Tödliches Glück. Will Berthold
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Название: Tödliches Glück

Автор: Will Berthold

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788711727072

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СКАЧАТЬ sicher, daß es klappen würde.

      Aber wenn es zu glatt verliefe, würde mir auch mulmig.

      In langsamer Fahrt zog ein Wagen der Volkspolizei an mir vorbei. Alle vier Insassen betrachteten mich mißtrauisch, aber mit sechsunddreißig war ich noch nicht aus dem Alter, in dem man sich auch bei Regen mit einer Puppe verabreden kann.

      Die Zeit ließ sich Zeit.

      Nach neununddreißig Minuten näherte sich ein problematischer Ford in langsamer Fahrt, mit abgeblendeten Scheinwerfern.

      Ich trat aus der Überdachung hervor.

      Ich nahm die Schirmmütze ab und winkte – das verabredete Zeichen.

      Der Wagen hielt.

      Ich öffnete den Schlag und sagte: „Guten Abend.“

      Mein Lotse war eine Lotsin, und sie hatte – ungleich ihrem Gefährt – ihre besseren Jahre wohl noch vor sich.

      Ich stieg zu. Der Wagen rollte über die nasse Straße. Der Himmel hing tief über Berlin, nieder wie eine Affenstirn und grau wie eine Fabrikwand. Grau war schon keine Farbe mehr, sondern ein Zustand. Aber ich würde vermutlich noch heute nacht in den goldenen Westen der Stadt repatriiert werden.

      Ab und zu zogen Lichtreflexe über das Gesicht meiner Chauffeuse. Ich betrachtete es gründlich – weniger mit den Augen des Mannes als aus professioneller Gewohnheit. Sie hatte sanft-rote Haare; sie waren hochgesteckt. Sie sah wie ein Pinup-girl aus, aber sie plapperte nicht. Sie schwieg und fuhr sehr konzentriert.

      „Wohin bringen Sie mich?“ fragte ich.

      „Ich führe nur Aufträge aus“, erwiderte sie betont professionell. „Ich beantworte keine Fragen.“

      „Fallen Sie um Gottes willen nicht aus Ihrer Rolle“, spöttelte ich.

      „Haben Sie die letzten Nachrichten nicht gehört?“ fragte sie.

      „Am späten Vormittag.“

      „Sie werden in der ganzen DDR gesucht wie ein bunter Hund.“

      „Hauptsache, Sie haben mich gefunden“, entgegnete ich.

      „Soweit ich es bei dieser schlechten Beleuchtung sehen kann, ist die Personenbeschreibung im Radio gar nicht so abwegig.“

      „Sicher eine Verwechslung“, wurde ich jetzt professionell.

      „Heute nacht ist nicht daran zu denken, Sie legal nach drüben zu schaffen“, sagte sie. „Sie können sich nicht vorstellen, was da heute los ist.“

      „Und illegal?“ fragte ich.

      „Ich habe keine Weisung“, entgegnete sie.

      Sie hatte eine dunkle Stimme mit einem heiseren Timbre. Ich schätzte sie auf etwa dreißig und stellte fest, daß sie hübsche Beine hatte. Diese Beobachtung war noch immer sachlich. In diesen Dingen hatte ich gelernt, die Männlichkeit auszuknipsen wie das elektrische Licht.

      „Wo sind wir eigentlich?“ fragte ich.

      „Das wissen Sie doch“, antwortete die Fahrerin. „Oder haben Sie geschlafen, als wir die Janowitzbrücke passierten?“

      Ich schwieg. Ich dachte an eine andere Dreißigjährige, die die gleichen Haare hatte, wenn auch in einem viel ordinäreren Rot. Wenn die „Ford“-Chauffeuse das an der Tigerfalle angepflockte Schaf wäre?

      Unsinn, rügte ich meine Nerven.

      Die Falle wäre längst zugeschnappt, so lange warten die nicht. Das sind ungeduldige, ungehobelte Burschen. Und die drei Gehlen-Leute hatten sie ja längst kassiert.

      „Sie sehen das Hochhaus da vorn?“ fragte sie. „Auf der rechten Seite, Nummer 189.“ Sie überreichte mir einen Schlüssel.

      „Sie nehmen den zweiten Eingang. Der Lift liegt genau gegenüber. Sie fahren zum Apartment 811 hoch. Der Schlüssel sperrt oben wie unten.“

      Ich nickte.

      „Im Kühlschrank sind Wurst, Butter, Wodka und Bier. Außerdem finden Sie Brot, Whisky und Zigaretten. Ein Notbett ist für Sie im Wohnzimmer aufgeschlagen. Wenn Sie noch etwas brauchen, bitte bedienen Sie sich.“ Sie warf mir einen Seitenblick zu. „Es handelt sich um meine Wohnung.“

      „Besten Dank, Altruistin“, entgegnete ich.

      „Sie werden nicht lange allein bleiben“, versprach sie. „Ich hab’ noch einige Dinge zu erledigen, dann leiste ich Ihnen Gesellschaft.“ Sie nickte mir zu. „Wir sehen uns spätestens beim Frühstück.“

      „Fein“, erwiderte ich. „Ich laß’ das Kaffeewasser schon nicht anbrennen.“

      Sie machte es gut; sie hielt an der dunkelsten Stelle der Straße, fuhr sofort weiter, ohne sich nach mir umzudrehen. Die Beleuchtung war schlecht. Neonschein glänzte vorwiegend auf der anderen Seite der Stadt, und die Republikflüchtlinge umschwärmten ihn wie Motten das Licht.

      Ich ging zuerst am Eingang des Neubaus vorbei, ganz langsam. Niemand zu sehen. Wenn es eine Falle war, hatte man sie perfekt installiert. Ich kehrte um. Die Haustür stand offen. In den Lift brauchte ich nur einzusteigen, wie auf Kommando stand er im Erdgeschoß. Ich drückte den Knopf. Kein Aufenthalt.

      Niemand stieg zu.

      Fünfter Stock, sechster, siebter.

      Es ging weiter nach oben.

      Achte Etage.

      Ich verließ den Aufzug.

      Kein Mensch im Treppenhaus.

      Dr. Liane Lipp stand an der Wohnungstüre.

      Der Nachbar hatte seinen Fernsehapparat nicht auf Zimmerlautstärke gestellt: Schreie, Schüsse, quietschende Reifen, ein Krimi, made in USA – nicht nur in Ostberlin waren viele Antennen auf das Westfernsehen ausgerichtet.

      Ich betrat die Wohnug, ohne Licht zu machen.

      Ich war sicher, daß mich niemand gesehen hatte.

      Die Rolladen waren heruntergelassen.

      Ich machte Licht.

      Wohnzimmer, Schlafzimmer, Küche, Bad, Balkon; für eine Ostwohnung ein erstaunlicher Komfort in einem Haus, das vermutlich vor DDR-Prominenz nur so wimmelte. Wohnungen kann man in der DDR nicht kaufen, sie werden zugeteilt.

      Wer auch immer diese Zweieinhalb-Zimmer-Pracht vergeben hatte, wußte nicht, daß die CIA als Mieter eingezogen war.

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