Die Rabenringe - Fäulnis (Band 2). Siri Pettersen
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Название: Die Rabenringe - Fäulnis (Band 2)

Автор: Siri Pettersen

Издательство: Bookwire

Жанр: Книги для детей: прочее

Серия:

isbn: 9783038801146

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СКАЧАТЬ schloss die Augen, hörte die Stimme des weißbärtigen Stiers im Ohr.

      »Hör mir zu. Lass sie nicht in allem, was du tust, über dich bestimmen. Du bist ein Schwarzrock. Du bist Rime An-Elderin. Du bist Rabenträger, um des Sehers willen! Du kannst dich nicht von einem schwanzlosen Odinskind lenken lassen, das niemand wiedersehen wird. Benutz deinen Verstand, Junge! Wenn du dem Volk Hoffnung vermitteln und diesen Rat zusammenhalten willst, dann such dir eine Frau. Feier ein Fest. Zeig ihnen, dass die Familien stark sind. Und wenn du dich unbedingt gegen sie auflehnen musst, dann such dir eine außerhalb der Ratsfamilien. Nutze diese Gelegenheit, um Norden und Süden zu vereinigen. Das ist es doch, was du willst. Nimm dir ein Mädchen aus dem Norden. Ich weiß, dass sich Sylja Glimmeråsen nicht beschweren würde.«

      Jarladin wartete eine Antwort nicht ab. Er ließ Rime los und begab sich zurück zum Ratssaal. »Die Steine sind tot«, rief er. »Aber wir leben noch!« Er ging wieder in den Ratssaal und schloss die Tür hinter sich.

      Rime blieb stehen, schwer vor Widerwillen. Die Kälte fraß sich in seine Finger. Er schob die Hand in die Tasche und holte den Rabenschnabel heraus. Hlosnian hatte ihn auf dem Bromfjell aufgehoben. Bevor das Feuer die Steine verschlang. Das war alles, was von Urd noch übrig war. Ein Schnabel. Nicht einmal der Steinflüsterer kannte seinen Sinn und Zweck.

      Er sah finster aus, fremd. Die beinerne Farbe wurde zur Spitze hin allmählich schwarz. Getrocknetes Blut klebte noch immer in den Rissen.

      Rime spürte das Gewicht des Schnabels in seiner Hand. Er war schwerer, als die Größe vermuten ließ. Es überlief ihn kalt. Dennoch fühlte er sich zugleich angezogen. Der Schnabel war das Einzige, was sich wirklich anfühlte, was ihm das Gefühl gab, dass es tatsächlich passiert war und dass das hier nur der Anfang war.

      Wikinger

      »Norwegen?«

      »Nein.«

      »Finnland?«

      »Das hast du schon mal geraten. Nein.«

      »Island! Island muss es sein! Du hast diesen Laut … wie die Wikinger, das Th im Englischen.« Jay steckte die Zungenspitze etwas aus dem Mund.

      »Wikinger kenne ich nicht«, sagte Hirka und drückte dem Mädchen auf eine Stelle ihrer Schulter, worauf es zusammensackte.

      »Aua, aua, aua! Nein, nicht aufhören! Wikinger? Du hast noch nie was von den Wikingern gehört?«

      Hirka massierte ihr weiter die Schultern, ohne zu antworten.

      »Die Nordmänner, die vor tausend Jahren gelebt haben? Schiffe? Plünderung? Berserker?«

      Das Wort Berserker kam ihr bekannt vor, aber Hirka sagte nichts. Worte klangen häufig vertraut, ohne dass sie etwas bedeuteten. Sie hatte es aufgegeben, nach Gemeinsamkeiten zu suchen. Das war fast immer eine falsche Fährte und machte sie nur traurig. Außerdem hatte sie gelernt, nie ehrlich zu sein. Nie zu sagen, dass sie durch die Steine gekommen war. Oder zu versuchen, Tee aus einer anderen Welt an Leute im Café zu verkaufen. Tat man es, rief der Besitzer die Polizei, und der einzige Ausweg war dann der durchs Fenster auf der Toilette.

      »Kannst du die da rausmachen?« Hirka zupfte an Jays Ohrstöpseln. Die hatte sie immer drin. Jay sah aus, als würden ihr dünne Rinnsale aus Milch aus den Ohren laufen. Jay zog sie heraus, aber sie blieben an einer Klammer auf ihrer Brust hängen.

      »Du musst aufhören zu … Wie heißt das noch? Hängen. Den Rücken hängen zu lassen«, erklärte Hirka.

      »Ich weiß. Ich gehe krumm. Das habe ich von meiner Mutter geerbt. Sie sagt, man musste den Kopf einziehen, da, woher wir kommen. Man musste das, um zu überleben.«

      »Überleben?«

      »Überleben. Existieren. Klarkommen. Weißt du? Nicht sterben?«

      Hirka nickte. Das Wort hatte sie schon einmal gehört, es aber wieder vergessen.

      Jay streckte sich wie eine Katze. Dann holte sie das Handy aus einer Hülle, die an einem glitzernden Band um ihren Hals hing. »Was wollen wir suchen?«

      »Ein anderes Mal«, antwortete Hirka und warf einen Blick auf die Stapel mit schmutzigen Gläsern und Tellern. »Wir müssen aufräumen und zumachen.«

      »Nein, nein, eine Abmachung ist eine Abmachung. Du hilfst mir, ich helfe dir. Was soll ich suchen?«

      »Guck mal nach, ob du eine mit gelben Glockenkelchen findest. Die hat fast keine Blätter«, sagte Hirka. Sie wusch Kuchenreste von einem Teller und stellte ihn in die Spülmaschine.

      »Okay, gelbe Glockenkelche.« Jay drückte auf dem Handy herum. Ihr dunkles Haar hing ihr ins Gesicht. Das machte es immer, wenn die Haarklammern verrutscht waren. Vor allem, wenn es hektisch zugegangen war. Draußen brach Jubel aus. Hirka schaute aus dem Fenster. Das Paar hatte sich mit feuchten Augen und rosigen Wangen auf die Kirchentreppe gestellt, umgeben von Familie und Freunden, die Fotos machten. Die Fotos würden in den Telefonen gespeichert sein. Augenblicke, eingefrorene Zeit.

      Hirka hätte viel dafür gegeben, wenn sie gespeicherte Bilder aus Ymsland hätte.

      Sie fühlte, wie die Trauer ihr Herz umschloss, und beeilte sich, das letzte schmutzige Geschirr in die Maschine zu räumen. Es war sinnlos, an Dinge oder Leute zu denken, die sie sowieso nie wiedersehen würde.

      Für den letzten Teller war gerade noch Platz in dem Geschirrspüler. Sie schloss die Tür und drückte ein paar Mal auf den Knopf. Sie bekam bessere Laune, wenn sie sah, wie das Lämpchen aus- und anging.

      »Hier«, sagte Jay und hielt Hirka das Display hin. »Pflanzen mit gelber, glockenartiger Blüte. Nach welcher suchst du?«

      Hirka schaute sich die Bildchen an. Einige hatten Ähnlichkeit, aber keins zeigte die Goldschelle. Sie spürte, wie ihr die Enttäuschung einen Stich versetzte. Das überraschte sie. Sie dachte, sie hätte die Hoffnung schon aufgegeben.

      »Eine davon muss es doch sein«, meinte Jay. »Ich habe alle Pflanzen mit gelbem, glockenartigem Blütenkelch gegoogelt und ich bin ziemlich gut im Suchen und so. Du solltest das auch mal lernen, Hirka. Ich kenne keinen, der noch nie ein Telefon benutzt hat.«

      »Ich werde nie eins brauchen«, antwortete Hirka, sich schmerzlich im Klaren darüber, dass sie niemanden hatte, den sie hätte anrufen können.

      »Ui, du bist schon mit allem fertig!« Jay stand auf und strich die Schürze glatt. »Dann brauchen wir nur noch abzuschließen und zu gehen. Du bist echt effektiv.«

      Hirka lächelte. Das war in der Regel das Sicherste, was sie tun konnte, wenn sie den Sinn der Sätze nicht ganz begriff. »Wir müssen warten, bis sie weg sind, Jay. Wir gehören nicht dazu.«

      Sie warf einen Blick auf die Menschenmenge draußen. Frauen und Männer mit vor Glück feuchten Augen und in blank polierten Schuhen. Sie füllten den Platz zwischen Café und Kirche.

      Das Café war ein merkwürdiger Ausleger des Kirchengebäudes. Ein Winkel in einem ganz anderen Stil. Ein neuer Flügel, mit Platz für die, die ihn am meisten brauchten. Wie sie ihn selbst СКАЧАТЬ