Название: Ekkehard
Автор: Joseph Victor von Scheffel
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783966510820
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Eure Worte sind bitter, sprach sie.
Bitter! rief die Klausnerin, gelobt sei der Herr, dass auf meinen Lippen kein süßer Geschmack wohnt! der Mund der Heiligen muss bitter sein. Da Pachomius in der Wüste saß, trat der Engel des Herrn zu ihm und brach die Blätter des Lorbeerbaums und schrieb die Worte des Gebets drauf und gab sie dem Pachomius und sprach; verschling die Blätter; sie werden schmecken in deinem Munde wie Galle, aber dein Herz wird erfüllt werden vom Überschwall wahrer Weisheit. Und Pachomius nahm die Blätter und aß sie, und von Stund an blieb sein Mund bitter, sein Herz aber füllte sich mit Süße und er pries den Herrn.
Praxedis schwieg. Es blieb eine Zeitlang still. Die andern Frauen der Herzogin waren nicht mehr zu sehen. Wie die Klausnerin ihren Gürtel herausreichte, hatten sie einand mit dem Ellbogen angestoßen und waren leise um das Häuslein geschlichen. Sie pflückten einen großen Strauß Heidekraut und Herbstblumen im Walde und kicherten dazu.
Wollen wir auch einen solchen Gürtel umlegen? sprach die eine.
Wenn die Sonne schwarz aufgeht, sprach die andere.
Praxedis hatte den Strick ins Gras gelegt. Ich will Euch Eures Gürtels nicht berauben, sprach sie jetzt schüchtern zum Fenster der Zelle hinauf.
O harmloses Gemüt, sprach Wiborad, der Gürtel, den wir tragen, ist kein Kinderspiel wie der, den ich dir reichte; der Gürtel Wiborads ist ein eiserner Reif mit stumpfen Stacheln und klirrt wie eine Kette und schneidet ein; – deine Augen erschauerten seines Anblicks. Praxedis schaute nach dem Wald, als wolle sie spähen, ob Romeias nicht bald zurückkehre. Die Klausnerin mochte bemerken, dass es ihrem Gast nicht allzu behaglich war, sie reichte ein Brett aus ihrem Fensterlein, drauf war ein halb Dutzend rotgrüner Äpfel gelegt.
Wird dir die Zeit lang, Tochter der Welt? sprach sie. Greif zu, wenn die Worte des Heils dich nicht sättigen. Backwerk und Süßigkeiten hab' ich nicht, aber auch diese Äpfel gefallen dem Herrn wohl, sie sind die Speise der Armen.
Die Griechin wusste, was der Anstand erheischt. Aber es waren Holzäpfel. Wie sie den ersten zur Hälfte verzehrt, verzog sich ihr anmutiger Mund, und unfreiwillige Tränen perlten in den Augen.
Wie schmecken sie? rief die Klausnerin. Da tat Praxedis, als ob des Apfels Rest zufällig ihrer Hand entfalle. Wenn der Schöpfer allen solche Herbigkeit anerschaffen, so hätte Eva nimmermehr vom Apfel gekostet, sprach sie mit sauersüßem Lächeln.
Wiborad war beleidigt. Gut! erwiderte sie, dass du der Eva Angedenken nicht erlöschen lässest. Die hat denselben Geschmack gehabt wie du, drum ist auch die Sünde in die Welt gekommen.
Die Griechin blickte nach dem Himmel. Aber nicht aus Rührung. Ein Falke kreiste einsam über Wiborads Zelle. O könnt' ich mit dir über den Bodensee fliegen, dachte sie. Dann wiegte sie schalkhaft ihr Haupt.
Wie muss ich's anfangen, fragte sie, dass ich vollkommen werde, wie Ihr?
Der Welt gründlich entsagen, antwortete Wiborad, ist eine Gnade von oben; der Mensch kann sich's nicht geben. Fasten, Quellwasser trinken, das Fleisch abtöten, Psalmen beten, das sind nur Vorbereitungen. Das wichtigste ist ein guter Schutzheiliger. Wir Frauen sind ein gebrechliches Volk, aber eindringlich Gebet ruft die Streiter Gottes an unsere Seite, die helfen. Schau her ans kleine Fenster, da steht er oft in nächtlicher Stille, der Erlesene meiner Gedanken, der tapfere Bischof Martinus, und hält Schild und Lanze wider die anstürmenden Teufel; ein blauer Strahlenkranz geht von seinem Haupte aus, es zuckt durchs Dunkel wie Wetterleuchten, wenn er naht, und grunzend entfliehen die Dämonen. Und wenn der Kampf geendet, dann pflegt er gar traulichen Zwiespruch; ich klag' ihm, was das Herz bedrängt, all die Not, die ich mit den Nachbarinnen habe, und alles Leid, das mir die Klosterleute zufügen, und der Heilige nickt und schüttelt die wallenden Locken und nimmt alles mit sich himmelaufwärts und teilt es seinem Freund, dem Erzengel Michael, mit, der hat jeden Montag Wache am Thron Gott Vaters, so kommt's an den rechten Ort, und Wiborad, die letzte der letzten im Dienste des Hochthronenden, ist nicht vergessen...
Da will ich den heiligen Martinus auch zu meinem Schutzpatron erwählen, sprach Praxedis. Aber darauf hatte Wiborads Lobspruch nicht gezielt. Sie warf einen verächtlich eifersüchtigen Blick auf die roten Wangen der Griechin. Der Herr verzeih Euch Eure Anmaßung, sprach sie mit gefalteten Händen; – glaubt Ihr, das ist mit einem leichtfertigen Wort und mit einem glatten Gesicht getan? Unerhört! Viel lange Jahre hab' ich gerungen und die Falten der Askesis wie Narben auf der Stirn getragen und war noch nicht von ihm begnadigt, dass er mir nur einen Blick zuwarf. Es ist ein fürnehmer Heiliger und ein tapferer Kriegsmann vor dem Herrn, der schaut nur auf erprobte Streiterinnen.
Er wird mein Gebet nicht gröblich abweisen, warf Praxedis ein.
Ihr sollt aber nicht zu ihm beten, rief Wiborad zornig. Ihr dürft nicht zu ihm beten. Was hat er mit Euch zu schaffen? Für Euresgleichen sind andere Schutzheilige. Ich will Euch einen sagen. Nehmt Ihr den frommen Vater Pachomius zum Patron.
Den kenn' ich nicht, sagte Praxedis.
Schlimm genug, so lern ihn jetzt kennen. Der war ein ehrwürdiger Einsiedel in der thebaischen Wüste, aß Wurzeln und Heuschrecken und war so fromm, dass er schon bei Lebzeiten die Harmonie der Sphären und Planeten erklingen hörte, und sprach oft: Wenn alle Menschen das hören könnten, was meine Ohren zu hören gewürdigt sind, sie ließen Haus und Hof, und wer den rechten Schuh angezogen, ließe den linken und liefe in den Orient. In Alexandria aber war eine Maid, die hieß Thaïs, und niemand wusste, was unendlicher an ihr, die Schönheit oder der Leichtsinn. Da sprach Pachomius: Eine solche ist dem ganzen Land Ägypten eine Plage, und machte sich auf, schnitt seinen Bart, salbte sich und bestieg sein Krokodil, das er durch Kraft des Gebets dienstbar gemacht, das trug ihn auf schuppigem Rücken den Nil hinab, und er ging zu ihr, als wär' er ein Liebhaber. Seinen großen Palmstock hatte er auch mitgenommen und erschütterte das Herz der Sünderin dermaßen, dass sie ihre Seidengewande verbrannte und ihren Schmuck dazu und dem Pachomius folgte wie ein Zicklein dem Hirten. Und er schloß sie in ein Felsengrab ein, daran ließ er nur ein klein Fenster und unterwies sie im Gebet, und nach fünf Jahren war der Thaïs Läuterung zu Ende und vier Engel trugen ihre Seele gerettet gen Himmel.
Aber Praxedis war nicht sehr auferbaut. Der alte Wüstenvater mit seinem struppigen Bart und den bitteren Lippen ist ihr nicht vornehm genug, da soll ich mit ihm vorlieb nehmen, dachte sie. Sie wagte nicht, es auszusprechen.
Jetzt tönte die Vesperglocke vom Kloster durch den Tannenwald herauf. Da trat die Klausnerin vom Fenster ab und schloss ihren Laden. Dumpfes Psalmbeten ward drinnen hörbar, untermischt mit einem Geräusch wie von niederfallenden Streichen. Sie geißelte sich.
Inzwischen hatte Romeias im fernen Gehölz das Gejage begonnen und warf seinen Spieß; aber er hatte einen Eichstrunk für ein Rehlein angesehen. Zürnend zog er sein Geschoß aus dem widerstrebenden Holz, – es war das erstemal in seinem Leben, dass ihm solches vorkam.
Vor Wiborads Klause war's lange still. Dann tönte ihre Stimme wieder, aber wie verwandelt, mit klangvoller Leidenschaft: Steig hernieder, heiliger Martinus, tapferer Kriegstribun, du meine Trösteinsamkeit, Stern im Dunkel der Zeit! steig hernieder, meine Seele ist gerüstet, dich zu erschauen, meine Augen dürsten nach dir. Und wieder war's still auf dem Plan – da schreckte Praxedis zusammen. Ein dumpfer Schrei klang in der Zelle auf. Sie sprang ans Fenster und schaute hinein: die Klausnerin war in die Knie gesunken, die Arme hoch erhoben, ihr Auge gläsern starrend. Neben ihr lag die Geißel, das Werkzeug der Buße.
Um Gottes willen! rief Praxedis, was ist Euch?
Wiborad fuhr empor СКАЧАТЬ