Interlaken. Silvia Götschi
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Название: Interlaken

Автор: Silvia Götschi

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Maximilian von Wirth

isbn: 9783960416661

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СКАЧАТЬ hielt es vorerst für besser, den Mund zu halten.

      «Xìngshìs machen eine Reise durch die halbe Schweiz», sagte Milagros. «Seit rund einer Woche sind sie zusammen mit einer Gruppe China-Touristen unterwegs. Sie starteten in Zürich, fuhren nach Luzern, Engelberg, auf den Titlis und logierten unter anderem auf dem Bürgenstock. Vorgestern reisten sie von der Innerschweiz nach Interlaken mit einem Zwischenhalt im Freilichtmuseum Ballenberg.» Milagros holte theatralisch tief Luft. «Seither sind ihre Frauen spurlos verschwunden.»

      «Und nicht wiedel aufgetaucht», bestätigte Xìngshì Lian. Im Gegensatz zu Xìngshì Dan schien er mit der Aussprache des Rs Mühe zu haben. Seine Stimmlage jedoch stand der seines Bruders in nichts nach. Sein Körper dagegen hatte fast das doppelte Volumen.

      «Haben Sie die Polizei darüber informiert?», fragte Fede. «Eine Vermisstenanzeige aufgegeben?»

      Die Chinesen hoben zeitgleich ihre Hände und sprachen wie aus einem Mund: «Keine Polizei.»

      Keine Polizei? Max fragte nicht nach dem Grund. Abwarten war sein Fazit. Aufträge, die Milagros einfädelte, waren mit Vorsicht zu geniessen.

      «Haben Sie schon gegessen?», fragte Xìngshì Dan und übte sich in einem Lächeln. «Tāmen yǒu shíjiān ma?»

      «Was sagten Sie?»

      «Haben Sie Zeit? Wir würden Sie gern einladen.»

      Max bedankte sich. «Dürfte ich erfahren, was Sie von uns erwarten?»

      «Die Schweizer Küche ist hervorragend», schwärmte Xìngshì Dan. Es schien, als wollte er nicht gleich auf den Kern der Sache kommen. «Wir haben bereits das Fondue chinoise probiert.» Er lächelte geheimnisvoll. «Es ist etwas fade.»

      Max sah zuerst Fede an. Sie hob ihre Brauen und kniff den Mund zusammen. Dann linste er zu Milagros hinüber, die ihre manikürten Fingernägel betrachtete. Er wandte sich an die Chinesen. «Worum geht es?»

      «Wil wünschen, dass Sie unsele Flauen suchen.» Über Xìngshì Lians Gesicht kroch Röte. «Wil welden Sie gut bezahlen.» Er griff nach seinem iPhone und tippte in die Notizen-App eine Zahl ein, nachdem er mit seinem Bruder ein paar Worte auf Chinesisch gewechselt hatte. Er streckte das iPhone Max zu. «Das ist eine Anzahlung. Spesen bekommen Sie extla.»

      Die Zahl verschwamm vor Max’ Augen. Allein diese bewies, dass es sich nicht um einen normalen Auftrag handeln konnte.

      Xìngshì Dan fixierte Max mit starrem Blick. «Finden Sie die Frauen!»

      ***

      Über dem Thunersee breitete sich das Licht der untergehenden Sonne wie ein gewobenes Tuch aus Goldpartikeln aus. Wellen schlugen unaufhörlich an den Kieselstrand, während der Wind zwischen Wasser und Erde ein melancholisches Adagio spielte. Max hatte die Schuhe ausgezogen und stand mit nackten Füssen bis zu den Knöcheln im Wasser. Sein Blick verlor sich auf der sich kräuselnden Oberfläche des Sees, derweil er seine Fassungslosigkeit von vorhin kaum zu verbergen vermochte.

      Sie hatten mit Milagros im Garten diniert, nachdem sie die Chinesen darauf vertröstet hatten, über ihren Auftrag nachzudenken. Milagros hatte Max darüber aufgeklärt, dass sie nur diese Sprache verstünden. Keine sofortige Zusage. Sie wollten sich am darauffolgenden Tag wieder treffen. Nach dem Nachtessen hatte Fede Max aus Interlaken hinaus Richtung Unterseen gelotst und von dort ans östliche Ufer des Thunersees, nach Neuhaus.

      Manor Farm war ihr Ziel gewesen. Ein Park direkt am See. Bevor Max begriffen hatte, dass er das Tor auf einen Campingplatz passierte, befanden sie sich vor einem farbigen Zelt. «Da ist es», hatte Fede frohlockt. «Hier werden wir die nächsten Tage verbringen.»

      Seit der Zeit, als er bei den Pfadfindern gewesen war, hatte Max in keinem Zelt mehr geschlafen und nie ein Bedürfnis danach verspürt. Damals war er zwölf, und es war Dads Idee gewesen. Er müsse erfahren, wie es sei, in einfachen Verhältnissen zu leben, er, der mit sämtlichen Privilegien, die Reichtum mit sich brachten, aufgewachsen war. Wenn sich Ameisenstrassen über den Boden in seinen Schlafsack bewegten, hatte Max es mutig zugelassen. Auch den Gestank im Zeltinnern, der an nasse Socken erinnerte.

      Ein Zelt! Wie konnte Fede ihm das antun?

      «Willst du für den Rest des Abends schmollen?» Sie war an seine Seite getreten. In ihren knappen Shorts und dem bauchfreien weissen Top sah sie hinreissend aus. Sie hatte sich im Zelt kurz umgezogen. «Es ist Sommer, es ist warm», sagte sie. «Wenn es dir lieber ist, können wir auch unter freiem Himmel schlafen.»

      «Ungeziefer inklusive.» Max war nicht danach.

      «Das ist einer der Gründe, weshalb ich nicht in einem Hotel übernachten wollte. Es hätte freie Zimmer gehabt. Aber nachdem ich vernommen hatte, dass diverse Gasthäuser in Interlaken gegen eine Bettwanzenplage anzukämpfen haben, entschloss ich mich, auf den Campingplatz auszuweichen. Und für das Geld, das wir gegenüber einer Hotelübernachtung sparen, können wir toll essen gehen.»

      «Dieses Argument lasse ich nicht gelten, zumal uns Milagros für die Dauer des ganzen Aufenthaltes ins Hotel Victoria-Jungfrau eingeladen hat. Du hast gehört, was sie sagte.»

      «Jeden Abend ein Champagner-Dinner. Wir sind nicht zum Vergnügen hier.»

      Max verliess die Uferzone. Er liess sich weiter hinten auf einer Bank nieder. Fede folgte ihm, setzte sich ins Gras. «Was hältst du von den Chinesen?» Sie streckte die Beine, stützte die Hände seitlich auf und schüttelte ihre rote Mähne in den Nacken. Die untergehende Sonne liess ihr Gesicht leuchten.

      «Mich stört, dass sie keine Vermisstenmeldung aufgegeben haben», sagte Max.

      «Die Asiaten ticken eben anders als wir.»

      «Trotzdem ist mir nicht wohl bei dem Gedanken.»

      «Was ist mit dir los? Warum auf einmal so vorsichtig? In den letzten Monaten hast du es dir abgewöhnt, immer alles zu hinterfragen. Nun präsentiert uns Milagros einen fetten Braten, und du ziehst … sorry, das sage ich nicht.» Fede wandte den Blick ab, als wäre ihr das Thema zuwider.

      Was hätte er antworten sollen? In seiner Laufbahn als Detektiv hatte Max erst zweimal einen Job bekommen, der sich finanziell lohnte. Um zu überleben, hatte er bislang mit lapidaren Fällen vorliebnehmen müssen. Die meisten seiner Aufträge waren Routine. Vom Bespitzeln untreuer Lebenspartner hatte er sich wider sein Vorhaben nicht distanziert. Es bot ihm die Basis für einen gesicherten Lohn. Auch gelegentliche Einsätze in Einkaufszentren oder das Aufsuchen geschiedener zahlungsunwilliger Väter. Ab und zu beriet er Leute in rechtlichen Belangen, die sich einen teuren Anwalt nicht leisten konnten. Im Frühling hatte er eine Kindesentführung aufgedeckt. Dieses Drama hatte ihn arg gebeutelt, zumal es sich um einen Scheidungskampf handelte, bei dem das Kind der leidtragende Part war. Max wusste, warum er sich damals als Anwalt nicht auf Scheidungen spezialisiert hatte.

      Er sah in Gedanken den Vorschuss auf dem Handydisplay des Chinesen. Mit diesem Betrag würde er zumindest wieder entspannter in die Zukunft blicken können. Es war bloss ein Vorschuss. Was bei einer positiven Entwicklung der Dinge herausschauen würde, darüber hatte er sich mit den Männern nicht unterhalten. Sie hatten wenig miteinander gesprochen oder bloss über das Essen. Es war mehr ein gegenseitiges Abtasten mit den Augen gewesen, das Lesen der Körpersprache. Die Brüder Xìngshì hatten den Apéro bezahlt und sich verabschiedet.

      «Woran denkst du?» Fede riss Max in die Gegenwart zurück. СКАЧАТЬ