das eingemottete Nazi-Fallbeil wieder ausgegraben und sie geköpft hatte.

      Sicherheit: Das war ein Kampf mit Windmühlenflügeln, geführt von Kontrolleuren, bei denen sich die Frage stellte, wer sie kontrollierte. Noch immer wurde Pullach mit der CIA wie mit einer Nabelschnur verbunden. Jahrelang waren allmorgendlich an die fünfzig US-Kontroll-Offiziere in Pullachs Heilmannsstraße gezogen, die nicht zufällig von GIs bewacht wurde. Die westlichen Geheimdienste lebten in einer Art Verbundsystem, tauschten wenigstens zum Teil ihre Nachrichten aus.

      War einer der Amerikaner faul, oder mußte man die undichte Stelle bei den Franzosen vermuten, in deren Reihen es aus Resistance-Zeiten noch Kommunisten gab? Wer garantierte, daß bei den Engländern alles intakt war, daß sie die Katastrophenfälle wie zum Beispiel Fuchs und Burges hinter sich hatten? Oder bei der NATO in Brüssel, die sich ein paarmal unangenehm über die Durchstechereien beim Bundesnachrichtendienst beschwert hatten, die angeblich ihre Schlagkraft in Frage stellten.

      Dennert war verzweifelt, auch wenn er es nicht zugab. Es ging ihm wie einem Toningenieur, der durch den Umgang mit Lautstärke das Gehör zu verlieren drohte. Bedeutete die Hellsichtigkeit des Vizechefs vom Strategischen Dienst nicht letztlich eine Art Betriebsblindheit? Ein Bankier neigt dazu, in seinen Klienten Defraudanten zu sehen, ein Pfarrer in seiner Gemeinde Sünder, ein Arzt überall Patienten, ein Finanzbeamter in jedem einen Steuerhinterzieher. Und so war es nicht verwunderlich, daß ein Sicherheitsbeauftragter, dessen Handwerkszeug das Mißtrauen sein muß, nach Verdächtigen Ausschau hält wie ein Regenwurm nach Wasserpfützen.

      Dennert folgte wieder der Besprechung und stellte fest, daß selbst Pullachs Nummer eins heute unkonzentriert wirkte und eigentlich unnötige Fragen zweimal stellte: Das Pulverfaß Berlin, in das Pankow ständig Funken warf, machte ihn besorgt, die BND-Rückschläge nervös.

      „Sie nehmen an“, wiederholte er, „daß dieser Run in den Westen mit den Straßenumleitungen, Transportbewegungen und den achtzigtausend DDR-Soldaten rings um Berlin zusammenhängt?“

      „Fraglos“, erwiderte Schluckesaft und führte seine Tüchtigkeit vor, wie man einen Wasserhahn aufdreht. „Wir erwarten in den nächsten Tagen den zweihunderttausendsten Flüchtling“, schloß er, „und das Jahr 1961 ist noch nicht zu Ende, und das heißt, daß dreieinhalb Millionen Ostdeutsche, bald jeder fünfte der Gesamtbevölkerung, diesen Hau-ab-Staat verlassen hat. Selbst diese Zahl verfremdet noch das Bild, denn fast jeder zweite ist unter fünfundzwanzig, und fast zwei von drei unter vierzig Jahre alt, und von diesen wiederum waren die meisten Wissenschaftler, Lehrer, Professoren, Ingenieure und Ärzte –“

      „– und Polisten“, warf Dennert ein. „Fünfzehntausend Vopos. Mit anderen Worten: eine ganze Division.“

      Die Anwesenden lachten befreit; wenn es auch nicht neu war, blieb es doch ein durchschlagbarer Witz, daß junge, politisch geschulte Soldaten, die die Flucht der Bevölkerung verhindern sollten, in solcher Zahl selbst an ihr teilnahmen.

      „Was nennen Sie Abriegelung, Schluckesaft?“ fragte der General.

      „Eine totale Abschnürung. Eine Grenzsperre, durch die keiner mehr kommt.“

      Der General wirkte skeptisch. „Wie wollen Sie eine 1381 Kilometer lange Grenze abriegeln?“ fragte er. „Wie können Sie ein Gebiet hermetisch absperren, das so groß wie Bayern und Baden-Württemberg zusammen ist?“

      „Wenn die wollen, schaffen sie es“, antwortete der Spezialist von der Auswertungs-Abteilung. „Die haben keine parlamentarische Kontrolle. Keine Opposition, keine langwierige Flurbereinigung und schon gar keine Presse, die ihnen auf die Finger sieht.“ Einen Moment lang hatten die Zuhörer den Eindruck, von Schluckesafts Stimme hinge Mißgunst über so viel unkontrollierte Staatsmacht. „Das einzige Problem ist, woher sie das Material nehmen.“

      „Sie haben Bonn verständigt, Grosse?“ vergewisserte sich der General.

      „Laufend.“

      „Mit Nachdruck?“

      „Zusätzliche Blitzmeldung an das Bundeskanzleramt unter dem Datum des 10. August 1961“, wiederholte Grosse pedantisch. „Headline: Mit hermetischer Abriegelung der sowjetischen Besatzungszone ist umgehend zu rechnen.“

      „Was heißt umgehend?“ fragte Dennert.

      „Die X-Zeit ist vielleicht morgen, übermorgen, nächste Woche – noch in diesem Monat, möchte ich sagen.“

      Grosse schob dem General die Blitzmeldung an das Bundeskanzleramt zu. Dr. Schneider las sie pedantisch.

      „In Ordnung“, sagte er. „Mehr als wir wissen, können wir der Bundesregierung nicht melden. Ich versteh’ nur nicht, warum Bonn bei diesen Alarmnachrichten sich so schlafmützig gibt.“

      „Wird Zeit, daß dieser dämliche Wahlkampf zu Ende geht“, erwiderte Dr. Grosse. „Die haben ja zur Zeit nichts anderes im Kopf als die vierte Wiederwahl des Bundeskanzlers am 17. September.“

      In diesem Moment ging der faule Wechsel zu Protest.

      Auch als Überbringer einer Hiobsbotschaft strotzte Ballauf noch vor Tüchtigkeit: Er trat ein, ein unauffälliger, unaufdringlicher Mann mittleren Alters, der typische Herr im grauen Flanell, von der Stange. Das As der Gegenspionage sah aus wie ein ordentlicher Buchhalter, der ein wenig darum bangte, vom Computer verdrängt zu werden – aber seine enormen Erfolge, die ihn von der Generalvertretung einer westdeutschen Großstadt in die Zentrale nach Pullach gehievt hatten, verliehen ihm im Camp einen Rang, der ihn weit über seine Dienststellung hinaushob.

      „Ich bitte um Verzeihung“, sagte Ballauf mit einer schnellen Verbeugung vor dem Hausherrn. „Ich bin leider aufgehalten worden, und ich fürchte, daß ich nunmehr auch Sie aufhalten muß, meine Herren.“ Er turnte um die auf den Stühlen Sitzenden herum, ein Stubenhokker und zugleich ein Draufgänger in der Frontlinie.

      Der General las die Notiz, die ihm Ballauf überreichte, und starrte einen Moment wie blind auf seine Unterlagen am Schreibtisch. Fast mühsam hob er den Kopf und betrachtete seinen Sicherheitsmann. „Ich fürchte, Sie haben recht behalten, Dennert“, sagte er mit belegter Stimme. „Zumindest, was Metzler angeht.“ Seine Lippen bewegten sich ein paar Worte lang stumm: „Er ist tot“, setzte er dann leise hinzu.

      Der General stand auf, trat an das Fenster, sah einen Moment lang hinaus, zu dem Springbrunnen im Garten, der wie in Atemnot gurgelte, zu den ranken Jünglingen auf den massiven Sockeln, die mit versteinerten Gebärden ins Leere griffen, dem Hoheitsadler gleich, der in diesem Moment mehr denn je einem Pleitegeier ähnelte.

      Langsam drehte er sich wieder um. „Ich danke Ihnen, meine Herren“, sagte er und gab – als sich die anderen entfernten – Dennert einen Wink, noch zu bleiben.

      Bailauf brauchte er dazu nicht aufzufordern, er blieb auch so: Der Regierungsrat wußte, daß der General nähere Einzelheiten über das jüngste Fiasko in der Zone von ihm hören wollte, natürlich hatte der Günstling sie parat.

      „Heinrich“, begann der Hausherr – nur im allerengsten Kreise redete er einige vertraute Mitarbeiter mit dem Vornamen an –, „Sie haben mit Ihrer Schelte völlig recht gehabt – wenn auch vielleicht am falschen Platz. Ich stimme Ihnen zu. Ich habe mit dem Bundeskanzler bereits Maßnahmen besprochen, diesen unterschleifigen Dingen – diesen Durchstechereien – auf den Grund zu gehen. Ich kann darüber nicht reden, noch nicht, aber glauben Sie nicht, daß ich die Entwicklung einfach treiben ließe.“ Dann wandte er sich an Ballauf: „Wie weit ist Ihre Hiobsnachricht bestätigt?“

      „Radio СКАЧАТЬ